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Interview mit TANKARD Gerre – Teil 1 Interview mit TANKARD Gerre – Teil 1
In einem Interview habe ich mich mit dem sympathischen Andreas "Gerre" Geremia, Sänger der Thrash Metal Legende Tankard unterhalten. Wir sprachen über das neue... Interview mit TANKARD Gerre – Teil 1

In einem Interview habe ich mich mit dem sympathischen Andreas „Gerre“ Geremia, Sänger der Thrash Metal Legende Tankard unterhalten. Wir sprachen über das neue Album „Pavlovs Dawgs“, dessen Texte, das Making of, das Cover, das 40-jährige Jubiläum und die Gefühle, die aufkommen wenn man diese revue passieren lässt. Hier nun der erste Teil der zweiteiligen Interviewserie.

Hi Gerre, danke, dass du dir Zeit nimmst. Wie geht’s dir?

Gerre: Gut, aber etwas zerschädelt, ich war gestern bei Iron Maiden. Wir hatten Glück, denn wir hatten ein Upgrade und durften in der Loge sitzen.

Wow cool, ich war übrigens auch dort. War doch ein toller Gig, gell?

Gerre: Ja, fand ich auch.

Erst mal großes Kompliment für euer neues Album „Pavlovs Dawgs“, ich war ja bei der Listening Session und total begeistert. Die Scheibe fetzt ordentlich. Ist wirklich super.

Gerre: Dankeschön, das hört man sehr gerne.

Ich hab manchmal das Gefühl, dass gerade bei solchen Veranstaltungen, wie die Listening Session, viel zu wenig positives Feedback gegeben wird. Ist das so?

Gerre: Naja, die Leute hören sich’s halt erst mal an und dann wird meistens erst mal geschwiegen.

Kannst du mir ein paar Anekdoten zum Making of „Pavlovs Dawgs“ erzählen?

Gerre: Ja, da fällt mir schon eine lustige Anekdote ein. Natürlich war das wieder viel Arbeit und unser Schlagzeuger Olaf hat die Platte als erster eingespielt. Da waren noch nicht alle Texte fertig. Ich mach dann immer so Ghostlines, also einfach Schwachsinnstexte, um das Versmaß zu kreieren und an die Melodie anzupassen. Und dann schreibt doch der Olaf in unseren Tankard WhatsApp Chat „Peter and Paul ist jetzt fertig“. Ich hab‘ erst mal überhaupt nichts gerafft und dann ging der Refrain: „Hello Peter, hello Paul“ (Lacht). Bei der vor Produktion hatten noch ein paar Texte bis zum Schluss gefehlt. Bei uns wird immer alles mit heißer Nadel gestrickt, denn am Ende bricht immer Chaos aus. Aber wir brauchen anscheinend diesen Druck.

Eigentlich sollte die Platte bereits 2019 aufgenommen werden, aber dann kam uns die Pandemie dazwischen. Und unser erstes Konzert 2020 wurde gleich mal abgesagt und keiner wusste wie es weitergeht und so haben wir dann einfach mal ne Pause gemacht. Und das hat auch einmal ganz gut getan, keine Proben, auch mal die anderen nicht zu sehen, aber dann irgendwann fängt ja dann auch wieder an zu kribbeln.

Habt ihr es genossen während der Pandemie ein bisschen mehr Zeit für die Familie zu haben?

Gerre: Naja, ich hab‘ ja gar keine Familie und habe eigentlich die ganze Zeit weiter gearbeitet in meinem normalen Job. Ich hatte schon Passierscheine bevor überhaupt irgendwelche Regelungen ausgearbeitet wurden. Eigentlich hab‘ ich die ganze Zeit durchgehend gearbeitet. Also eigentlich immer nur Arbeit und dann nach Hause, Arbeit und dann wieder nach Hause. Also nicht so spannend.

Du bist ja Sozialarbeiter, machst du deinen Job noch gerne oder würdest du gerne nur mehr Musik machen?

Gerre: Klar, manchmal nervt es natürlich schon irgendwie, aber ich mach sehr viel administrativen Kram. Personaleinsatz, Dienstpläne schreiben etc. Macht im Großen und Ganzen schon noch Spaß, aber wie in jedem Job gibt es manchmal Phasen, wo es auch richtig nervt. Die Musik ist da ein guter Ausgleich. Wenn man dann Freitagabend in den Bus steigt und mit der Band irgendwohin fährt und dann wieder Musik macht, dann ist alles wieder gut.

Kannst du auf die Lyrics näher eingehen und den Background? Z.B. Diary of a Nihilist? Um wessen Tagebuch geht’s denn da?

Gerre: (Lacht) da geht’s um einen Ghost Grufti, der seine eigene negative Haltung gegenüber der Welt irgendwann mal satt hat, denn die Welt ist ja eigentlich noch viel schlechter als seine eigene Sichtweise. Und am Ende wird er zu einem gläubigen Kirchgänger. Eigentlich sollte der Song ursprünglich „Time to Pray“ heißen. Und „Diary of a Nihilist“ war nur der Untertitel – wir haben da zwei Leute, die uns bei den Texten helfen. Unser alter Gitarrist Andreas Bulgaropoulos, der 8 Songs geschrieben hat und unser Roadie hat auch 2 Stücke geschrieben. Wir würden das alleine gar nicht mehr packen und die können auch noch besser Englisch. Und mir gefiel Diary of a Nihilist viel besser als Time to Pray. Und so wurde aus dem Untertitel der Songtitel.

Mir ist auch Veins of Terra aufgefallen. Da geht’s ja um Mutter Erde, magst du mir dazu was sagen?

Gerre: Ja, Mutter Erde und deren totale Ausbeutung. In den nächsten Kriegen wird es um Wasser gehen. Langsam wird das Wasser knapp: darüber gibt es ja schon Reportagen. Natürlich ist es einfach, mit dem Finger böse auf andere zeigen, aber wir sitzen da alle in einem Boot. Und in unserem Text geht es darum, dass wir irgendwann einmal Kriege um Wasser führen werden. Also ein düsterer Text.

Bei einem anderen Interview wurde mir gesagt: wir singen ja seit 40 Jahren über Bier. Klar haben wir schon einiges für dieses Image getan, Aber wir hatten auch früher schon immer wieder gesellschaftskritische und ernste Texte. Tankard waren aber immer schon mehr als nur Party machen. Wir haben immer Wert auf einen kunterbunten Mix aus ernsten und lustigen Texten gelegt. Mir ist schon bei der vorigen Platte „One Foot in the Grave“ aufgefallen, dass sich alle auf den Song „Serial Nightmare“ gestürzt haben. Aber wir hatten immer schon auch ernste Texte. Und ich glaube, dass uns auch beim neuen Album  eine ganz gute Mischung gelungen ist. Wenn wir jetzt ein Konzept Album mit zehn Songs, die vom Sterben handeln, machen würden, würde uns das niemand abnehmen. Das passt nicht zu uns. Und mittlerweile machen wir uns auch ein wenig selber über das Image lustig, das wir uns selbst eingebrockt haben. Damit müssen wir leben und ich kann eigentlich ganz gut damit leben.

Ich finde es toll, dass ihr immer mehr gesellschaftskritische Texte macht.

Gerre: Trotzdem werden wir immer noch ein wenig auf das Bier reduziert, aber da sind wir ja auch selbst dran schuld. Und zu Tankard passen auch keine blutrünstigen Covers. Das wären nicht wir.

Auch das ist sehr sympathisch an euch.

Gerre: Ja, zu uns passt das einfach nicht. Daher läuft es dann schließlich immer auf comicartige Covers heraus.

Ehrlich gesagt haben wir hier bei METALOGY auch ein bisschen Probleme mit ekelhaften Covers. Wir reviewen solche Alben nicht gerne, weil wir dann auch das Cover abbilden müssten. Eure Covers sind wirklich erfrischend und cool. Magst du mir ein bisschen mehr zum aktuellen Cover erzählen? 

Gerre: Die Idee kam wieder von Buffo, unserem Manager. Er hat doch immer früh schon die Idee zum Album Titel und darauf basieren dann die Cover Ideen. Und das Design stammt wieder von Patrick Strogulski. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich das erste Mal im April auf einer Fähre in Schweden das aktuelle Cover gesehen hab. Ich würde mal behaupten, dass es sich ganz gut an die früheren Covers einreiht.

Bei Metal Cash Machine geht’s ja um Merchandising. Magst du mir dazu was sagen?

Gerre: Ja, das ist ein eher witziger und ironischer Text. Manche Künstler verkaufen ihr eigenes Parfum und machen damit mehr Kohle als mit ihrer Musik. Ein Text mit ganz viel Augenzwinkern.

Seid ihr selbst zufrieden mit dem Merchandising? Läufts?

Gerre: Ich glaube, das kann eher der Buffo beurteilen. In dem Rahmen, in dem sich unsere Band bewegt, ist es glaube ich okay. Als Band verdient man ja eigentlich nur mehr mit Live Auftritten und Merchandising. Tonträger kann man ja inzwischen komplett vergessen. Bei der geringen Anzahl von verkauften CDs und bei Downloads bekommt man ja überhaupt nur 0,0002 irgendwas Cent Beträge. Also wirtschaftlich gesehen lohnt sich für eine kleinere Band, so wie wir es sind, eigentlich der Aufwand eine Platte rauszubringen überhaupt nicht.

Reiner Idealismus 

Gerre: Ja, das ist halt so. Früher hat man eine Tour gemacht, um eine Platte zu promoten, heute bringt man eine Platte raus, um die Tour zu promoten. Aber wenn man sich dann das Endprodukt anhört und damit zufrieden ist, fällt der ganze Arbeitsstress auch gleich wieder weg. So gesehen lohnt es sich dann natürlich doch. Aber rein vom wirtschaftlichen Standpunkt aus, lohnt es sich nicht.

Klar, die großen Bands verkaufen natürlich immer noch. Man müsste da nach Zahlen kucken. Aber ich denke, es sind circa 20 % von dem was man Anfang der neunziger verkauft hat. Oder vielleicht nur 10%? Eine Statistik dazu wäre sicher interessant. Müsste man mal bei Labels nachfragen.

Ihr hattet ja gerade erst 40-jähriges Jubiläum. Das ist schon eine Hausnummer, habt ihr da noch Festivitäten und Specials geplant? 

Gerre: Anfang des Jahres kam ja diese Box raus von Noise. Mit den ganzen alten Scheiben von 86 bis 95. Universal in England hat dann so richtig auf die Promotube gedrückt. Dazu auch viele Interviews gemacht und der Lohn für alles war dann, dass wir auf Platz 14 in den deutschen Charts gelandet sind. Und das, obwohl da eigentlich gar nicht viel Neues drinnen ist. Nur eine DVD. Das war das eine und natürlich unsere neue Scheibe, die ja auch anlässlich des 40jährigen Jubiläums erscheint. Und dann spielen wir natürlich auf diversen Festivals und in unserer Heimat vier Shows am Stück. Und durch den Europa Pokal Sieg der Eintracht Frankfurt haben wir natürlich auch noch Shows zwischengeschoben.

Also es geht promomäßig grad ganz schön ab und es gibt wahnsinnig viel zu tun.

Hat sich für euch was geändert seit euch das Fossil Ophiura Tankardi gewidmet wurde? 

Gerre: Zu unserem 40-jährigen Jubiläum so eine Ehrung zu bekommen, war natürlich hammerhart. Wir haben uns wahnsinnig gefreut. Ich muss sagen, als ich das erste mal davon gehört hab, war ich noch relativ ungläubig. Da habe ich ganz komische E-Mails bekommen und ich bin sowieso kein Freund von tagelanger E-Mail-Herumschieberei, aber dann haben sie uns am Telefon erklärt worum es geht und ich bin fast vom Hocker gefallen. Also das war eine sehr große Ehre und auch ein Highlight für uns.

Ich war da ja auch im Museum, noch mal herzliche Gratulation, das ist wirklich eine tolle Sache.

Gerre: Wenn wir das früher gewusst hätten, hätten wir vielleicht sogar einen Songtitel dazu gemacht.

Das kann man ja noch machen.

Gerre: Genau das kann man noch machen.

Und vielleicht auch ein lustiges Comic-Video, in dem der Protagonist das Fossil ist.

Gerre: Das wär‘ doch was, wirklich eine gute Idee. Auch den Titel behalten wir mal im Hinterkopf.

Wenn du die letzten 40 Jahre revue passieren lässt, welche Gefühle kommen da bei dir auf? Bist du zufrieden?

Gerre: Ich persönlich bin natürlich schon stolz darauf, dass wir so lange durchgehalten haben. Trotz aller Widrigkeiten, denn in den neunziger Jahren war Thrash Metal ja nicht gerade sehr angesagt. Damals hatten wir auch relativ wenige Konzerte. Da durchgehalten zu haben und immer noch da zu sein, ist Wahnsinn.

Je älter man wird, desto schneller vergeht auch die Zeit. Wir haben aber sehr viele tolle Sachen erlebt und im Großen und Ganzen sind wir eigentlich sehr zufrieden und stolz drauf. Eigentlich muss man voller Demut und Dankbarkeit zurückblicken.

Morgen könnt ihr hier auf Metalogy Teil 2 des Interviews mit Gerre lesen.

Interview: Lydia Polwin-Plass

 

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de