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Interview mit dem politischen Philosophen Manouchehr Shamsrizi Interview mit dem politischen Philosophen Manouchehr Shamsrizi
Im Interview mit dem politischen Philosophen Manouchehr Shamsrizi für unser Buch "Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann" haben... Interview mit dem politischen Philosophen Manouchehr Shamsrizi

Im Interview mit dem politischen Philosophen Manouchehr Shamsrizi für unser Buch „Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann“ haben wir unter anderem erfahren, dass Festivals nicht nur Spaß machen, sondern auch als soziale Labore dienen können.

Hi Manouchehr, lieb dass du dir die Zeit nimmst für unser Interview. Wie du weißt, veröffentlichen wir ein Buch über die Liebenswürdigkeit der Metalheads und den sozialen Aspekt der Metalszene. Kannst du uns ein bisschen etwas über deine Aktivitäten für ICS oder das Wacken Open Air erzählen?

Manouchehr: Sehr gerne. Beim W:O:A bin ich nicht in die Organisation eingebunden, sondern erfülle nur informelle Aufgaben. Ich war selber erst 2012 das erste Mal auf dem Wacken Open Air und komme eigentlich aus der politischen Philosophie. Ich beschäftige mich in der Forschung mit der Frage wie technologischer Fortschritt und Gerechtigkeitsforschung zusammenlaufen. Dafür war ich auch schon auf Universitäten in den USA und in England. Und seit einigen Jahren bin ich an der Humboldt Uni in Berlin und an der Leuphana Uni in Lüneburg. Ich pflege auch eine Verbindung zum Social Start-Up-Bereich, in Bezug auf den Technologie Transfer in der Gesellschaft durch den Start-Up-Bereich. Vor allem Start-Ups, denen es um mehr geht als nur darum, schnell reich zu werden.

Irgendwann bekam ich Visitenkarten von ICS zugeschickt, auf denen draufstand: „Wacken Botschafter“. (Lacht) Was das heißt, weiß eigentlich keiner so genau. Holger und Thomas legen den Begriff unterschiedlich aus. Bei Holger wird er immer zum wissenschaftlichen Botschafter. Eine Rolle, die mir sehr gefällt, weil ich dadurch in unfassbar spannende Projekte involviert wurde – von Uni Lehrstühlen für Wirtschaftsgeographie bis hin zu Kooperationen mit Hardcore- Quantenphysikern. Das ist unfassbar inspirierend. Und Thomas sagt immer zu meiner Rolle: „wenn wir eingeladen werden zum Sommerfest der Kanzlerin, dann brauchen wir jemanden der uns dort repräsentiert.“ Und das bin jetzt ich (lacht).

Zeigt uns seine Visitenkarte

Eine lustige Anekdote zwischendurch zu meiner ersten Begegnung mit Metal: in einer Jugendherberge war ich zusammen im Zimmer mit einem Kollegen, der uns pünktlich nach Ende der Nachtruhe, also knapp vor 7:00 Uhr mit einem langen Halloween Intro weckte. Da ich wusste, dass es mir die nächsten fünf Tage auch so ergehen würde, freundete ich mich mit der Situation an (lacht). Danach wurde ich relativ schnell Prog-Metal-Fan.

Thomas Jensen sagt immer: „Ihr jungen Leute wollt ja sowieso nur sowas wie Heaven Shall Burn hören. „Und dazu muss ich sagen, dass ich mit der Musik auch gut kann. Vor allem passen mir die auch politisch gut in den Kram. Denn es ist wirklich toll, was die Band alles macht.

Eines der Start-Ups, die ich mitbegründet habe, macht Videospiele mit Medizin Produktcharakter. Diese Medizinprodukte sind für den Einsatz bei Parkinson Patienten und in Altenheimen. Durch diese Spiele werden die Klienten dazu gebracht, sich zu bewegen, zu konzentrieren und Gruppen-Inklusion zu empfinden. Und das mit einem anderen Menschenbild im Hintergrund als es der normale Homo Oeconomicus ist, der ja nur den Krankenkassen in die Kassen spielt. Also quasi über den Homo Ludens, unter dem Aspekt, dass Menschen verspielte Wesen sind. Dabei spielt Musik eine unfassbar große Rolle.

Ich hab‘ mal in Hamburg darüber mit John Rudess von Dream Theater gesprochen, weil er ähnliche Projekte macht. Und er hat mich nachhaltig beeindruckt, weil er sich mit denselben Themen befasst wie ich, z.B. „wie gehen wir als Gesellschaft mit technologischem Fortschritt um“.

Er sagte, er könne überhaupt nicht nachvollziehen weshalb Musikproduzenten am laufenden Band Ungerechtigkeiten reproduzieren. Denn sie könnten bezüglich Inklusion viel mehr anbieten, reproduzieren aber immer wieder nur Instrumente, bei denen du zum Beispiel eine Klaviatur beherrschen musst, um dich musikalisch ausdrücken zu können.

Stattdessen könnte man eigentlich neue Instrumente schaffen, wo man sich zum Beispiel in einer Kugel befindet und immer, wenn man seine Arme ausstreckt ein Ton entsteht.

Stattdessen bekommt Rudess jedes Jahr nur ein noch besseres Keyboard zugeschickt. Dabei könnte man schon längst Holo-Klaviaturen erschaffen. Die Musikindustrie steckt also noch in Mustern fest, die einige Musikstile schon längst überwunden haben. Warum muss man, um Cello spielen zu können, immer noch ein Cello bedienen. Eigentlich geht es doch nur um die musikalischen Ideen. Wie man diese umsetzt und zum Ausdruck bringt, ist eigentlich nicht wichtig.

Es gibt ja schon solche progressiven Projekte. Zum Beispiel das MIT Brain Orchestra. Das ist ein interaktives Projekt, das die Kulturtechnik überbrücken wollte, um dem Kulturmedium zur Freiheit zu verhelfen. Dabei sind echt abgefahrene Instrumente entstanden, mit denen man wirklich intuitiv spielen kann. Daraus wurde dann ein Orchester zusammengesetzt. Mit solchen Projekten könnte man sehr viel bewegen. Dieses Experimentelle, ist auch das was mich am Prog fasziniert.

Ergeben hat sich das Gespräch mit Rudess, weil wir einen gemeinsamen Bekannten hatten.

Welche Projekte betreust du denn für das W:O:A?

Manouchehr: Angefangen hat es mit der Wacken Foundation. Ich habe Thomas Jensen durch ein Interview für die Bertelsmann-Stiftung kennen gelernt. Die hatte damals ein tolles Projekt: das nannte sich Future Challenges.org. Ich glaube das gibt’s nicht mehr, aber das beschäftigte sich mit den Interdependenzen zwischen den globalen Megatrends. Auch bei diesem Projekt hatte ich Handlungsfreiheit und stützte mich dann auf die These von Dirk Baecker: Er besagt, dass Festivals gesellschaftliche Labore sind. So beschlossen wir zum Wacken Open Air zu fahren und diesbezüglich nachzufragen (lacht). Da das Interview mit Thomas Jensen nicht klappte, habe ich stattdessen den Investment Punk aus Wien, Gerald Hörhan, interviewt, der durch seine Thesen zur Vermögensplanung und Digitalisierung bekannt geworden ist.

Nachdem ich dieses Video online gestellt hatte, hat sich die Bertelsmann-Stiftung dagegen entschieden, es hochzuladen, da es nicht wirklich zur altehrwürdigen Bertelsmann-Stiftung passt. In deren Video Team gibt es aber einen Metalhead, der das cool fand. Er hat das Video nicht nur trotzdem bearbeitet, sondern für das Video sogar das klassische Intro der Bertelsmann-Stiftung abgewandelt. Da gab es ein paar coole Gitarren Riffs und dann wurde eingeblendet „sometimes the truth is found in dirty places“. Und nachdem er es hochgeladen hatte, hatte es mit Abstand die höchsten Zuschauerzahlen seit Langem auf dieser Plattform. Das setzte natürlich die Stiftung unter Zugzwang, und sie musste sich zu dem Video bekennen.

Thomas Jensen fand das sehr witzig und so haben wir angefangen über Stiftungen zu sprechen. Dabei entstand auch die Frage wie sich die Wacken Foundation positionieren soll und wie sie mit der Zeit gehen kann.

Weiteres Thema ist der beidseitige Transfer von Forschung und Festival.

Baecker stellte die Theorie auf, dass ein Festival zwar ein physischer Ort in der Gesellschaft ist, sich aber anders verhält als die Gesamtgesellschaft. Das ist aber nur die geistes- und gesellschaftswissenschaftlich spektakuläre Hälfte der Wahrheit, denn ein Festival hat ja auch ganz handfeste Aspekte, die hochspannend sind: wenn man für 100.000 Leute die drittgrößte Stadt Schleswig-Holsteins aufbaut, dann kann es eigentlich kein Thema geben, das einem egal sein könnte und zu dem man sich nicht verhält. Das reicht von Cyber Security im Ticketing bis zum Anspruch von Nachhaltigkeit und Ernährung. Der Vegan Black Metal Chef läuft ja nicht grundlos über das Gelände. Oder in Bezug auf Mobilität stellt sich die Frage wie könnte man Carsharing-Angebote für den Shuttle von Hamburg nach Wacken nutzen?“

Festivals sind also gesellschaftliche Labore mit zwei Aspekten.

Das kann sehr unterschiedliche Konkretisierungen annehmen. Das reicht von der Frage wie man ein Festival elektrifiziert bis hin zur gerade aktuellen Frage wie man die Digitalisierung während der Corona Zeit nutzen kann, um Festivals zu ermöglichen. Meine Aufgabe ist es nach so etwas Ausschau zu halten. Bezüglich der Luca App hatte ich mit Holger und Thomas das letzte Gespräch schon im letzten Jahr.

Bereits 2014 saßen wir zu dem Thema zusammen: wie kann man den Musikern eine Blockchain ermöglichen und alle intermediären Institutionen ausschalten, die Ungerechtigkeiten reproduzieren und der Menschheit an sich nicht dienen. So haben wir 2014 die Frage besprochen: kann man für die Künstler, die ICS betreut, Angebote schaffen, wo man die Demokratisierung zu deren Werk über die Blockchain hat? Und gäbe es ein neues Einkommensmodell für die Musiker? Und könnte man das elendige Ticketing Modell lösen, indem man über eine Blockchain, Leuten die Möglichkeit gibt, ihr Ticket weiterzuverkaufen. Sozusagen einen legalen Schwarzmarkt zu schaffen, der aber fälschungssicher ist. D.h. das Festival wüsste nicht wer hinter welchen Tickets steht, aber man wüsste mit absoluter Sicherheit, dass nur die Tickets verkauft werden, die man ausgegeben hat.

Nichts, was ich für ICS mache, ist existenziell notwendig. Ich mache einfach Vorschläge für die Festivals der nächsten Jahre. Bei ICS gibt es ein halbes Dutzend Leute, mit denen ich in Kontakt bin, aber keiner weiß eigentlich so richtig was ich mache, da die Aktivitäten immer nur punktuell sind (lacht). Das ist ja auch okay, da ich ja auch alles ehrenamtlich mache.

Die wichtigste Frage ist: Wie benutzt man das Festival, um technologische und gesellschaftliche Trends, die von außen kommen, beobachten zu können und das Festival für die Besucher zu optimieren und zu einer besseren Zeit zu verhelfen.

Euer Buch Projekt passt hier hervorragend hinein. Denn wie erklärt man Menschen am besten, dass sich der Blick von außen nach innen absolut lohnt. Weil man dadurch eventuell sehen würde, wie die Gesellschaft in 10-15 Jahren aussehen könnte. Damit sind wir wieder bei Dirk Baecker. Vielleicht auch in 20 Jahren oder sogar schon nächstes Jahr. Dass man das Festival neutral und ohne Erwartungen beobachtet, im Gegensatz zu dem, wie es derzeit gehandhabt wird, etwa wie wirkt sich E-Mobilität auf das Festival aus? Denn dafür schaut man sich ja nur dediziert dieses bestimmte Thema an und würde wertvolle andere Aspekte und mögliche Erkenntnisse vollkommen übersehen. Wenn man zum Beispiel routinierte Psychologen über das Festival laufen ließe, würden die ganz andere Dinge sehen, als wir wahrnehmen. Da wir ja selbst involviert sind, übersehen wir bestimmt gewisse Aspekte. Wenn man also nicht nur nach bestimmten Dingen Ausschau hält, entdeckt man um Vieles mehr.

Aber das klappt nicht immer, denn ich hatte zum Beispiel das Full Metal Gaming mitangestoßen. Das war weniger erfolgreich als gedacht. Darin liegt aber großes Potenzial, weil es auch große Schnittmengen gibt.

Die Idee kam mir, als ich wegen eines anderen Projekts auf der Gamescom war. Und auch Holger hatte einige Leute dorthin geschickt. Und da haben wir uns gefragt, wie man Menschen, die nicht hier sind klarmachen könnte, dass es diese Schnittmenge tatsächlich gibt. So haben wir angefangen Leute zu belästigen, in dem wir sie gefragt haben, ob wir sie mit ihren T-Shirts fotografieren dürften. Das hatte den Grund, dass jeder vierte dort einen Wacken Shirt oder ein Band Shirt anhatte. Umgekehrt ist das anders. Auf dem Wacken Open Air sieht man nur wenige Leute mit Gaming Shirts.

Es gab vor kurzem eine empirische Umfrage, die ergab, dass 20 Millionen Deutsche sich vorstellen könnten, ein Konzert in einem Game zu besuchen. Zum Beispiel in Fortnite, eigentlich ein furchtbares Spiel, aber sehr erfolgreich. So könnten Konzerte mit Millionen Besuchern virtuell stattfinden.

Es stellt sich natürlich auch die Frage wo die Grenze liegt, wenn man Musik Events ins Virtuelle überträgt. Das sind Themen, die für viele sehr weit weg sind, und auch nicht jeder Metalhead gut findet.

Die Annahme ist aber, dass von den 80.000 Leuten mindestens 10.000 gamingaffin sind.

Da würde doch ein E-Sports-Event absolut Sinn machen.

Der frühere Marketingchef von ICS unterschied immer zwischen der Community und den „Keepern of the holy Flame“, die meinen das einzig wahre Verständnis für den Metal zu haben. Die sozusagen immer am alten Metal, so wie sie ihn damals kennengelernt haben, festhalten.

Da gibt es ja diese Douglas Adams Theorie, wo das Leben in drei Phasen unterteilt wird. Da gibt es Dinge, die schon da waren, als man auf die Welt kam. Die gehören einfach zum Leben dazu. Dann gibt es die Phase bis 35, in der alles Neue cool ist. Und alles was entsteht nach dem 35en Lebensjahr widerspricht dann der natürlichen Ordnung der Dinge und sollte theoretisch nicht sein. Das hält sicher keiner soziologischen Überprüfung stand, aber bei den Keepern of the holy Flames ist das ein bisschen so.

Habe auch dazu eine Anekdote: Als die Hamburg MetalDays das erste Mal stattgefunden haben, in Kooperation mit dem Reeperbahn Festival, das ja kulturpolitisch eine ähnliche Position erreichen soll, wie das „South by Southwest“( Das South by Southwest ist, laut Wikipedia, eine jährlich im März in Austin, Texas, stattfindende Veranstaltung. Es vereint Festivals, Konferenzen und Fachausstellungen vor allem in den Bereichen Musik, Film und interaktive Medien)

Denen fehlte im Programm immer Metal. Aber den haben sie sich schließlich über die Kooperation mit den MetalDays geholt. Da gab es eigentlich verhältnismäßig große Headliner im Vergleich zu der Größe des Festivals. Dennoch hat sich doch tatsächlich jemand in einem Post über das Line Up . beschwert. Er meinte alles sei nur mehr Kommerz und im Vorjahr wäre alles viel besser gewesen. Obwohl es das Festival im Vorjahr noch gar nicht gegeben hatte. Das zeigt, dass da bei manchen Leuten ein extremer Mechanismus ist, dass sie automatisch alles was früher war, besser finden als das was aktuell ist.

Lydia bringt Argumente, warum die Metal- und die Rockszene nicht dieselbe ist und dass gerade in der Rockszene sehr viele festgefahrene Menschen zu finden sind. Die Metalszene hingegen offen und tolerant ist.

Manouchehr: auf der einen Seite lebt die Community Identitätspolitik wie kaum eine andere. Die Kulturtechnik einer Kutte, auf die man alles draufklebt, was man gut findet, damit alle anderen das auch mitbekommen: Mehr identitätsstiftend und Mitteilsamkeit geht ja gar nicht.

Auf der anderen Seite können wir uns stundenlang darüber unterhalten, ob Band A Power Metal oder Melodic Death Metal ist. Das ist eine wichtige Diskussion, die nehmen Metal Fans sehr ernst. Ihnen ist es sehr wichtig, dass ihre Lieblingsbands richtig klassifiziert werden. Darüber kann man stundenlang heiße Diskussionen führen und trotzdem ist das Gegenüber auch nachher noch dein Fellow Metalhead, auch wenn man sich nicht einig geworden ist. Die ganzen identitätspolitischen Debatten könnten etwas von der Streitkultur der Metalheads lernen.

Es gibt natürlich auch noch wirklich ernste Themen. Zum Beispiel wie man mit toxischer Maskulinität umgeht. Die Gaming Community geht zum Beispiel ganz anders um mit Sexismus als die Metal Community. Die Metal Community geht viel reflektierter und gesitteter mit dem Thema um. Diese Themen werden nicht so unter den Teppich gekehrt, wie es in anderen Communities teilweise passiert.

Als der Ministerpräsident kam, musste ich spontan einspringen, um ihn zu moderieren. Er kam 2017 oder 18 und hatte sogar ein Wackenshirt an. Ich war gerade aus meinem Zelt gekrochen, als ich erfuhr, dass ich das in gefühlt einer halben Stunde tun sollte (lacht). So kam ich auch zu einem der limitierten W:O:A Hemden.

Auch als wir den ersten Kontakt zu den Rotariern hatten, wurde ich gebeten mich um den Kontakt zu kümmern, weil Thomas und Holger damals noch nichts mit Rotariern anfangen konnten (lacht). Und als ich dann da hinkam, hatten wir dasselbe, was du Lydia gerade erzählt hast von den Schlipsträgern aus der XING Gruppe. Auch hier sah man es all den Schlipsträgern von den Rotariern nicht an.

Daraus entstand dann die Rotarian Metalhead Fellowship.

Metality ist entstanden in einem Call mit Niko Rose vom Ministerium für Schwermetall, der auch als Prof an der FH Psychologie unterrichtet und Holger und Thomas und noch 2-3 Leute. Nikos Idee war etwas anders, als das was letztlich bei Metality rauskam. Am Ende waren so viele Leute beteiligt, dass auch sehr viele unterschiedliche Ideen kamen. Ursprünglich entstand es aus der Frage heraus, warum Fortbildung größtenteils so unmotiviert und uncool sein muss. Man könnte zum Beispiel Bruce Dickinson Marken Identität unterrichten lassen. Metality: Metalität des Metal. Ziel: Metalität in der Gesellschaft zu steigern. Die Dreifaltigkeit: Metality, Metalhead Fellowship und den World Metal Kongress sind Belege für den Wunsch die Metality in die Gesellschaft zu tragen. Alle drei Projekte sind ungefähr zeitgleich entstanden.

Eure Xing Gruppe ist ja ein weiterer Beweis dafür, dass es ein Submilieu innerhalb der Metal Szene gibt, wo ganz klassischer bürgerlicher Berufstätigkeit nachgegangen wird. Dazu gehört auch Fortbildung. Die Idee dahinter: warum nicht einfach metalaffine Fortbildung anbieten.

Rotary ist eigentlich eine erzkonservative Angelegenheit. Es gibt 1,2 Millionen Rotarier, die in soziale Projekte involviert sind. Jeder aus einem anderen Beweggrund. Der eine, weil er gerne netzwerkt, die andere, weil sie sich sozial engagieren möchte, etc. Mit dem Vorwurf, den man der Orga seit Jahren macht, dass die Mitgliedschaft selektiv ist, wenn nicht sogar exklusiv. Das wird je nach Region unterschiedlich gelebt: zum Beispiel sind die alten Hamburger Clubs auf jeden Fall selektiv. In den USA wiederum sind die Clubs etwas entspannter.

Eines steht jedenfalls fest: die Rotarian Metalhead Fellowship ist ziemlich cool. Ihnen ist es gelungen nach über 100 Jahren Rotary Geschichte, die Organisation davon zu überzeugen, dass es extrem gegen den Charakter des Metal gehen würde, irgend jemanden auszuschließen.

Man beteuerte, dass man die Fellowship lieber gar nicht gründen würde, als eine geschlossene VIP Gesellschaft zu schaffen.

Zunächst fehlte dafür in der Orga jedes Verständnis, letztlich jedoch, waren sie einverstanden. Deshalb steht auch diese Fellowship Nicht-Rotariern offen.

Das ist ein riesiger Fortschritt.

Ein Drittel der Fellowship sind nicht mal Rotarier. Auch der Name hat sich verändert. Viele kennen es nur mehr unter Metalhead Fellowship. Das möge menschheitsgeschichtlich niemanden interessieren, aber innerhalb der Community ist das ein großer Etappensieg.

Man muss immer angeben wen man begünstigt. Und das ist die erste Fellowship, die mehr als einen Begünstigten hat. Normalerweise ist es irgendein rotarisches Hilfsprojekt. In unserem Fall sind es aber die Rotarian Foundation und die Wacken Foundation. Es war nicht leicht das durchzusetzen, aber es ist uns gelungen.

Ich bin ja auch seit vielen Jahren mit großer Freude Fellow bei der Gesellschaft für auswärtige Kulturpolitik. Das führte dazu, dass ich irgendwann mal an einer Sitzung teilnahm, die sich damit beschäftigtes, wie die auswärtige Kulturpolitik in den nächsten Jahren ausgerichtet sein sollte.

Ich habe hartnäckig dafür plädiert, dass der Kulturbegriff der breitest Mögliche sein sollte. Ich war zwar dort als Wissenschaftler und nicht als Vertretung für Wacken, aber natürlich habe ich Metal immer im Kopf. Mit Vergnügen habe ich beobachtet, wie das Auswärtige Amt sich damit beschäftigen musste, einer Band aus Waisenkindern aus Kambodscha zu ermöglichen auf dem Wacken Open Air zu spielen. Vom Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein bis über normale Bürger waren unterschiedliche Personen aus aller Welt an dieser Aktion beteiligt und haben ausreichend genervt, damit sich mit dem Problem angemessen beschäftigt wurde (lacht).

Die meisten Politiker wussten auch was das W:O:A ist und haben teilweise sogar schon mit Delegationen am Festival teilgenommen. Ich finde das mega sympathisch, denn hierbei handelt es sich um Diplomatie und nicht um ganz normale Politik. Die wurden genauso behandelt wie die Landtagsabgeordneten von Schleswig-Holstein.

Wenn wir uns einig sind, dass Festivals als gesellschaftliche Labore fungieren, sowohl für technologischen Fortschritt als auch für soziale Modelle, dann müsste das in der logischen Konsequenz auch eine kulturpolitische Aufwertung von Festivals bedeuten.  Dort sind wir aber noch lange nicht angelangt. Denn als Festival bist du zwar mehr als Musikwirtschaft, man wird aber nur als Musikwirtschaft gesehen. Deshalb ist eine kulturpolitische Strategie für Festivals unumgänglich.

Meine Meinung ist, dass das Wacken Open Air der Elb Philharmonie näher ist als anderen Metal Veranstaltungen. Die Elb Philharmonie wird in den Medien als eine der kulturell interessantesten Stätten geführt. Das könnte das W:O:A aber auch sein, doch dafür müsste es anders gesehen werden als als reines Festival. Es ist eine Community, es findet eigentlich das ganze Jahr statt, etc. Das sind alles Tatsachen, die jeder Fan weiß, die aber auch vom Marketing ständig thematisiert werden.

Ich sehe meine Aufgabe darin, auszusprechen, was eigentlich schon längst bekannt ist.

Holger kommt oft zu Meetings mit Politikern mit seinem Witz, den die alle meist nicht lustig finden und den eigentlich nur wir lustig finden: „wir sind aus Wacken, kennen Sie ja, man sagt ja Hamburg liegt bei Wacken.“

Aber eigentlich trifft es den Nagel auf den Kopf.

Die Wacken Metal Akademie zum Beispiel ist auch eine ziemlich coole Sache. Das sind tolle Leute, die das machen. Ein befreundeter Quantenphysiker spielt in einer Trash Metal Band und erklärt in der Wacken Metal Akademie den Schülern zum Beispiel anhand von Lyrics physikalische Phänomene und ich referiere über philosophische Konzepte. Wenn man die Schüler so vorbereitet werden die Texte noch tiefsinniger.Es ist ein fantastisches Projekt und dennoch war es extrem schwierig dafür Bafög zu beantragen. Du musst eigentlich ständig die Diskussion führen, inwieweit Metal Musiker ein Beruf ist, diese Diskussion würde man mit einer anderen Rückendeckung führen, wenn man eine klassische Musiker Ausbildung macht. Eine klassische Musiker Ausbildung wird sofort unterstützt, weil es auch ästhetisch gewollt ist. Wenn man aber sagen könnte, dass man per Kulturpolitik erreicht hätte, dass Wacken denselben internationalen Stellenwert hat wie die Elb Philharmonie, würde niemand daran zweifeln, dass die Studenten der Wacken Metal Akademie Bafög bekommen könnten.

Dann müsste er unbedingt Bafög bekommen, auch wenn er hinterher keinen Job bekommt. Dass es dann eine anerkannte künstlerische Ausbildung ist, die sich nicht unterscheidet von der Ausbildung an einer öffentlichen Musikhochschule. Daher ist hier noch Optimierungsbedarf.

Welches Projekt würdest du als dein Herzensprojekt bezeichnen?

Manouchehr: Eigentlich genau das, was ich vorher angesprochen habe. Das liegt mir ganz besonders am Herzen. Einem Festival, wie dem Wacken Open Air, einen kulturpolitisch neuen Stellenwert zu verschaffen – sowohl in der inländischen wie auch in der ausländischen Kulturpolitik.

Und mein zweites Anliegen ist intern zu implementieren, dass ein Festival ein gesellschaftliches Labor ist und der wissenschaftlichen Außenwelt klarmachen, dass sie mit dem W:O:A einen fantastischen Partner haben, in allen Bereichen, über die wir gesprochen haben.

Deshalb finde ich auch euer Buch Projekt so spannend, weil es eigentlich in meine beiden Herzensthemen einzahlt.

Ein Beispiel: wenn zum Beispiel Tausende Leute von einem Amon Amarth Konzert kommen und dir sagen, dass alle Kraft, die sie hatten von deinem Invitro Burger kommt, das ersetzt jede noch so geniale Marketing Kampagne.

Was kann denn die Gesellschaft von den Metalheads, deiner Meinung nach, lernen?

Manouchehr: Am besten wäre natürlich, wenn das jemand sagt, der selbst kein Mitglied der Szene ist und das Ganze von außen beobachtet.

Lernen kann die Gesellschaft von uns, Gemeinschaft zu haben und zu pflegen, trotz aller Differenziertheit. Wenn es eine Lösung für die identitätspolitische Krise gibt, dann findet sich die Lösung oder mögliche Antworten in unserer Community. Die Metalszene schafft es, Verschiedenheit auszuhalten und am Ende sind wir eine Community.

Wenn dabei dann auch noch Innovationen abfallen, wie etwa die drittgrößte Stadt in Schleswig-Holstein hat es geschafft energieeffizienter zu sein oder weniger Müll zu produzieren, dann ist es noch zusätzlich cool. Das kann man schon fast als Innovationsabfallprodukte bezeichnen. Dass so ein Riesenpotenzial so nebenbei stattfindet.

WACKEN – das perfekte Paralleluniversum: Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann„, unser Buch über die Liebenswürdigkeit der Metalheads und den sozialen Aspekt der Metalszene, könnt ihr überall im Buchhandel oder signiert über info@metalogy.de bestellen.

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de