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Interview Dr. Helge Kleifeld / Wacken Ambassadors Interview Dr. Helge Kleifeld / Wacken Ambassadors
Interview Helge Kleifeld ist Stadtarchivar von Mönchengladbach und hat im Auftrag des Wacken Open Air zusammen mit seinem Freund Michael Schüchen eine Motorradtour als... Interview Dr. Helge Kleifeld / Wacken Ambassadors

Interview Helge Kleifeld ist Stadtarchivar von Mönchengladbach und hat im Auftrag des Wacken Open Air zusammen mit seinem Freund Michael Schüchen eine Motorradtour als Wacken Botschafter gemacht. Im Interview für unser Buch „Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann“ erzählte er uns Details von der „Metal is Peace“-Tour.  

Hallo Helge. Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst.

Könntest du dich kurz persönlich vorstellen und erzählen, was du mit dem W:O:A zu tun hast?

Helge: Mein Name ist Helge Kleifeld. Ich habe mit meinem Freund Michael Schüchen zusammen eine Motorrad-Tour um das Schwarze Meer gemacht. Wir kamen auf die Idee, etwas mehr draus zu machen, weil wir sowieso regelmäßig dort die Leute in den Rockbars besuchen. Wir haben dann Holger (Hübner) gefragt, ob wir nicht eine „Metal is Peace – Wacken Ambassador of Metal“-Tour draus machen könnten. Wir wollten sozusagen das Wacken Open Air in die Länder bringen, wo die Leute es sich nicht leisten können, nach Wacken zu fahren. Wir wollten mit den Menschen ein bisschen Spaß haben und daraus ein Tour-Projekt machen. Holger fand, das sei eine tolle Idee und ließ uns ein paar Aufkleber und Flyer für die Bars produzieren. Wir hatten dann 300 Aufkleber und 10 kleine Tischständer, die wir in den Bars lassen konnten, um sie zur „Wacken Embassy of Metal“ zu ernennen. An die Leute in den Bars haben wir die Aufkleber verteilt und sie damit zu „Wacken Ambassadors of Metal“ ernannt. Wir haben auch noch Fähnchen für‘s Motorrad und jeder zwei T-Shirts und zwei Kapuzen-Pullover bekommen. Das war also unsere Ausrüstung als Wacken-Ambassadors.

Und wie lief eure Tour? Wo seid ihr langgefahren? Gab es irgendwo Probleme?

Helge: Wir sind diese Tour dann wie geplant gefahren. Mal haben wir mehr Anklang gefunden, mal gab es Länder, vorwiegend muslimische Länder, wo es weniger Metalfans gab. In unserem Fall waren das hauptsächlich die Türkei und Aserbaidschan, so wir waren. Wir sind also bis Baku gefahren und haben die Tour an Schwarzen Meer etwas ausgedehnt.

Wir sind also gereist und abends mit den Leuten in den Metal- und Rockbars abgehangen und haben Sachen verteilt. Von der Reise haben wir dann ein illustriertes Heft herausgegeben. Wir haben es erst im Nachhinein „Metal Is Peace“-Tour genannt. Das hat ein bisschen was damit zu tun, dass ich von Haus aus studierter Historiker, Geograph und Politologe bin. In dem Heft ist der Fokus auch auf einen besonderen Aspekt gelegt, den wir auch auf der Tour zu spüren bekommen haben:  Grenzüberquerungen von Ländern, die sich nicht leiden können, im Krieg miteinander sind oder zumindest in einem stillen Krieg, bzw. einfach keine Beziehung zueinander haben. Das begann schon damit, dass wir von der Ukraine nicht auf die Krim fahren konnten. Zunächst fuhren wir in die Ukraine und dann so nah wie möglich an die Krim heran. Dann haben wir das Schwarze Meer einmal komplett umrundet, um schließlich von Russland aus auf die Krim zu gelangen. Wir trafen aber auf noch viel mehr Probleme als nur den Krim-Konflikt bzw. den Ukraine-Russland-Konflikt. In Ländern, wie Rumänien und Bulgarien gibt es ziemlich viel Korruption. Über die Grenze Ukraine-Rumänien, kam man gar nicht. Man kann an dieser Stelle am Schwarzen Meer nicht von der Ukraine nach Rumänien einreisen, sondern man muss über Moldawien fahren. Genau 200 Meter durch Moldawien durch. Warum auch immer die das so gemacht haben. Es gibt zwar einen Grenzübergang am Donaudelta, aber den öffnen sie nicht für internationale Touristen, sondern nur für den kleinen Grenzverkehr. Ich glaube, das hat was mit Schmuggel zu tun. Wir sind dann über die Türkei, nach Georgien und von dort nach Aserbaidschan, das ja kurze Zeit später in einen offenen Krieg mit Armenien eingetreten ist.

Wir wollten dann durch Abchasien, einem abtrünnigen Gebiet in Georgien, weiter nach Russland fahren. Dafür hatten wir auch eine Ausnahmegenehmigung erwirkt, kamen aber trotzdem nicht weiter. Deshalb mussten wir einmal um den Kaukasus herumfahren und kamen in Sotschi dann wieder auf unsere geplante Route. Von Russland aus sind wir dann auf die Krim gefahren, konnten von da aber nicht wieder in die Ukraine. Wir sind stattdessen über Wolgograd weitergefahren.

Den Spaß habe ich mir als Historiker gegönnt. Wenn ich schon mal mit dem Motorrad in der Nähe vom ehemaligen Stalingrad bin, dann muss ich da auch vorbei. Das waren nochmal 500 km Umweg. Wir mussten letztendlich um die Ukraine herumfahren. Durch die abtrünnigen Gebiete in der Ost-Ukraine wollten wir lieber nicht mit dem Motorrad fahren. Wir sind also über Weißrussland (Belarus) gefahren, wo es auch wieder Grenzschwierigkeiten gab.

An der ersten Grenze Belarus-Russland wurden wir zurückgewiesen und mussten dann über das Länderdreieck Ukraine-Belarus-Russland einreisen. Ich weiß bis heute nicht, warum die Russen das machen. Auch in Belarus konnte oder wollte mir darüber niemand Auskunft geben. Schließlich sind wir über Polen wieder in Deutschland eingereist.

Nach Belarus könnten wir jetzt gar nicht mehr fahren. Und Aserbaidschan hatte den Krieg mit Armenien. Ich bin wenige Monate später mit dem Flugzeug für ein Wochenende nach Armenien geflogen. Ich habe da friedliche und nette Metalfans getroffen und parallel gab es die Problematik, die nachher im Armenien-Aserbaidschan-Krieg gemündet ist. Auch nach Armenien könnte ich jetzt nicht mehr ohne Weiteres, weil ich einen Stempel von Aserbaidschan in meinem Pass habe. Und umgekehrt dasselbe. Ich könnte mir höchstens einen zweiten Reisepass besorgen, was in Deutschland ja möglich ist. Ich habe auch noch einen Stempel von Abchasien drin, weshalb ich wahrscheinlich auch nicht mehr nach Georgien könnte.

Wie stehen die Metalheads zu der politischen Situation?

Helge: Die politische Situation steht im Widerspruch zu den friedlichen und begeisterten Metalheads, die sich übrigens alle untereinander kennen. Die kennen ihre Szenen sehr gut. Die Armenier sind übrigens sehr nationalstolz und sehr religiös. Sie sind die einzigen Christen in der Region dort. Darauf legen sie sehr viel Wert. Als ich mich mit einem Armenier unterhielt und ihm das Heft von unserer „Metal is Peace“-Tour zeigte, erzählte er uns, dass er mit einer Band, die wir in Bulgarien gesehen hatten schon einmal Musik gemacht hatte. Die kennen sich alle, können sich aber nicht untereinander besuchen. Dieses Thema haben wir in unserem Heft auch kurz thematisiert.

Kannst du uns etwas über euer „Metal is Peace“-Tour-Heft erzählen?

Helge: Das Heft sollte eigentlich für junge Leute und Wacken-Besucher sein. Da sind QR-Codes drin für Videos, die wir gemacht haben. Es gibt Bilder, aber keine Seitenzahlen. Ich habe zwar ein Medium gewählt, das für junge Leute ungewöhnlich ist, aber ich habe versucht, es so aufzupeppen, dass es auch für junge Leute interessant wird. Leider haben wir es bis Wacken 2019 mit der Publikation nicht geschafft und 2020 ist das Festival ja leider ausgefallen. Auch andere Vertriebswege sind im Sande verlaufen. So konnten wir gar nicht ausprobieren, ob junge Leute dieses Heft gut finden oder nicht. Es gibt dieses Heft aber und es hat eine ISBN-Nummer (ISBN 978-3-939 413-29-5). Wir haben es auch über Motorrad- und Metalzeitungen publik gemacht. Der Verlag ist ein recht kleiner Wissenschaftsverlag, der leider nicht die riesigen Vertriebswege hat.

Gab es bei der Planung der Tour eine Besonderheit?

Helge: Diese Tour ist für uns eine gesellschaftliche bzw. politische Aktion gewesen. Ich hatte sogar vorher spaßeshalber alle Staatschefs angeschrieben und wollte mit ihnen Termine ausmachen um sie persönlich zu treffen. Ich habe sie sogar meist in deren Sprache angeschrieben, dank Übersetzungsservice. In der Ukraine habe ich extra Herrn Klitschko angeschrieben, der ja Oberbürgermeister von Kiew ist. Ich habe aber keine einzige Antwort bekommen. Auch Herr Putin hat sich nicht herabgelassen, mir zu antworten. Vielleicht wäre es über die lokale Ebene besser gewesen. Von unten nach oben wäre vielleicht besser gewesen, als von oben nach unten.

Was ist für dich das Besondere am Metal?

Helge: Metal ist ja schon ein bisschen konservativ. Es gibt viele bewahrende Elemente. Nicht umsonst gibt es das Wacken Open Air seit 30 Jahren. Das ist, weil die Leute so konservativ sind, da immer wieder hinzufahren. Es gibt ja auch positive bewahrende Momente. Ich bin jetzt knapp 50 Jahre alt und höre Metal seit ich 13 Jahre bin. Ich habe in der Szene noch nie eine Schlägerei erlebt. Auch früher nicht, wo es auf Konzerten durchaus noch anders abging. Ein paar konservative Dinge sind schon in der ganzen Lebensauffassung mit dabei. Ob man das will oder nicht. Ich finde das in diesem Fall sogar sehr positiv.

Gab es auf deiner Reise etwas Besonders, das du mit Metalheads erlebt hast?

Helge: Am interessantesten war sicherlich der Besuch auf der Krim. Da gab es eine richtige klassische Rockbar, in der wirklich nur Heavy Metal-Fans drin waren. Die kannten sich auch alle untereinander. Das war keine kommerzielle Rockkiste, sondern eher was für die Einheimischen. Der Wirt, Alexander, war ziemlich nett und lustig. Er hat auch schon Bands aus der ganzen Welt in seiner Rockbar spielen lassen. Der war natürlich nach der Krim-Krise total abgeschnitten. Nicht nur, dass da kaum noch jemand reinkam, man kann da auch nicht mehr mit normalem Plastikgeld bezahlen. Ich konnte also auch meine Kreditkarte nicht mehr benutzen. Es gehen nur russische Karten dort, weil die internationale Gemeinschaft dieses Gebiet natürlich ächtet. Das hatten wir leider übersehen. So mussten wir unsere ganzen Bargeldreserven in US-Dollar oder Euro am ersten Tag eintauschen. Ansonsten hätten wir aufs russische Festland zurückfahren müssen – etwa 300 km – um am Geldautomaten Bargeld zu holen. Wir kamen aber mit unseren Bargeldreserven, die wir getauscht hatten, gerade mal so hin. Wir mussten ja auch tanken. Auch die Hotelrechnung kann man nicht mit Plastikgeld bezahlen. Alexander und seine Leute haben selbst Probleme rauszukommen. Nicht nur, dass man generell nur noch über das russische Festland oder russische Flughäfen reinkommt, die Leute müssen auch selber erst aufs russische Festland, um wieder rauszukommen. Wie soll man denn da überhaupt nach Wacken kommen?“

Seine Idee war, dass es doch ein Krim-Wacken-Festival geben könnte. Wenn man so etwas hört, fragt man sich, ob man nicht mal ein Wacken-Mobil rumschicken könnte, um Mini-Festivals vor Ort zu organisieren. Die Leute, die wir auf der Tour getroffen haben, kannten alle (außer im östlichen Russland) das Wacken Open Air. In Rumänien und Bulgarien, die richtige Metal-Länder sind und wo es eine richtige Szene gibt, sagten viele, dass sie unbedingt mal nach Wacken wollen. Die meisten haben aber kein Geld und die Karten sind ja auch immer direkt weg. Die müssen ja nicht nur das Ticket bezahlen, sondern auch die Preise in Deutschland und den Weg dahin. Das ist für die Metalheads dort fast unbezahlbar. Das ist, als wenn wir nach Norwegen fahren. Da zahlt man auch 15 Euro für eine Halbe Bier.

Die besonders heiklen Punkte, wie die Grenzquerungen, sind alle im Heft beschrieben.

Gibt es vor Ort Metal-Festivals?

Helge: In Bulgarien haben wir unter anderem Kavarna, in der Nähe von Varna, besucht. Dort gab es immer das Kavarna Rock Festival, das der Bürgermeister losgetreten hatte. Dort wurden die riesigen Häuserwände der ganzen Sowjet-Bauten mit den Portraits der Metal-Stars vollgemalt. Als eine neue Bürgermeisterin gewählt wurde, die eher eine pro-russische Linie gefahren ist, wurde das Festival leider eingestampft. Jetzt gibt es nur mehr russische Volkslieder. Demnächst findet aber wieder eine Wahl statt und wir hoffen, dass sich das wieder ändert. Jetzt gibt es in Bulgarien das Hills of Rock-Festival.

Wie kamt ihr als Deutsche in den Ländern zurecht?

Helge: Was mich als Historiker so verwundert, ist, dass die Leute in den ganzen Ostblockländern die Deutschen alle richtig gut finden. Wenn man sagt, dass man deutsch ist, bekommt man direkt positives Feedback. Nach dem Motto: da wollen wir auch noch hin, wo ihr seid. Ich habe mal einen Kellner dort gefragt, warum sie so positiv auf Deutsche reagieren. Seine Antwort war: „You always try to get better.“ Die denken wohl, dass die Deutschen immer so strebsam und sorgfältig sind und versuchen, alles zu verbessern. So wollen sie auch sein. Abgesehen natürlich von dem wirtschaftlichen Erfolg, den unser Land hat und dem Bulgaren und Rumänen gerne nacheifern. Auch auf anderen Touren auf dem Balkan oder nach Zentralasien, Tadschikistan und die Mongolei habe ich nur positives Feedback erhalten. Manchmal kommt das auch daher, dass die DDR-Leute da ein gutes Bild hinterlassen haben. In Usbekistan wurde mir das ganz explizit so gesagt. Die waren immer kompetent und zuverlässig. Diese typisch deutschen Stereotypen galten auch für die DDR-Leute. Für Urlauber wie mich ist es natürlich sehr angenehm, auch wenn ich es bis heute nicht verstehe.

Wie planst du solche Touren? Kennst du die Bars vorher schon oder lässt du dich überraschen?

Helge: Die Motorrad-Tour an sich plane ich sehr akribisch. Ich buche jeden Tag vor. Wir dürfen mit unseren Motorrädern nicht stecken bleiben, weil wir schon alles gebucht haben. Wobei es über HRS kein Problem ist, das wieder zu canceln. Ich hasse Zelten wie die Pest. Wacken ist der einzige Ort, wo zelte, weil es ja nicht anders geht. Auf der Tour habe ich aber immer mein Einzelzimmer mit Toilette und Dusche. Die Aktivitäten für den Abend planten wir überhaupt nicht. Manchmal schauten wir tagsüber mal in den Metal-Travelguide oder haben nach lokalen „Rockbars“ oder „Metalbars“ gegooglet-. Als wir mal in Odessa waren, haben wir das für Constanta (Rumänien) gemacht und waren erfolgreich. Das Ding hieß „Rockhalle“ und war ziemlich nah an unserem Hotel. Das war ein ziemlich cooler Schuppen. Als die von unserer Wacken-Aktion hörten, waren sie voll begeistert. Dort war es richtig spaßig. So haben wir natürlich ein Wacken-Fähnchen dagelassen. Und so lief das eigentlich meist. In Burgas (Bulgarien) kannte ich die Bar schon, weil ich da schon zweimal bei Konzerten war.. In den osteuropäischen Bars hast du eigentlich immer Live-Musik und meistens mehr als eine Band. Oft auch in der heimischen Sprache, was ich echt gut finde, weil die Leute dann richtig abgehen. In Deutschland gibt es das leider fast gar nicht mehr. Da unten ist diese Szene aber noch sehr stark vertreten. Man merkt auch an der Stimmung der Leute, dass die da richtig Bock drauf haben. Das reißt einen auch mit, auch wenn man kein Wort versteht. Wenn die Stimmung geil ist, findest du das selber auch geil. Und trinkst auch gerne zwei Bier mehr. In Kiew hatten wir auch eine coole Bar. In Odessa war ausgerechnet an dem Tag, an dem wir da waren die Bar, die ich auch schon kannte, geschlossen. Wenn man Pech hat landet man halt in der Hotelbar.

Wo hattet ihr denn Pech gehabt?

Helge: In der Türkei hatten wir leider Pech. Istanbul haben wir extra umgangen, weil das für Motorradfahrer echt lebensgefährlich ist. Die Orte, die wir am Schwarzen Meer gebucht hatten, waren leider Touristen-Orte, wo man metalmäßig nichts erwarten konnte. In Trapzon hätte man vielleicht noch was erwarten können, aber da war genau Ramadan. Da hatte die geplante Rockbar zu. In der lokalen Bar, in der wir waren, war leider nicht viel los und wir sind nach zwei Bier abgehauen. In den muslimischen Ländern ist es ja sowieso schwieriger mit dem Alkohol. Ich habe aber auch gehört, dass die Türkei eine ganz besondere Death Metal-Szene haben soll. Das habe ich aber nicht weiterverfolgt, weil das nicht so mein Ding ist. In Aserbaidschan ist es ähnlich schwierig. In Baku haben wir auch keine Rockbar gefunden. Als wir uns in Tiflis zufälligerweise das lokale Finale vom W:O:A Metal Battle angesehen haben, war da aber auch eine Band aus Aserbaidschan dabei. Alkohol gab es in Aserbaidschan aber eine ganze Menge. Die sind, genau wie Georgien, ein ziemlich großes Weinland, was bei uns gar nicht so bekannt ist. Die haben wohl unglaublich viele Rebsorten. In Georgien sind es angeblich 6.000 und in Aserbaidschan 2.000, wie immer die ihre Rebsorten auch definieren. Was es in den Ländern weniger gibt, ist das typische In-die-Kneipe-gehen-und-da-zusammen-ein-Bier-trinken. Die treffen sich halt am Nachmittag beim Tee-Trinken. Bierkneipen, wo dann auch eine Metalbar ganz gut reinpassen würde, gibt es da selten.

Wie kam es, dass die W:O:A-Veranstalter eure Tour unterstützt haben?

Helge: Irgendwann hat mein Chef mir zu meinem Geburtstag die 20 Jahre Wacken-DVD und ein Buch über Wacken geschenkt. Ich habe damals schon gesehen, dass die Bands und die Fans darin schon mehr sehen als ein Festival. Einige Fans zählen das Jahr mittlerweile nicht mehr von Neujahr zu Neujahr, sondern von Wacken zu Wacken. Da kam mir der Gedanke, dass Wacken eine neue Art von Jugendkultur ist. Etwas ganz Neues. Auch gar nicht bewusst so gewollt, sondern es ergab sich einfach so. Irgendwann habe ich ziemlich angetrunken Holger Hübner und Thomas Jensen einen Brief geschrieben, dass man ein Wacken-Archiv gründen müsste. Ich habe auch geschrieben, dass ich Archivar bin und gerne meine Expertise da einbringen könnte. Ich wollte einfach schauen, dass das nicht verloren geht, was die da alles machen. Daraufhin hat mich Holger Hübner dann mal nach Wacken eingeladen. So kam der Kontakt zustande, auch wenn es das Archiv leider immer noch nicht gibt. Die haben ja auch genug anderes zu tun. Und als ich wegen dem Archiv in Wacken war, habe ich gleich die Chance genutzt und habe denen unsere Tour vorgestellt. Dann habe ich gefragt, ob sie nicht Bock haben, das zu unterstützen.

Ganz am Anfang hatte die Idee noch einen anderen Hintergrund. Es gab einen Tenor (Joseph Schmidt), der Halbjude war und der sehr unglücklich in der Schweiz in einem Lager umgekommen ist. Der hat einen Song gemacht: „Ein Lied geht um die Welt“. Das ist ein schöner Schlager aus den frühen 40ern. Da kam ich das erste Mal auf die Idee der Tour ums Schwarze Meer wegen der politischen Probleme. Und wir dachten, dass es geschickt sei als Metalbotschafter unterwegs zu sein, weil wir ja sowieso abends in die Metalbars gegangen sind. Die ganze Idee habe ich dann Holger drei Minuten lang vorgetragen und das Ergebnis waren die T-Shirts, die Kapuzenpullover, die Fähnchen, die Aufkleber und die beiden kleinen Fähnchen an unseren Motorrädern. Die kleinen Fähnchen sind natürlich heute noch dran. Nur einer der Kapuzenpullis ist mir abhanden gekommen. Der liegt jetzt irgendwo in einem Taxi in Berlin rum.

Gibt es noch andere Wacken-Botschafter?

Helge: Das war jetzt mal so eine originäre Idee. Ich werde auch immer gefragt, ob wir das nochmal machen werden. Das hängt auch ein bisschen davon ab, wo man hinfährt. Wenn ich das nächste Mal eine Tour durch Usbekistan, dann über den Pamir Highway nach Kirgistan und Tadschikistan machen möchte, dann weiß ich, dass das mit dem Wacken-Botschafter scheitern wird, weil ich da diese Bars nicht finde und es auch das Fanpotenzial nicht gibt. Wenn ich nach Russland fahre, weiß ich, dass es da superviele Metalfans gibt und je nach dem, wie nah ich an Europa bin, kennen die auch das Wacken Open Air. Da wäre so eine Botschafter-Tour überhaupt kein Problem. In gewisser Weise war unsere Tour eine besondere Konstellation aus den politischen Problemen rund ums Schwarze Meer und dieser Metal-Community dort. In unserem Heft haben wir übrigens eine Karte, auf der man sehen kann, wo wir überall Fahnen und Aufkleber verteilt haben. So gibt es jetzt also rund ums Schwarze Meer eine Route aus Embassys und Ambassadors of Metal. Da kleben jetzt überall diese Aufkleber. Holger hat das Logo übrigens speziell entwerfen lassen.

Habt ihr auf der Tour auch jemanden getroffen, der schon mal in Wacken war?

Helge: Nicht, dass ich wüsste. Die haben immer nur gesagt, dass sie gerne mal da gewesen wären. Aber mit Ticket, Flug und auch noch Leben in Deutschland ist das echt teuer.

Wie oft warst du selber schon in Wacken?

Helge: Fünfmal. Dreimal auf eigene Faust und zweimal auf Einladung von Holger. Mittlerweile ist es ja gar nicht mehr so einfach an eine Karte zu kommen.

Wie war es denn für dich, als du das erste Mal in Wacken warst?

Helge:  Ich war vorher ein paar Mal bei Rock am Ring und ich muss sagen, dass mir Wacken dann sehr gut gefallen hat. Die Organisation ist sehr, sehr gut. Die Stimmung ist total gut und es gibt überhaupt keinen Ärger. Bei Rock am Ring, wo die Musikstile ja gemischt sind, gibt es da eher auch mal Anraunzereien und schlechte Stimmung. Auf dem W:O:A habe ich das nie erlebt.

Ich war eigentlich immer da, wenn Iron Maiden Headliner war. Und beim 25-jährigen Jubiläum war ich dort. Da gab es ja keine richtigen Headliner. Für mich waren aber Motörhead und Saxon da. Beim 30ten jetzt gab es ja auch wieder keine echten Headliner. Dafür waren jede Menge andere gute Bands da. Im Zelt haben mich zum Beispiel The Sweet total überrascht. Hätte nicht gedacht, dass die in Wacken spielen. Da war es richtig voll und auf dem Campground hast du hinterher überall The Sweet gehört. Mit Uriah Heep war es ähnlich. Der Sänger von denen, John Lawton hat auch mal eine Zeit lang in Karvana gewohnt. Vielleicht hat das ja den Bürgermeister bewegt, das Festival zu machen. In der Nähe von Karvana gibt es mit dem „July Morning Festival“ so eine Art Hippie-Festival. Da schauen sie sich am 1. Juli immer zusammen den Sonnenaufgang über dem Schwarzen Meer an. Wir waren da auch einmal im Zusammenhang mit dem Karvana-Festival. Da spielte John Lawton immer das Lied „July Morning“, wenn am nächsten Morgen die Sonne aufging. Der ist auch auf diesen Häuserwänden in Karvana abgebildet. Als wir da waren, war er aber schon wieder weggezogen. Durch die Bürgermeisterwahl in Karvana ist aber auch dieses Festival ins Wanken geraten. Eine coole Anekdote dazu ist, dass meinem Kumpel Michael Schüchen, der immer mit mir fährt, als er mal ziemlich angetrunken war, gezeigt wurde, wer die neue Bürgermeisterin von Karvana sei. Dann ist er ziemlich voll zu ihr hin gegangen und hat sie über eine halbe Stunde lang zugetextet. Er weiß zwar nicht mehr, was er gesagt hat, aber die Bürgermeisterin war total höflich und hat ohne eine Miene zu verziehen zugehört. Er hat natürlich gesagt, dass das Karvana-Festival bleiben muss.

Kann die Gesellschaft deiner Meinung nach etwas von den Metalheads lernen?

Helge: Eigentlich finde ich unsere Gesellschaft gar nicht so gruselig. Ich finde auch Deutschland gar nicht so gruselig. Ich bin in meinem Leben ja schon viel gereist. Und in Neuseeland habe ich mir gedacht, dass ich gerne dableiben würde. Dann habe ich mich aber gefragt, warum es mir dort so gut gefällt. Das war, weil es da so ähnlich ist wie in Deutschland. Dann kann ich also auch direkt in Deutschland bleiben (lacht).

Wenn ich die Metalheads in Wacken betrachte, hat mich immer diese Friedlichkeit und Gelassenheit beeindruckt. Auch, dass im Umgang mit den Ordnungshütern, die da vor Ort sein müssen, nichts passiert. Natürlich wird in Sachen Drogen da jede Menge Auge zugedrückt. Da könnte man als Polizei sicherlich problemlos irgendwelche Vorfälle provozieren. Aber Gewalttaten, Schlägereien, Diebstahl und so passieren da nicht. Das ist schon etwas Besonderes. Als ich das letzte Mal im Dorf war, war es ziemlich anders als vorher. Dort ist mittlerweile quasi ein Neben-Festival entstanden. Früher ging man da ja nur zum Einkaufen und schaute sich ein bisschen die anderen Metalheads an. Jetzt ist das eine richtige Party-Meile geworden. Jetzt könnte man auch ohne Festivalkarte nach Wacken fahren und im Dorf ein paar Tage feiern. Da hätte man auch seinen Spaß.

Fährst du denn mit dem Motorrad nach Wacken?

Helge: Das letzte Mal war ich mit dem Motorrad da. Da hatte ich gerade die „Metal is Peace“-Tour gemacht und da musste ich natürlich mit dem Motorrad dahin. Die war ja gerade zu Ende. Natürlich hatte ich noch das Fähnchen hinten drauf. Wir hatten auch noch Aufnäher bekommen, die wir natürlich auf unsere Kutten genäht haben. So ein Aufnäher ist auch auf dem Cover von unserem Heft.

Wie habt ihr euer Heft verlegt?

Helge: Das haben wir über unseren Wissenschaftsverlag gemacht. Die Leute kenne ich schon lange. Die waren bereit, das Risiko einzugehen. Der Junior-Chef ist auch Metalfan. Die haben sich richtig viel Mühe gegeben. Ich selber habe aber auch sehr viel Zeit in dieses Heft gesteckt. Wir haben das Heft aber erst einmal in einer kleinen Auflage gedruckt, was den Preis natürlich etwas erhöht. Bei einer größeren Auflage geht der Preis natürlich runter. Wir haben auch in Metal- und Motorrad-Zeitschriften Werbung dafür gemacht und es, wie gesagt, extra so aufgebaut, dass es auch für jüngere Leser interessant ist, auch wenn natürlich so ein Heft prinzipiell eher etwas für ältere Leser ist. Wenn das Wacken Open Air mal wieder stattfindet, wollen wir schauen, ob und wie wir es vor Ort verkaufen können. Für uns hat das Heft aber hauptsächlich einen ideellen Wert. Viel Geld verdienen wir damit nicht.

Interview: Michael Gläser und Lydia Polwin-Plass

Headerbild: Helge Kleifeld (mit Kurt Mitzkatis vom German Rock e. V.)

WACKEN – das perfekte Paralleluniversum: Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann„, unser Buch über die Liebenswürdigkeit der Metalheads und den sozialen Aspekt der Metalszene, könnt ihr überall im Buchhandel oder signiert über info@metalogy.de bestellen.

Vielen lieben Dank für euren Support.

Wir würden uns sehr freuen.

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de