Interview mit Florian Döring – Vorstandsvorsitzender von METALITY – Die Metalität in die Gesellschaft tragen
InterviewsNews 3. Dezember 2024 Lydia Dr. Polwin-Plass
Interview mit Florian Döring, Gründungsmitglied von METALITY und 1. Vorsitzender des Vorstands. Unter anderem erzählt er uns etwas zur Bedeutung der Leitsprüche des Vereins: „Die Metalität in die Gesellschaft tragen“ und“ wer im Moshpit des Lebens hinfällt, dem helfen wir wieder auf“ und zu dessen Aktivitäten. Und natürlich – wie alle unsere Interviewpartner – auch einiges Privates.
- Hallo Florian, wärst du so nett und stellst dich kurz vor?
Ich bin Baujahr 1979, komme aus Karlsruhe, wohne aber schon seit über 15 Jahren in Frankfurt und (inzwischen) Umgebung. Metalhead bin ich schon seit Kindestagen. Mein erstes Konzert war damals 1993 Guns n‘ Roses im Wildparkstadion. Glücklicherweise habe ich mir das Shirt damals viel zu groß gekauft, so dass es immer noch – beziehungsweise jetzt endlich – passt.
- Welche Funktion hast du bei Metality und wie lange bist du bereits dabei?
Ich bin Gründungsmitglied von Metality und 1. Vorsitzender des Vorstands.
- Wie kam es zur Gründung und wie hat sich Metality seitdem entwickelt?
Das hat eine längere Vorgeschichte. Die Wacken-Gründer Thomas und Holger haben mal eine Gruppe von Leuten auf Full Metal Mountain zusammengetrommelt, um ein Brainstorming zu machen. Im Anschluss gab es mehrere Folgetreffen, in denen weiter daran gearbeitet wurde. Das Konzept hat sich auf der Wegstrecke immer mal wieder geändert, bis es jetzt zu Metality im heutigen Sinne wurde.
- Was ist der Grundgedanke hinter Metality?
Die Werte des Metal in die Gesellschaft zu tragen. Anders gesagt: wer im Moshpit des Lebens hinfällt, dem helfen wir wieder auf. Plakatives Beispiel: In Wacken liegt jemand betrunken schlafend auf dem Boden in der Sonne. Geldbeutel und Handy sind aus seiner/ihrer Tasche gefallen. Kommt jemand vorbei, cremt ihn oder sie mit Sonnencreme ein und steckt ihm oder ihr die Sachen wieder in die Tasche. Am Montag nach dem Festival liegt in Hamburg jemand auf dem Boden und alle machen einen großen Bogen um ihn. Diese Diskrepanz wollen wir auflösen.
- Wie wollt ihr das hinbekommen?
Wir sagen immer, dass Metality auf zwei Säulen steht. Die sozialen Projekte und das Metal Netzwerk.
- Erzähl uns etwas über die sozialen Projekte, die Metality derzeit unterstützt bzw. durchführt und organisiert?
Wir haben aktuell vier soziale Projekte:
Beim Home Schooling bekommen Kids, die sonst nicht die Möglichkeiten hätten, von uns Gitarre, Schlagzeug, Bass gestellt und den Unterricht dazu. Einige Schüler fördern wir jetzt schon seit mehreren Jahren und können da beindruckende Fortschritte beobachten.
Bei You’ll never rock alone ermöglichen wir Menschen mit Behinderung den Besuch von Metal Konzerten. Z.B. schieben wir einen Rollstuhlfahrer durch die Location oder reichen einem Blinden den Arm, um ihn durch’s Gewühl zu führen. Teilweise können wir auch in beschränktem Umfang bei An- und Abreise behilflich sein. Dabei ist uns wichtig, zu betonen, dass wir keine ausgebildeten Pfleger sind, sondern nur einfache Metalheads, die mit anderen Metalheads Konzerte besuchen.
Unsere Schlafsackaktion hat zwei Komponenten. Im Sommer sammeln wir auf den Festivals die übrig gebliebenen Schlafsäcke, Zelte und Isomatten und geben die an Wohnungslosenorganisationen weiter, die sie dann an die Bedürftigen verteilen. Das haben wir dieses Jahr z.B. auf dem Rock Hard Festival, dem Summer Breeze und in Wacken gemacht. Allein in Wacken kamen ein LKW, ein Hänger und ein Sprinter voll Material zusammen. Diese Gegenstände sind ja aus extrem haltbarem Material gemacht und würden sonst hunderte Jahre auf Müllkippen rumgammeln. So können sie weiter genutzt werden und helfen Menschen, auf der Straße zu überleben. Im Winter machen wir dazu noch eine Spendenaktion „666 Schlafsäcke für Obdachlose“. Wobei wir sie langsam mal umbenennen müssten, da wir letzten Winter tatsächlich schon 2 Mal 666 Stück kaufen und über 50.000 Euro in Schlafsäcke investieren konnten.
Und dann haben wir natürlich noch unser Black Dog Projekt. Mit einem Armband, das wie ein Festivalbändchen aussieht, wollen wir Awareness für das Thema Depression schaffen und es aus der Tabu-Zone holen. Wir merken, dass wir hier wirklich einen Nerv getroffen haben und das Thema sehr viele Menschen tief bewegt. Daher haben wir auch mehrere Zehntausend dieser Bändchen an den Metalhead gebracht. Alleine als Torsten Sträter, der ja auch Schirmherr der Deutschen Depressionsliga ist, die Aktion auf seinen Socials geteilt hat, gingen binnen 48 Stunden über 4000 Bestellungen ein!
- Gibt es ein Projekt, auf das du besonders stolz bist?
Letztlich fließt in jedes Projekt sehr viel Herzblut und ich will da keines besonders hervorheben. Der emotionalste Moment war aber sicherlich „Friday is Flyday“ in Wacken. Das war eigentlich gar kein Projekt von uns, sondern eine Sonderaktion. Aber als über 200 Metalityheads zusammengekommen sind, um Rollstuhlfahrern sicheres Crowdsurfing zu ermöglichen, war das einfach überwältigend. Wir hatten ein dichtes Spalier von der Bühne bis zum Mischpult und mehrere Trägerteams, die die Rollstuhlfahrer haben surfen lassen. Für alle Beteiligten einfach nur Emotion pur!
- Welche Projekte sind in Planung?
Wir sind gerade dabei, etwas auszubrüten, mit dem unsere Chapter die jeweilige lokale Metalszene unterstützen können. Das ist aber noch nicht spruchreif. Vermutlich kann man es aber auf unserer Webseite nachlesen, wenn dieses Interview in der Neuauflage des Buchs erscheint.
- Kommen wir zu Eurer zweiten Säule, dem Metal-Netzwerk. Wieviele Mitglieder hat Metality? Und wieviele Chapter gibt es inzwischen? Welche Bedeutung hat Metality als Netzwerk?
Die Mitgliederzahl wächst rapide. Wir haben Ende Juli 2023 die 1000 Mitglieder Marke geknackt und sind zum Stand des Interviews im September 2024 schon bei über 2600. Wir haben alleine im deutschsprachigen Raum über 50 Chapter, die jeweils lokal ein wirklich starkes Netzwerk bilden. Wir treffen uns zu Chapter Meetings, gehen zusammen auf Konzerte, bilden Fahrgemeinschaften und haben auch einfach so mal Spaß zusammen. So viele Menschen haben mir schon gesagt, dass seit sie bei Metality Mitglieder sind, sie immer jemanden haben, mit dem sie auf Konzerte gehen können. Auch wenn man mal in einer anderen Stadt unterwegs ist, kann man das dortige Chapter kontaktieren und hat sofort Anschluss an andere Metalityheads. So war es für mich persönlich zum Beispiel bei einem Berlin-Besuch letztes Jahr. Ich hab das Chapter kontaktiert und wir waren letztlich ca. 20 Leute, die zusammen im Halford in Friedrichshain gefeiert haben. Davon hätte ich niemanden ohne Metality gekannt. Auch für jedes größere Festival gibt es eine Metality Gruppe, über die man sich zusammenschließen kann. Das reicht von Fahrgemeinschaften, über Treffpunkte auf dem Festival bis hin zu eigenen Metality Camps. In Wacken hatten wir zum Beispiel dieses Jahr über 200 Metality Heads im Metality Camp auf Campground K. Und nicht zu vergessen unsere Mitgliederversammlung. Dazu und zum anschließenden Konzert mit Crossplane und Defender sind fast 300 Leute von überall her gekommen, um zusammen Metality und Metal zu feiern.
- Metality ist immer stärker auf Festivals oder Konzerten mit Ständen präsent. Wie ist die allgemeine Akzeptanz in der Szene?
Wir hatten alleine dieses Jahr schon über 50 Stände auf Festivals und Konzerten und die Resonanz ist wirklich überwältigend. Wir rennen überall offene Türen ein und erfahren viel Zuspruch. Und ich sage mal ganz selbstbewusst: wenn Du Metalhead bist und ein Herz hast, kannst Du Metality nicht schlecht finden. Die Reaktionen sind dann eher im Spektrum zwischen „wirklich toll was ihr macht“ bis „sehr geil was ihr macht, wie kann ich dabei sein“.
- Wie läuft das auf Festivals ab? Habt ihr auch ein bisschen was davon?
Wenn wir auf einem Festival eine Standpräsenz haben, dann birgt das auch Verantwortung. Der Stand muss immer besetzt sein, auch wenn gerade der Headliner spielt. Meistens kriegen wir das aber auch ganz gut hin, dass wir uns so abwechseln, dass jeder seine wichtigsten Bands auch sehen kann. Das ist einer der schönen Effekte, unserer großen Masse. Auf jedem Festival sind einfach ohnehin schon so viele von uns, von denen auch viele bereit sind, einen Teil ihrer Festivalzeit am Stand zu verbringen. Und diese Familientreffen am Stand, wo immer wieder Members vorbeikommen, ist auch schon für sich so ein mega Erlebnis, dass es eigentlich schon die Anreise wert ist.
- Gibt es Metality nur im deutschsprachigen Raum?
Aktuell sind tatsächlich die allermeisten Mitglieder aus Deutschland, mit Schweiz und Österreich als die beiden Länder mit den nächstmeisten Mitgliedern. Wir haben aber insgesamt Mitglieder in 15 Ländern und gehen gerade die Internationalisierung gezielt an. Dabei hilft es, dass mehrere Promoter des Wacken Metal Battle von der Metality Idee begeistert sind, und die lokale Chaptergründung übernehmen wollen. Bessere Multiplikatoren können wir uns nicht vorstellen.
- Welche Bedeutung hat es, dass Metality nun ein eingetragener Verein ist?
Der Verein bietet eine verbindliche rechtliche Struktur, das ist was anderes als eine Facebook oder Whatsapp Gruppe. Außerdem ist der gemeinnützige Verein die Voraussetzung dafür, dass Zahlungen an Metality steuerlich absetzbar sind.
- Woher kommen die finanziellen Mittel für eure Aktivitäten?
Wir finanzieren uns über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Der reguläre Mitgliedsbeitrag beträgt 6,66 Euro im Quartal, was für den Einzelnen sehr wenig ist und eigentlich niemanden vom Beitritt abhalten sollte. Man kann auch freiwillig mehr bezahlen, ohne dass dies aber mit mehr Rechten verbunden wäre. Jeder Metalhead ist gleichwertig, egal wieviel Geld er hat. Durch die große Zahl von Mitgliedern kommen inzwischen trotz der niedrigen Beiträge ca. 100.000 Euro pro Jahr über Mitgliedsbeiträge zusammen. Dazu kommen noch die Spenden, die sich im letzten Jahr auf über 66.000 Euro summiert haben. Wir können also inzwischen richtig was bewegen im sozialen Bereich, da das Geld bis auf ein paar Verwaltungskosten (Server, Software, Porto, etc.) komplett in die sozialen Projekte geht. Niemand von uns bekommt Geld von Metality und auch die Reisen zu Treffen, Festivals etc. bei denen wir für Metality aktiv sind, finanzieren wir alle aus eigener Tasche.
- Wie schafft ihr die ganze Orga bei einer so stark wachsenden Community?
Das fragen wir uns auch manchmal 🙂
Letztlich organisieren wir uns arbeitsteilig. Die Chapters organisieren sich selbständig und machen zum Beispiel Stände auf lokalen Festivals. Außerdem haben wir verschiedene sogenannte „Gangs“, die sich um einzelne Themenbereiche kümmern, wie die Social Media Gang, die IT Gang, die Home Schooling Gang, die Black Dog Gang, die Member Gang, die Event Gang usw. Das Ganze läuft dann in der „Backline“ zusammen, wo sich einmal die Woche der Inner Circle trifft, um die Weichen zu stellen. Und Themen, die den Verein als solchen betreffen werden im Vorstand besprochen. Und letztlich ist es natürlich wie überall so, dass viel zu viel Arbeit an immer wieder denselben hängen bleibt und man noch viel mehr machen könnte, wenn man die Kapazität hätte. Wer also gerne mithelfen will, sei herzlich willkommen!
- Wie kann man Metality Mitglied werden?
Auf www.metality.org gibt es einen Join Button. Darüber kommt man in unsere Mitglieder-Software, wo man sich anmelden kann. Anschließend kann man dann den Chapters in der eigenen Umgebung beitreten und ist Teil der Extreme.Nice People.
Was fällt dir spontan zu den folgenden Schlagworten ein?
- Rituale
- „Prost“ ist auch ein Ritual, oder?
- Ernährung
- One more beer and heavy metal, and I’m just fine
- Nachhaltigkeit
- Wir haben nur einen Planeten
- Werte
- Wer im Moshpit des Lebens hinfällt, dem helfen wir auf
- Ethik
- Großes Wort
- Wacken
- Holy Ground. Ich war seit 1999 fast jedes Jahr dort
- Schwarz
- Die Metal-Farbe
- Toleranz
- Jeder Jeck is anders und das ist auch gut so.
- Alter
- Jede Lebensphase hat ihre Bedeutung und ihren Wert. Ich will keine einer anderen vorziehen, solange man gesund ist
- Finanzen
- Geld kann man gegen Waren und Dienstleistungen eintauschen. Das hilft ungemein.
- Umweltschutz
- Ist schon so lange so ein wichtiges Thema und wird leider immer noch nicht konsequent genug verfolgt
- Gemeinschaft /Zusammenhalt
- Family but louder!
- Gesellschaftliche Verantwortung
- Metality!
- Familie
- Ein ganz wichtiger Rückhalt und die Basis für so Vieles. Sowohl die Blutsfamilie als auch die Metal Familie.
Und noch ein paar persönliche Fragen:
- Welches ist dein Lieblingstier?
- Dry aged Wagyu.
- Dein Lieblingsfilm?
- Filme interessieren mich nicht.
- Dein Lieblingsbuch?
- Vielleicht kein „Lieblingsbuch“ aber die Autobiographie von Rob Halford hat mich beeindruckt.
- Deine Lieblings-CD oder wie ich es gerne nenne, Insel CD?
- Slayer, Reign in Blood
- Dein Lieblingsessen?
- Hirschfilet medium an getrüffeltem Kartoffelpüree
- Dein Lieblingsgetränk?
- Bier
- Dein Hobby, außer Musik?
- Kochen und grillen
- Dein liebstes Reiseziel?
- Ich war in über 70 Ländern dieser Erde und es gibt soooo viele großartige Orte. Am liebsten immer wieder was Neues.
- Gibt es etwas, das du gar nicht kannst oder beherrschst?
- Hochseilakrobatik
- Deine größte Sorge oder Angst?
- Der Einfluss von Populisten auf die Gesellschaft und Politik
- Was liebst du am meisten?
- Metal \m/
- Was verabscheust du am meisten?
- Nazis sind noch schlimmer als HipHop 🙂
- Dein größter Wunsch oder Traum für dich selbst?
- Gesund und mit Freude das Leben im Kreise der Liebsten genießen.
- Was ist dein größter Wunsch für die Welt?
- Ein bisschen abgedroschen aber: World Peace
- Was würdest du gerne der Welt mitteilen?
- Stay calm and listen to Metal!
- Wie bist du zum Metal gekommen?
- Als ich in der 5. oder 6. Klasse war, kamen die Use Your Illusion I + II von Guns n‘ Roses und das Black Album von Metallica raus und waren das große Ding. Von da an gab es für mich kein Halten mehr und ich bin immer tiefer eingetaucht…
Das Interview führten Dr. Lydia Polwin-Plass und Dr. Michael Gläser
Lydia Dr. Polwin-Plass
Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de