Die Essigfabrik zwischen Köln Deutz und Poll ist mittlerweile eine etablierte Austragungsstätte für gehobene Acts. So konnte man in den letzten Jahren hier unter anderen den „German Tank“ mit U.D.O bzw. Dirkschneider oder zuletzt Lordi sehen. Dass sich nun aber auch Saxon hier einfanden, war eine große Überraschung.
Die 800 Zuschauer fassende ehemalige Fabrikhalle hätte ich eigentlich für den britischen „Eagle“ als zu klein eingeschätzt. Aber lieber eine proppenvolle kleine als eine halb leere große Halle, dachte man sich sicher. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Essigfabrik so voll wie sonst nie war. Hinten waren grenzwertige Platzverhältnisse – im vorderen Bereich war es etwas besser, aber sollte der Adler noch einmal in Köln landen, wäre wohl eine größere Halle angebracht.
Releasetechnisch nahmen Biff & Co. 2021 mit „Inspirations“ ein Coveralbum mit allerlei bekannten Rocklassikern auf. Mit Sicherheit war die tourlose Coronazeit der Auslöser dazu. Danach kam 2022 mit „Carpe Diem“ ein reguläres Studioalbum heraus. Nun steht das nächste Coveralbum, simpel betitelt „More Inspirations“ in den Läden. Vorab sei gesagt, dass am gestrigen Abend kein Titel der beiden Coveralben gespielt wurde, was ich sehr begrüßte. Nichts gegen die Alben aber wenn man zu Saxon kommt, möchte man genau diese auch hören.
Just am Tag des Köln-Gigs gab die Band offiziell bekannt, dass Urmitglied Paul Quinn, nach Absolvierung der Europa -Termine, nicht mehr am Tourleben teilnehmen wird. Ähnlich wie Glenn Tipton bei Judas Priest, wird er aber weiterhin zur Band gehören und am Songwriting beteiligt sein. Vereinzelte Gigs beabsichtigt Quinn noch mitzuspielen, aber Touren ist, vermutlich altersbedingt, nicht mehr geplant. So werden noch die Europa-Dates gespielt aber alle nachfolgenden Termine verschoben um das Line-up wieder zu vervollständigen. Somit wäre dann, zumindest live, Biff Byford das letzte Originalmitglied.
Als „Special Guest“ standen Rage auf dem Programm und legten pünktlich um kurz nach 20 Uhr los. Die Power-Metal Helden um das „German Metal“-Urgestein Sänger/Basser Peavy Wagner sind seit der Gründung Mitte der 80er ein Garant für besten teutonischen Edelstahl. Wie oft hat der Bandleader sich und seine Band wieder neu erfunden und stets hohe Qualität abgeliefert? Eine Vielzahl großer Namen gingen bei Rage in und aus. Ich kann mich noch gut an das Line-up mit Rudy Graf (Ex-Warlock) 1986 erinnern. Mit dem mittlerweile, sage und schreibe, 25. Album im Gepäck polterten die aktuell vier Musiker (Rage waren die meiste Zeit seit Gründung ein Trio) los und nahmen sofort die Metal-Meute in ihren Bann. Peavy und Co. heizten den Mob gehörig mit Smashern wie „Resurrection Day“, „Higher Than the Sky“ und „End Of All Days“ sowie „Black in Mind“ gehörig auf. Zudem tut der Band die Besetzung mit den nun wieder zwei Gitarristen Stefan Weber und Jean Bormann sehr gut.
Aber nun hieß es nach einer ca. halbstündigen Umbaupause „Feuer frei“ für Headliner Saxon. Der Fünfer um Hüne Biff Byford ging nach kurzem Intro in die Vollen und schmetterte dem Kölner Publikum „Carpe Diem (Seize the Day)“ um die Ohren. Der Titeltrack des wie oben erwähnt, Anfang 2022 erschienen Werkes kündigt sogleich auch die Marschrichtung des Abends an: Saxon wollen keine Band wie Kiss oder Guns n‘ Roses sein, die nur von ihren früheren Hits lebt. Ein großer Teil des Programms besteht somit aus Titeln der Alben, welche nach den glorreichen 80ern herausgekommen sind. Jedoch spielen Saxon in Deutschland deutlich mehr alte Hits als in ihrer Heimat, wo sie vorher die Hallen unsicher machten. Wobei die zweite Hälfte der 80er auch eher eine Durststrecke für Saxon war. Ich persönlich liebe die Alben jedoch besonders. Wenn auch etwas der Fuß vom Gaspedal genommen wurde, beinhalten doch Alben die „Rock the Nation“ oder „Innocence is No Excuse“ hervorragende Melodic-Rock Perlen. Daher hat mich besonders gefreut, dass mit „Broken Heroes“ wenigstens ein Song dieser Phase zum Zuge kam.
Das Publikum in der Essigfabrik bestand zwar hauptsächlich aus sogenannten „alten Säcken“, zu denen ich mich auch zähle, aber auch ein paar Jüngere hatten den Weg in die Location am Rhein gefunden, um den alten Haudegen zu huldigen. Wobei sich viele neuere Acts, was Agilität und Bewegungsfreudigkeit angeht, eine Scheibe von den Briten abschneiden können.
Weiter gings mit dem speedigen Klassiker „Motorcycle Man“ und die Fans wussten diesen gebührend zu feiern. „Age of Steam“ ein Titel neueren Datums vom letzten offiziellen Studiooutput folgte, aber der Stimmung tun die neueren Songs keinen Abbruch und die Crowd feierte die Originalmitglieder Biff und Paul Quinn sowie die langjährigen Weggefährten Nigel Glockler, Nibbs Carter und Doug Scarratt frenetisch ab. Eine tolle Stimmung machte sich breit und der Bierverkauf war, trotz hoher Preise und nur Flaschenbier, kaum zu toppen. Der mittlerweile auch 72jähige Byford ist stimmgewaltig wie eh und je und strotzt nur so vor Energie. Paul Quinn, zwar was den Aktionsradius angeht etwas zurückhaltender, glänzte mit herausragendem Solospiel. Hier verlässt einer der ganz großen der Rockwelt die Bühne.
Als vierter Song erst wurde mit „Power and the Glory“ nun wieder ein Saxon-Evergreen aus der Schatulle geholt. Selbstredend, dass es dann kein Halten mehr gab beim eh schon dankbaren Publikum. Mit „Dambusters“ kam dann wieder ein Titel des aktuellen Outputs zu Live-Ehren, bevor mit „Dallas 1 PM“ und „Heavy Metal Thunder“ gleich zwei Hymnen folgten, die aus einem Live-Set der Band nicht wegzudenken sind.
„Metalhead“ auch ein mittlerweile etablierter Live-Stampfer vom ebenso lautenden 1999er Album lässt die Fäuste in die Luft recken, wobei für mich mit „Crusader“ das absolute Highlight des Abends zelebriert wurde. War es doch diese epische Hymne und das gleichnamige Album, die mich 1983/84 Saxon näherbrachten. Der Abend verging im Flug, was nicht an zu wenig Songs, sondern an der Kurzweiligkeit der Darbietung lag.
Als vorletzter offizieller Beitrag der Setlist dann die Biker -Hymne „Wheels Of Steel“, die die Pause vor dem Zugabenteil einläutete. Bei diesem wurden dann nochmal ganze vier Titel gespielt und dem Publikum der Rest gegeben. Das epische „The Pilgrimage” auch vom letzten offiziellen Studioalbum „Carpe Diem“ hat sowas von einem neuen „Crusader“. Mit “747 (Strangers in the Night)”, “Denim and Leather” und “Princess of the Night” räumten die Briten dann noch die letzten Zweifel aus, dass mit ihnen noch weiter zu rechnen ist.
Ein rundum gelungener Abend mit zwei alten aber immer noch hervorragenden Bands von denen man gerne in Zukunft noch weitere Schandtaten erwarten kann.
Setlist Saxon:
Carpe Diem (Seize the Day)
Motorcycle Man
Age of Steam
Power and the Glory
Dambusters
Dallas 1 PM
Heavy Metal Thunder
Metalhead
Living On The Limit
Broken Heroes
Crusader
The Eagle Has Landed
Black Is the Night
Strong Arm of the Law
Solid Ball of Rock
And the Bands Played On
Wheels of Steel
Encore:
The Pilgrimage
747 (Strangers in the Night)
Denim and Leather
Princess of the Night
Setlist Rage:
Memento Vitae (Overture)
Resurrection Day
Great Old Ones
My Way
Black in Mind
Straight to Hell
Virginity
End of All Days
Don’t Fear the Winter
Higher Than the Sky