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Interview mit Metalqueen Doro Pesch Interview mit Metalqueen Doro Pesch
Im Rahmen unserer Arbeiten an unserem Buch "Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann" haben wir mit Metalqueen DORO... Interview mit Metalqueen Doro Pesch

Im Rahmen unserer Arbeiten an unserem Buch „Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann“ haben wir mit Metalqueen DORO PESCH gesprochen. Sie ist Metalhead mit Leib und Seele und liebt die Szene mit allem was dazu gehört. Und das hat seine Gründe, wie uns Doro erzählte. Hier das gesamte Interview.

Hallo Doro. Vielen Dank, dass du dir Zeit für unser Interview nimmst.

Wie geht es dir in der Corona-Zeit?

Doro: Ich verstehe die Querdenker nicht, die meinen, dass es das Virus nicht gäbe. Ich kenne schon fünf Leute, die daran gestorben sind. Von unserem Gitarren-Tech, dem Shawn, sind in England fünf Familienmitglieder an Corona gestorben. Die wussten damals gar nicht, wie sie das mit den Beerdigungen machen und wie sie die bezahlen sollten. Das war wirklich schlimm. Manche glauben aber trotzdem immer noch, dass es Corona nicht gibt und dass Masken Quatsch sind. Ich weiß das auch von vielen Musikern.

Als ich gerade in Amerika war, hatten viele Leute auch die Maske unter der Nase oder gar keine Maske auf. Dort war auch alles geöffnet. Ich habe dann das erste Mal seit einem Jahr draußen wieder Kaffee getrunken. Mir war zwar etwas mulmig, aber trotzdem war es schön. Ich passe aber auch sehr auf. Ich war ja selber mal schwer krank, als ich angefangen hatte, Musik zu machen. Ich weiß ganz genau, dass es sehr schnell vorbei sein kann.

Du hast ja einige Festivalauftritte für den Sommer geplant. Denkst du, dass das klappen wird?

Doro: Das wird spannend. Ein paar Festivals sind ja schon hundertprozentig gecancelt. Wie das Hellfest in Frankreich. Darauf hatte ich mich schon so sehr gefreut. Ein paar andere Festivals wurden auch schon abgesagt. Ein paar sind noch auf der Kippe. Meine ganze Südamerika-Tour ist natürlich total auf der Kippe. Die wäre im September. Wir schauen mal. Wir halten die Stellung und machen das Beste draus. Ich bin ja gerade im Studio und mache die Triumph and Agony Live Platte und DVD. Und meine neue Platte soll dann nächstes Jahr rauskommen.

Und das Love Me In Black-Album soll auch neu rauskommen?

Doro: Ja, in weißem Vinyl. In Doppel-Vinyl. Die sieht so schön aus. Am 30. April ist der Release. Wir haben sie neu gemastert und ein paar neue Mixe draufgetan. Diese Platte kam bisher gar nicht als Vinyl raus. Ich glaube es gab da mal ein russisches Bootleg, aber das war auch alles.

Du bist also trotz Corona sehr aktiv zur Zeit?

Doro: Oh ja. Letztes Jahr hab‘ ich die Best-of-Platte Magic Diamonds gemacht. Dafür hatte ich zuerst 15 Songs rausgesucht. Dann waren es 35, dann 45 und schließlich 56. Und es sind immer noch nicht alle. Ich war eigentlich genauso busy wie sonst immer. Nur nicht im Tourbus, sondern im Studio. Ich glaube auch, dass es im Moment das Wichtigste ist, sich zu beschäftigen. Viele Musiker haben ja schon Depressionen. Ich weiß auch schon von dreien, die sich das Leben genommen haben. Die haben erst ihre Instrumente und ihr Equipment verkauft und dann…

Wenn du neue Songs schreibst, ziehst du dabei auch aus der Pandemie Inspiration?

Doro: Ich versuche das eher positiv zu halten, um den Leuten gute Energie und Kraft zu geben. Freude und Sinnhaftigkeit – das ist das Allerwichtigste. Wir haben ja schon 6 bis 7 Songs für das neue Album geschrieben.

Es wird auf jeden Fall etwas Positives sein. Nichts Böses. Am Anfang der Warlock-Zeit haben wir ja mit solchen Sachen gespielt, aber jetzt wollen wir durchweg positiv sein.

Das ist gar nicht so einfach. Es ist schwerer positive Texte zu schreiben als destruktive. Negative Texte gehen ganz schnell. Kill´em all. Hört sich geil an. Über die Pandemie habe ich jetzt keinen Song speziell geschrieben. Der sollte man ja nicht noch mehr Energie schenken.

Du legst also sehr viel Wert auf die Message der Texte?

Doro: Ja, die Message und das Gefühl. Für mich gehört die Message und die Melodie in einem Song zusammen. Ich habe ja auch extra ein paar deutsche Texte. Wenn man down und allein ist und dann so einen Song hört, geht einem das Herz auf. Dann fühlt man sich wieder integriert und bekommt Kraft und Halt.

Wenn deine Tour nach der Pandemie dann endlich stattfinden wird, hast du da etwas Besonderes geplant? Eine Überraschung?

Doro: Ein paar neue Songs wollen wir natürlich spielen. Aber tourmäßig ist das natürlich schwer. Manche Bandmitglieder sind in Amerika, ein Gitarrist ist in Italien, die zwei anderen in den Niederlanden. Nick (Douglas) in Amerika kann jetzt natürlich überhaupt nicht rüberkommen. Es wird ganz schwer das Line-up beizubehalten. Gerade jetzt bei den Sommerfestivals. Ich bin gerade bei der Planung und wir müssen wohl hier und da flexibel sein. Du kannst natürlich auch nicht so viele neue Songs einproben mit Leuten, die dann einspringen. Wir gucken mal, wie es geht.

Neue Songs würde ich aber schon gerne spielen. Aber wenn wir ungeprobt sind, wird das schwierig. Proben mit allen in einem Raum geht derzeit sowieso nicht. Wir müssen mal schauen, wie wir das machen.

Du bist Kuratorin der Wacken Foundation. Kannst du uns etwas über deine Aktivitäten dort erzählen?

Doro: Ich habe vor etwa 8 Jahren damit angefangen. Ich bin also schon lange im Kuratorium und habe nur manchmal eine Vertretung, wenn ich gerade auf Tour bin.   Am Anfang waren wir 5 Kuratoren und es kamen pro Monat 3 bis 5 Anträge von Bands, die Unterstützung brauchten für Tourneen, Alben, Demos und anderen Sachen, die mit Metal zu tun haben. So haben wir das also abgearbeitet und über die Zeit hat sich das gehäuft. Mittlerweile machen da viel mehr Leute mit. Das hat Ausmaße angenommen, dass es mittlerweile ein Ganztagsjob ist.

Es gibt auch ganz viele spannende Anträge aus dem Ausland. Aus Israel zum Beispiel haben wir ganz viele Anträge gekriegt. Man hört sich dann die Songs an und für mich war es spannend zu sehen, dass manche junge Bands superaktiv sind. Ich finde es total gut, dass die überhaupt Unterstützung bekommen. Es ist heutzutage sehr schwer, so richtig durchzustarten. Unsere Schwierigkeiten waren, dass wir in einem System drin waren. Man musste sich mit der Plattenfirma, dem Manager und der Agentur auseinandersetzen. Heute gibt es ein solche Infrastruktur gar nicht mehr. Du machst ja fast alles selber. Auf der einen Seite ist das toll, weil du die Freiheit hast, das zu machen was du willst. Auf der anderen Seite gibt es heute keine Budgets mehr. Meistens ist das Do-it-yourself. Daher finde ich es toll, dass sich die Wacken Foundation der Bands annimmt. Manche Bands bekommen direkte Unterstützung. Manche fragen auch nur nach einem Darlehen.

Ich entscheide bei der Auswahl nach Gefühl, weil ich ja selber Musiker bin. Ich stehe auch immer auf der Seite von den Bands. Außer wenn es Quatsch ist. Manche wollen einfach nur Geld haben. Aber das merkt man sofort, wenn da was nicht stimmt. Man merkt aber auch sofort, wenn Musiker oder Bands total ernst dabei sind und ganz viel Energie und Zeit reinstecken. Ich winke dann auch viele Sachen durch. Im Kuratorium sind aber auch andere Leute, die sind Rechtsanwälte oder vom Musikverlag. Die beachten dann andere Aspekte. Ich denke da immer positiv. Ich weiß ja, wie es als Musiker ist.

Gerade bei handschriftlich ausgefüllten Anträgen wusste ich früher, dass das von Innen kommt. Heute gibt es dafür Formulare. Ich finde es auch super, dass die ganze Welt mitmachen kann. Das einzige Kriterium ist: Es muss Rock oder Metal sein. Manchmal kann man natürlich diskutieren, ob das noch Rock oder Metal ist. Es gibt ja viele verschiedene Genres. Ich mag gerne außergewöhnliche Sachen. Es darf nur kein Pop sein. Das fällt dann raus. Es muss schon Metal sein. Das ist ja ein Riesenbegriff. Für mich war Metal immer Freiheit. So kommen Leute aus aller Herren Länder und stellen Anträge. Manche geben sich besonders viel Mühe –  die unterstützt man gerne. Für mich ist es interessant zu sehen, wie viel tolle  Nachwuchsbands es weltweit gibt. Ich selber habe es zwar nie als Nachteil empfunden, dass ich eine Frau bin, aber heutzutage finde ich es trotzdem cool, wenn es eine All-Girl-Band ist oder wenn Frauen in der Band sind. Das muss man auch unterstützen.

Wie kamst du damals dazu? Bist du gefragt worden?

Doro: Ja, mit Holger Hübner habe ich ein ganz enges Verhältnis. Der ist einer meiner besten Freunde. Ich habe Holger und Thomas Jensen ganz viel zu verdanken. Der Holger Hübner und der Anwalt vom Wacken Open Air kamen auf mich zu, als ich auf dem Wacken Open Air gespielt habe. Backstage hat man ja immer ein bisschen Zeit zu quatschen. Und dann habe ich direkt zugesagt.

Ich bin bei vielen Aktionen in Wacken dabei. Bei der DKMS-Aktion mache ich auch mit. Das ist ja etwas, was die Wacken-Leute sehr unterstützen. Wir machen sehr viele gemeinsame Aktionen. Und dann trage ich natürlich den Wacken-Namen in die ganze weite Welt hinaus.

Holger Hübner hatte mich damals angerufen und gefragt, ob ich nicht die erste Wacken-Hymne singen möchte. Das war „We are the Metalheads“. Das war für mich natürlich eine große Ehre. Ich liebe den Song und ich spiele ihn überall in der Welt. Und wenn ich dann in den letzten Zipfeln der Welt spiele, in Kolumbien oder irgendwo in Sibirien, und dann sage, dass der nächste Song die erste Wacken-Hymne ist, dann springen alle direkt hoch wie die Glühwürmchen und zeigen ganz stolz ihr Wacken-T-Shirt. Das bedeutet den Leuten so viel.

Wann hast Du das erste Mal in Wacken gespielt?

Doro: Ich habe das erste Mal 1993 in Wacken gespielt. Da war es wirklich noch ganz, ganz klein. Da waren vielleicht 1.500 Fans dort. Man merkte aber damals schon, dass da das Herz des Metal ist. Man merkte, dass das W:O:A anders ist als die anderen Festivals. Es ist etwas Besonderes. Es hat Bedeutung.

1998 habe ich dann das zweite Mal in Wacken gespielt. Da waren schon etwa 30.000 Leute oder mehr da. Danach war ich alle zwei Jahre dort. Manchmal auch jedes Jahr. Wir haben auch alle unsere Jubiläen dort gefeiert.

Ich bin aber immer noch stark beeindruckt, wie die das auf die Beine stellen. Wieviel Herz und Seele und Schweiß und Arbeit da reinfließt. Dass man sich das ganze Jahr darauf konzentriert.

„Ich war auch oft dabei, wenn es besondere Aktionen gab. Es gab mal ein Fest nur für die Dorfbewohner in Wacken. Das war im Winter und trotzdem Open Air. Da haben wir richtig gefeiert. Danach war ich erstmal für die nächsten fünf Wochen krank (lacht). Das Wacken Open Air ist natürlich das größte und wichtigste Festival der Region. Aber dieses andere Fest war auch wichtig, um den Wacken-Anwohnern und Bauern zu zeigen, dass sie einem viel bedeuten. Ich finde das toll. Holger und Thomas denken nur an die Fans und an die Leute, die das alles bewerkstelligen. .Und, dass sich um Aktionen wie gegen den Blutkrebs gekümmert wird. Das ist so total tief menschlich. So wie es sein sollte in der Welt. Da geht mir jedes Mal das Herz auf, wenn ich das sehe. Jedes Jahr wieder. Als das W:O:A noch kleiner war, war das sehr verbindend. Viele Leute sagen, dass es jetzt so groß geworden ist und jeder da hinwill. Aber mit Recht. Jeder will in seinem Leben einmal nach Wacken. Egal wo er herkommt. Dafür wird auch manchmal 10 Jahre für gespart. Gerade die Südamerikaner sind ja so metal-affin. Wenn die einmal in Wacken waren und zurückkommen, dann sind sie Lokalhelden. Da wird mit stolzgeschwellter Brust das Wacken-Shirt getragen. Es bedeutet den Leuten wahnsinnig viel, egal ob es klein war oder jetzt groß.

Man hat ja nur die Chance zu wachsen, wenn man immer auf einem Level bleibt. Das geht ja gar nicht anders. Die Shows in den letzten Jahren, die ich selber machen durfte oder die ich von anderen Bands gesehen habe, das waren ja immer Superlativen. Sowas habe ich weltweit noch nicht gesehen bezüglich dem, was man dort auffahren kann.

Arbeitest Du auch sonst mit den Wacken-Veranstaltern zusammen?

Doro: Die Wacken-Leute unterstützten mich auch bei meinen Jubiläen, obwohl ich die woanders gefeiert habe, zum Beispiel in meiner alten Heimat Düsseldorf. Das fand ich total stark. Wir sind wirklich eine ganz enge Gemeinschaft. Eine Familie. Uns verbindet eine ganz tiefe Freundschaft. Das hatte ich auch im Hinterkopf bei einem Song von meiner letzten Scheibe Forever Warriors, Forever United, die 2018 als Doppel-Album rauskam. Das ist ein deutscher Song und heißt Freunde fürs Leben. Den Song habe ich in Gedanken an die Wacken-Leute geschrieben und an die Zeit, die ich mit ihnen verbracht habe. Fans, Veranstalter, Techniker.

Die haben übrigens in Wacken die weltweit besten Techniker mit einem unglaublichen Know-How. Das war am Anfang natürlich nicht so, aber die haben sich da reingearbeitet. Da ist alles vom Feinsten, ob es Pyrotechnik ist oder die Bühnenbauer. Auch der Backstage-Bereich. 1993 haben wir noch in der Kuhle gespielt, wo jetzt der Dressingroom und der Backstage-Bereich ist.

Und jedes Jahr gab es ein neues Thema. Einmal gab es ein Indianerdorf mit kleinen Zelten und Lagerfeuer. Wunderschön. Da stecken so viele Gedanken und so viel Gefühl dahinter. Und alle die da arbeiten, egal ob Security oder die, die sich um die Bands kümmern, oder die Dressingroom-Leute, die sind alle so nett und lieb und engagieren sich so sehr.

Hast du nicht auch mal in der Kirche von Wacken ein Konzert gespielt?

Doro: Als wir 2018 unser Jubiläum dort gefeiert haben, hatte sich der Holger Hübner gewünscht, dass wir zwei Tage davor in der Kirche in Wacken spielen. Da haben wir natürlich zugesagt. Und als wir dann in der Kirche gespielt haben, kamen die ganzen Die Hard-Fans. Das Konzert musste zwischendurch unterbrochen werden, weil fünf Leute in Ohnmacht gefallen sind, weil kein Sauerstoff mehr in der Kirche war. Alle hatten mitgegrölt und mitgeschrien. Wir dachten alle, dass es in einer Kirche immer kalt wäre. Ganz im Gegenteil. Wir waren alle nassgeschwitzt. Als dann die ersten Leute umkippten, wurde das Konzert abgebrochen. Wir waren aber ohnehin schon bei den Zugaben. Das Konzert war ansonsten echt super. In einer Kirche zu spielen war eigentlich eine tolle Idee. Sehr außergewöhnlich.

Gibt es da für dich einen großen Unterschied zu anderen Festivals?

Doro: Ja, es gibt einen ganz dollen Unterschied. Meistens spielt man auf einem Festival und das ist dann meist sehr gut organisiert, was natürlich für uns als Band und für unsere Road Crew toll ist. Es ist aber nicht so persönlich. Es ist halt professionell. Das ist natürlich super und die PAs, Licht und Sound funktionieren ganz toll. Aber man hat dazu keine Verbindung. Ich habe nie das Gefühl gehabt, dass sich da Freundschaften gebildet haben, die man dann ein Leben lang hat. In Wacken habe ich das schon. Um euch ein kleines Beispiel zu geben: Als wir mal in Wacken gespielt haben, bin ich danach ins Publikum gegangen, um WASP zu sehen. Ich kam natürlich nicht weit, weil alle mit mir quatschen oder Autogramme haben wollten. Dabei habe ich Leute aus Australien kennengelernt. Das waren die Metal Warriors Australia. Ich habe mich mit deren „Chef“ Steve unterhalten. Als er sagte, dass sie aus Australien sind, dachte ich auch, dass in Wacken wirklich die ganze Welt vertreten ist. Er fragte dann, ob ich nicht mal in Australien spielen könnte. Ich hatte aber selber gar keine Verbindung nach Australien und kannte keine Promoter oder Festival-Veranstalter. Er sagte dann nur: „Wir machen das.“ Und die ganzen Club-Mitglieder in ihren Kutten standen direkt stramm. Ich dachte dann erst, dass das eine der üblichen Unterhaltungen gewesen sei. Auf dem Acker ist man ja meistens viel enthusiastischer. Aber wir sind dann tatsächlich in Verbindung geblieben. Und wir haben es tatsächlich geschafft, eine ganze Tour in Australien auf die Beine zu stellen. Da das Geld wie immer knapp war, weil die Flüge da runter sehr teuer sind, hat Steve gesagt, dass wir alle in seinem Haus schlafen könnten. Er hat dann extra seine Eltern ausquartiert – ich weiß gar nicht, wo die dann übernachten mussten (lacht). Er hat die ganze Band und die komplette Road Crew in seinem Elternhaus einquartiert. Und so haben wir dann von dort aus die Tour gemacht. Wir sind seitdem eng befreundet. Er ist auch Filmemacher und so haben wir auch einen Film zusammen gemacht. Er besucht uns auch immer. Letztens haben wir in London gespielt – da hat er sogar seinen Sohn mitgebracht. Den Sohn kenne ich noch als kleinen Stöppke von drei Jahren – damals schon mit Gitarre – und der ist auch mittlerweile 17 und spielt in einer Band. Wir wären aber nie nach Australien gekommen, wenn die Die-Hard-Fans das nicht organisiert hätten. Das ist der Unterschied zwischen Wacken und andern Festivals. In Wacken sind die Die-Hard-Fans. Auf anderen Festivals sind halt viele Leute, die Rock und Metal mögen, die aber nicht ihr ganzes Leben danach ausgerichtet haben. Die haben ihren Job und fahren dann mal auf ein Festival, um Spaß zu haben. Ich finde ja, dass Metal ein Lebensstil oder eine Lebensphilosophie ist. Und das kann man in Wacken am aller besten sehen und ausleben. Da hat man auch die Verbündeten – die Die-Hard-Fans. Die sind mir sowieso die Allerallerliebsten.

Einen Aspekt zu anderen Festivals muss ich noch anbringen: Man hat häufig gar nicht die Chance, Kontakt mit den Fans zu kriegen. Man wird vom Hotel im Shuttle abgeholt, geht in den Dressingroom, geht auf die Bühne und dann wird man wieder zurückgeshuttlet. Auf den Riesenfestivals hat man meist nicht einmal die Chance andere Bands zu sehen. Da hat man nie den Kontakt zu den Fans, aber genau dafür lebe ich. Das ist für mich das Allerwichtigste. Und in Wacken hat man das schon. Man kann auch mal aufs Feld gehen. Oder man kann Autogrammstunden geben und mit den Leuten quatschen. Oder man macht Pressekonferenzen. Auf jeden Fall ist der Kontakt ganz eng. Da ist keine große Trennung zwischen Fans und Musikern. Man macht was zusammen und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl macht Wacken aus. Das ist heilig.

Du bist auch bei PETA aktiv. Kannst du uns etwas über deine Aktivitäten dort erzählen? Lebst du vegetarisch oder vegan?

Doro: Ich lebe vegan. Vor vielen Jahren wurde ich Vegetarier und seit vier Jahren lebe ich komplett vegan. 2007 hatte ich das erste Mal mit PETA Kontakt und wurde damals zu einer Fotosession in Hamburg eingeladen. Zu der Zeit gab es die PETA-Plakate „Lieber nackt als im Pelz“ und ich dachte, dass ich für diese Aktion dahin gekommen wäre. Dann wurde mir aber erklärt, dass ich zum Thema Leder eingeladen wurde. Ich fürchtete, dass das ein Problem werden könnte, da viele Metaller und Motorradfahrer in Leder rumlaufen. Auch ich selber hatte zu dieser Zeit nur echtes Leder an. Ich habe mich dann in dieses Thema eingearbeitet, denn ich wusste bisher nicht, wie schlimm die Lederproduktion für die Tiere ist. Der Slogan von PETA war damals „In welcher Haut steckst Du?“. Die Aktion sollte zum Nachdenken anregen und nicht mit dem Dampfhammer durchgesetzt werden. Es war mir also wichtig, Alternativen zu echtem Leder aufzuzeigen. Damals musste man echt noch danach suchen.

Heutzutage gibt es ganz tolle Fake-Leder-Sachen. Ob es Schuhe oder Jacken oder andere Sachen sind – 2007 war sowas noch ganz schwer zu finden. Ich hatte dann auch andere Materialien ausprobiert, zum Beispiel Taucheranzug-Materialien oder sowas ähnliches wie Latex, die auch super aussahen. Auf jeden Fall habe ich mich damals das erste Mal damit beschäftigt. Ich bin dann mit PETA in Kontakt geblieben. Auf der Warrior Soul-Platte haben wir dann ein kleines Beiblatt beigelegt und auf meinen Konzerten hat PETA Informationsstände gehabt. Das war das erste Mal, dass die Fans, die Road Crew und die Band über dieses Thema gesprochen hatten.

Hast Du selber Tiere?

Doro: Ich selber liebe Tiere sehr. Ich bin mit Tieren aufgewachsen und habe selber zwei Pferde adoptiert. Auf Gut Aiderbichel (www.gut-aiderbichl.com). Das ist ein ganz toller Hof. Ich bin hier in Kontakt mit der Anke Dahlhaus in Weeze. Die kümmert sich um Pferde, Galopper, die ihr Leben geben und um ihr Leben rennen damit ihre Besitzer mit ihnen viel Geld machen. Wenn die ein bis drei Jahre alt sind, stehen sie voll im Saft. Wenn sie dann aber älter sind, werden sie aussortiert und dürfen nicht weiterleben. Anke Dahlhaus kümmert sich um diese Pferde und dafür habe ich mich jetzt auch eingesetzt. Ich habe auch einen Song drüber geschrieben. Der heißt Heavenly Creatures. Ich war halt mehrfach dort und habe mich in diese Pferde verliebt. Und auf der Rückfahrt kam mir dann die Idee zu diesem Song.

In einer anderen Aktion, habe ich mit PETA aus dem Song „We are the Metalheads“ den Song „We are all animals“ gemacht. Dazu gab es dann wieder eine Fotosession für die ich dann meine unechten Lederklamotten anhatte. Als wir die Bilder auf Facebook gepostet haben, haben zwar einige Leute gemeint, dass das Leder gewesen sei, aber tatsächlich war das alles Fake-Leder.

Ich musste aber leider auch die Erfahrung machen, dass es auf Facebook, Instagram oder Twitter doch viele Menschen gibt, die von meinen Aktionen gar nicht begeistert sind. Obwohl ich eigentlich dachte, dass jeder gegen Tierquälerei sein müsste. Auf Facebook gab es aber ganz komische Kommentare. Da schrieb doch tatsächlich jemand, er sei das letzte Mal mein Fan gewesen. Ich kann sowas nicht nachvollziehen. Das war schon ganz schön hart. Auch PETA als eine der größten Tierschutzorganisationen hat damit manchmal zu kämpfen. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Dem Chef vom Gut Aiderbichl, der ein herzensguter Mensch ist, haben sie nachts Pferde getötet. Es gibt Leute, die verstehe ich nicht. Mit ein bisschen Verstand und Herz müsste doch jeder begeistert sein, wenn jemand sowas Tolles auf die Beine stellt. Aber anscheinend ist das nicht so.

Was ich in Sachen Tierschutz noch gemacht habe, ist ein Festival, das hieß Rock für Tiere, und ein anderes hieß Animals In Need. Dafür haben wir auch spezielle Aktionen gemacht. Einer hatte gefragt, ob wir eine Orchester-Show machen können. Ich hatte zwar einmal eine gemacht, danach aber nicht mehr. Ich habe aber zugesagt. Die wollten, dass ich zwei Songs spiele. Sie sagten, sie hätten ganz viele andere Gastmusiker und Gastsänger. Während der Proben kam dann ein Anruf, ob ich nicht sechs oder sieben Songs singen könnte, weil zwei Leute abgesagt hätten. Ein paar Tage später kam wieder ein Anruf und ich wurde gefragt, ob ich nicht alles singen könnte, weil die Gastsänger alle abgesagt hätten. Das habe ich natürlich gemacht und die Fans waren total begeistert.

Hast du noch mehr Orchester-Shows gemacht?

Doro: Ja, weil viele gesagt haben, dass ich unbedingt nochmal eine Orchester-Show machen sollte, habe wir das noch ein paarmal gemacht. Als Holger Hübner von unserer Show mit Orchester Wind bekommen hat, wollte er das direkt auch in Wacken haben. Und so habe ich das erste Mal eine riesige Orchester-Show in Wacken gemacht. Wir waren damit auch die Ersten. Mittlerweile ist das ja öfter so, dass Bands mit Orchester auftreten. Die Show war einfach grandios. 64-Mann-Orchester. Wir hatten auch ganz viele tolle Gäste mit dabei. Chris Caffery, der Gitarrist von Savatage, war mit dabei. Blaze Bayley, der damals ja mal bei Iron Maiden gesungen hat. Dann haben wir auch Fear of the Dark gespielt und ganz viele spezielle Sachen. Und ganz viele andere Gäste haben mitgewirkt. Die Wacken-Leute haben auch immer mitgeholfen, dass man solche speziellen Sachen auf die Bühne bringt. Ob es mit Orchester war oder in der Kirche oder mit ganz speziellen Gästen. Sowas ist bei anderen Festivals nicht normal. Da ist dann vielleicht mal ein Gast mit dabei oder man singt selber mal irgendwo als Gastsänger. In Wacken ist aber immer die volle Bandbreite.

Für 2018 wurde ich von Holger Hübner gefragt, ob ich nicht Lust hätte, einen ganzen Chor mitzunehmen; einen Metal-Chor. Das haben wir tatsächlich gemacht. Wir haben All for Metal und natürlich All We Are gesungen. Da standen 60 oder 70 Mann auf der Bühne. Das war grandios. Solche ganz speziellen Aktionen kann man nur in Wacken auf die Beine stellen und bekommt dafür die volle Unterstützung.

Die Wacken-Leute haben aber auch selber ganz viele Ideen, was man als Band so machen könnte. Die sind voll involviert und denken immer daran, was den Fans gefallen könnte oder was sie überraschen würde. Letztens habe ich gesagt, dass ich in der Glam Rock-Zeit aufgewachsen bin, mit Sweet, Slade, T-Rex, Alice Cooper und Suzie Quattro. Daraufhin haben wir Andy Scott und seinen Sänger von The Sweet auf die Bühne gebracht und Ballroom Blitz gespielt. Ein paar Leute haben gesagt, dass viele The Sweet vielleicht gar nicht mehr kennen, aber der Auftritt ging total ab. Das war einer der Highlights von diesem Gig. Und danach kam direkt das Duett mit Johan Hegg. Mit ihm habe ich zwei Sachen gemacht. If I can´t have you, no one will und A Dream that cannot be, das ich mit Amon Amarth zusammen für deren Platte Jomsvikings gemacht hatte. Da hat sich wirklich alles vermischt. Death Metal, Glam Rock, Melodic Metal, Orchester. Das ist so toll, dass die ganze Bandbreite dort akzeptiert und gefeiert wird. Es ist nicht so eindimensional.

In Wacken habe ich backstage auch das erste Mal Helge Schneider getroffen. Als wir uns dann mal wiedergetroffen haben, fragte er, was ich denn gerade machen würde. Zu der Zeit hatte ich gerade meine letzte Platte in Arbeit. Er sagte, wenn ich ein Saxophon bräuchte, er spiele gerne Saxophon. Wir hatten dann den Song Backstage to Heaven, auf dessen Demo ein Saxophon war. Er sagte nur: Ich komme und ein paar Tage später waren wir zusammen im Studio. In Wacken werden also außergewöhnliche Verbindungen und Freundschaften geknüpft. Das ist etwas für jeden, der das Herz am rechten Fleck hat. Was die Metalheads ja sowieso haben. Das habe ich immer und immer wieder gespürt.

Was ist denn deiner Meinung nach das Besondere an uns Metalheads?

Doro: Das Herz ist bei den Metalheads am rechten Fleck. Alles was da gemacht wird, geschieht mit viel Liebe, Seele und Herz. Als Mensch wird man wahrgenommen und geschätzt, egal, was man ist oder wo man herkommt. Ich habe die Geschichte von einem Mann gehört, der in Wacken war, aber kein Ticket hatte. Er war blind und wollte unbedingt hin. Da haben die Wacken-Veranstalter letztendlich gesagt, dass er reinkommen darf. Es ist ja immer ausverkauft und manchmal kriegt man ja auch kein Ticket mehr, auch wenn man es so gerne möchte.

In Wacken werden auch Leute mit Behinderungen ganz liebevoll in Empfang genommen und man kümmert sich um sie.

Ich habe auch gehört, dass die DKMS-Aktion (Deutsche Knochenmarkspenderdatei) lief auch an, weil jemand im engen Umfeld erkrankt war. Und weil ich aus Düsseldorf bin, haben wir mit der Uniklinik Düsseldorf gesprochen und mit denen eine Blutspendeaktion und eine DKMS-Typisierungsaktion. Das hat total große Kreise gezogen.

Aber in Wacken ist wirklich so eine Menschlichkeit. Das rührt mich sogar jetzt zu Tränen, wenn ich dran denke. Da fühlt man sich als Mensch richtig gut aufgehoben. Egal, ob man allein dahingeht, alt ist, etc. Ich habe im Fernsehen mal eine Reportage gesehen, die so ähnlich hieß wie: Oma will nach Wacken. Und die ältere Dame habe ich tatsächlich nach unserem Konzert in der Kirche getroffen. Die war total begeistert. Die war zwar schon etwas älter, ist aber abgegangen wie ein 20-jähriger Teenager. Das war ganz toll anzusehen.

Was ich ganz persönlich mal erzählen muss: Die Wacken-Leute haben mich, als ich Geburtstag hatte, überrascht und kamen nach Düsseldorf. Ich wollte meinen Geburtstag mit meiner Mum feiern. Mein Vater lebt ja leider nicht mehr, aber meine Mum hat mich immer unterstützt. Mein Papa natürlich auch. Holger Hübner und der Booker von Wacken, der ja jetzt Seaside Touring heißt, sind also zu uns nach Düsseldorf gekommen und wir haben zusammen gefeiert. Auch bei meinen Jubiläen haben sie mich überrascht. Beim letzten Mal haben wir in der CCD-Halle, einer Messehalle in Düsseldorf, gefeiert. Und da meinte Holger: Komm doch mal mit, wir haben eine Überraschung für dich. Dann bin ich also durch ein paar lange Gänge in so eine Art Atrium geleitet worden und dann meinte er: Hier– Ist für Dich. Ich habe erstmal gar nichts gesehen, aber ich stand unter den Beinen einer riesigen Figur. Die haben sie aus Stahl erschaffen. Ich guckte hoch und da stand ich im Schritt von dieser riesigen Metallfigur. Das war ein großartiges Geschenk zum Jubiläum. Die machen sich im Vorfeld immer sehr viele Gedanken.

Ich finde Wacken ist pure Menschlichkeit. Mit ganz viel Liebe, ganz viel Herz und ganz viel Seele. Auch mit ganz viel Tiefe und Bedeutung. Wacken hat eine tiefe Bedeutung. Für die Fans. Für uns Musiker. Für alle Beteiligten ist es etwas ganz Bedeutungsvolles. Das ist der große Unterschied zu anderen Festivals. Man hat auch ewig Erinnerungen dran. Das erste Mal 1993, dann 1998 und 2002. Die Jahreszahlen weiß ich gar nicht mehr genau. Aber ich erinnere mich noch ganz genau wie die Situationen waren, wie der Gig war, wie die Fans waren, und als uns die Australier, die Metal Warriors, eingeladen haben. Das sind Sachen, die einem so im Gedächtnis bleiben, was bei anderen Festivals jetzt gar nicht so der Fall ist. Man weiß vielleicht noch, wo man gespielt hat und wenn es geil war, aber daran habe ich nicht so tiefe Erinnerungen.

Was, denkst du denn, könnte die Gesellschaft von den Metalheads lernen?

Doro: Egal ob jemand anders ist oder von woanders herkommt, jung oder alt ist. Das ist eine tolle Möglichkeit für ein Miteinander. Es ist tatsächlich möglich, sich als Gesellschaft umeinander zu kümmern, für einander einzustehen und für den anderen da zu sein. Sich zu verstehen und Andersartigkeit so anzunehmen, dass sie einen bereichert und keine Angst macht.

Ich habe das früher selber erlebt. 1980 als ich angefangen habe, wurde man als Metaller noch richtig geächtet. Von den „normalen, braven“ Bürgern. Manchmal bin ich mit meinen Musikern irgendwo hingegangen, um was zu essen und dann sind wir einfach nicht bedient worden. Die Leute hatten einfach Vorbehalte und haben uns dann da rausbugsiert. Man war in der Gesellschaft nicht so akzeptiert. Das hat sich erst durch Wacken gewandelt. Man war damals eine Art Outlaw – das hat sich geändert. Wenn man jetzt über Wacken redet, haben die Leute ein Strahlen im Gesicht. Und jeder will da irgendwie mal hin.

Früher war Metal halt eine Nische. Auch bei meinen Proberäumen an der Ronsdorfer Straße in Düsseldorf haben wir das gespürt. Ich habe gerade meine ganzen VHS-Kassetten auf Digital überspielen lassen. Deswegen habe ich so viele Sachen von damals zu erzählen.

Ende der 80er war ich mal mit einer Journalistin vom WDR nochmal in dem Proberaum und dann konnte ich ihr zeigen, wo wir unter so einem Gang durchgehen mussten und oft mit Wasser und anderem Zeug auf uns geschmissen wurde. Und es haben sich Bürgerinitiativen gebildet, um uns da rauszuschmeißen. Man musste hart kämpfen und hart die Stellung halten.

Aber auch ein bisschen später noch als ich Amis in der Band hatte, bin ich manchmal in der Halle geblieben und habe Interviews gegeben und die kamen ganz bedröppelt zurück, weil sie nicht bedient wurden.

Was ist in Wacken anders?

Doro: In Wacken hängen die „normalen Leute“ riesige Banner auf: Welcome Metalheads! Von solch einem kleinen Dorf würde man eher erwarten, dass die Menschen nicht so weltoffen wären – doch gerade diese Leute heißen die Metalheads aus der ganzen Welt herzlich willkommen.

Auch der Film Full Metal Village hat ganz doll dazu beigetragen, dass sich die Leute in Deutschland und auf der ganzen Welt mehr für Wacken interessieren. Und wenn man die Bevölkerung dazu befragt, sagt sie: die Metalheads sind die liebsten Leute, weil sie immer ein nettes Wort übrighaben und hilfsbereit sind. Das ist außergewöhnlich und durch Wacken wird diese Tatsache in die ganze Welt getragen. Jetzt weiß der „ganz normale Bürger“, dass die Metalheads die liebsten Menschen und sehr vertrauenswürdig sind.

In jedem Metaller steckt eine ehrliche Haut. Das sind edle Menschen, die zwar mit langen Haaren und mit Nietengürtel, Tattoo und Piercing „metallisch“ aussehen, aber ganz tolle Menschen sind. Es gibt nichts Besseres, als wenn man den Metal lebt. Es hat ja auch viel mit Kreativität zu tun. Man arbeitet auch sehr viel für diese Sache. Früher hat man ja gedacht, dass die Musiker nur so rumhängen. Und in Wacken merkt man, dass das alles hart erarbeitet wurde. Jedes Jahr aufs Neue.

Früher hat man auf den Metal herabgeschaut. Es hieß, die Metaller haben nix drauf und nichts im Kopf und haben die Schule nicht zu Ende gemacht. Das hat man als Vorurteil oft gehört. Dabei ist es genau das Gegenteil. Die meisten sind ganz kluge Menschen. Und es gibt so viele Fans, wie einen meiner Lieblings-Fans, der Thorsten heißt, der ist Schachmeister und Professor der Mathematik.

Manchmal wurde ich gefragt, was ich denn sonst so machen würde. Das sei doch ein Zigeunerleben, das nichts bringen würde. Wenn man dann überlegt, dass der Bruce Dickinson von Iron Maiden ein Passagierflugzeug fliegt. Wenn man das erzählt, glaubt das auch nicht jeder sofort.

Aber es hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Heute möchte eigentlich jeder irgendwie Metalhead sein. Das hat mir auch damals Lemmy erzählt. Lemmy und Ronnie James Dio waren meine allerengsten Vertrauten und besten Freunde. Früher hatte jeder Angst vor Lemmy. Und in den letzten 10 Jahren wollte dann jeder Lemmy´s Freund sein. Jeder wollte mal einen saufen mit Lemmy. Einmal nach Wacken und einmal mit Lemmy Whisky trinken. Das waren plötzlich die Ziele, die man so hatte.

Gibt es denn jemanden, mit dem du noch gerne ein Duett machen würdest?

Doro: Eigentlich habe ich mir ja schon alle Träume erfüllt (lacht). Mit Lemmy war das Allergrößte. Mit Johan (Hegg) war super. Udo Dirkschneider. Pete Steel von Type O Negative, der ja leider nicht mehr lebt. Aber so habe ich all meine Träume wahr gemacht. Der einzige Traum, der nicht in Erfüllung gegangen ist, ist mit Dio etwas auf Platte zu machen. Wir haben live häufig zusammen gesungen und viele Tourneen zusammen gemacht. Ronnie James Dio hatte den Journalisten aber erzählt, dass er an der Magica 2 und der Magica 3 arbeitete und dass wir darauf auch ein Duett geplant hätten. Da ist es aber leider nicht mehr zu gekommen. Das wäre aber noch ein totaler Traum gewesen.

Für die nächsten Platten schaue ich einfach mal, was sich so entwickelt und was sich so ergibt. Mit Amon Amarth war das übrigens auch so. Ich war in Wacken und habe mir deren Show angeguckt. Da habe ich meinem Tourmanager, dem Hans, erzählt, dass mich der Johan an den jungen James Hetfield erinnert. Der hat so einen guten Draht zu den Fans. Der ist so gut drauf und hat so viel positive Energie. Das hat mich echt so an die 80er erinnert. Und ich habe gesagt, dass ich so gerne mal was mit ihnen machen würde. Hans konnte sich das auch gut vorstellen. Dann sind wir wieder auf Tour gegangen und ich habe gar nicht mehr dran gedacht. Ein paar Monate später kam eine E-Mail von Amon Amarth, in der sie fragten, ob ich nicht Lust hätte mit ihnen ein Duett zu machen. Der Song hieß A Dream That Cannot Be. Die Chemie hat sofort gestimmt. Ich war dann im Studio in England mit Andy Sneap. Ich habe dann den Johan gefragt, ob er nicht Lust hätte, ein Follow-up auf meiner Platte zu singen.

Das kam auch durch Wacken. Es ist so toll, dass man da auch mit anderen Musikern Verbindung knüpfen kann. Bei Amon Amarth habe ich dann auch in Wacken diesen Song mitgesungen, weil die eine DVD machen wollten. Bei Rock am Ring und auf dem Summer Breeze habe ich das auch gemacht. In Wacken hatte ich aber damals nur diesen einen Song zu singen und so bin ich danach noch etwas rumgelaufen und habe den anderen Musikern mal Hallo gesagt. Da hatten wir gerade die letzte Platte in der Mache und ich hatte gerade das Demo für All For Metal und ich hatte mir gedacht, dass vielleicht ein paar Leute Lust hätten, dabei mitzugröhlen. Der Erste, den ich dann gesehen habe, war Jeff Waters (Annihilator) und dann Warrel Dayne von Sancutary, der auch leider nicht mehr lebt. Dann habe ich auch noch den Johan gefragt, ob er Lust hat mitzusingen. Und so entstand das Video zu All For Metal auf dem 40 Leute mitgesungen haben. Das haben wir dann auch in Wacken aufgenommen. Der Einzige, der nicht in Wacken aufgenommen wurde, war der Mille. Das haben wir auf dem Summer Breeze gemacht. Aber sonst war alles in Wacken. Da entstehen halt Sachen. Freundschaften, Songs, Ideen.

Von „All For Metal“ gab es eine Version „All For Animals“ zum World Vegan Day. Wie kam das?

Doro: Ja, Veganer aus Thailand haben gefragt, ob sie das umschreiben könnten. Ich habe den Song dann dafür freigegeben. Dann haben weltweit Metalheads mitgesungen und es wurde auch noch ein Video zu gedreht in dem sie eine Weltkarte gezeigt hatten. Ich war baff, welche Länder dabei waren. Ich war ja schon in sehr vielen Ländern, aber in einigen dann doch noch nicht – Zimbabwe zum Beispiel.

Specki, der Schlagzeuger von In Extremo, hat mich auch mal gefragt, ob ich zu ihm in die Kochshow kommen möchte. Der hat was bei Amazon. Ich habe gesagt, dass ich nicht kochen könne, aber wenn, dann nur vegan. Und das haben wir dann so gemacht.

Aber ich muss zugeben, dass ich im Lockdown, weil ja alles geschlossen ist, eine Leidenschaft für das Kochen entwickelt habe. Das passt gar nicht zu mir, aber ich habe die ganze Zeit Sachen ausprobiert. Auch in Amerika, obwohl da ja viele Restaurants offen hatten, war ich einkaufen und habe selber gekocht. Man muss ja gesund und fit bleiben für die nächsten Gigs, Touren und Festivals.

Ist es nicht schwierig, sich auf Tour vegan zu ernähren?

Doro: Also früher war es ganz schwer. Da habe ich meistens nur Weißbrot gekriegt. Gerade in Südamerika. Die laden die Bands immer in irgendein Fleischrestaurant ein, wo es das beste Steak gibt.

Es war insgesamt schwer. Auch im Ostblock. Aber eigentlich finde ich immer was. Ich bin auch ein ganz genügsamer Mensch. Es braucht mir auch gar nicht so gut schmecken. Jetzt ist aber immer häufiger im Catering etwas Veganes dabei. Früher war es fast unmöglich, aber langsam kommt es. Die Leute sind mittlerweile offener dafür. Manche, wie der Vegan Black Metal Chef in Wacken, haben auch Bock darauf, Neues zu probieren.

In meiner Band bin ich aber der einzige Veganer. Aber man muss die Leute dafür sensibilisieren. Ganz vorsichtig muss man den Leuten klar machen, dass es besser für die Umwelt ist und die Tiere müssten nicht leiden. Manche probieren dann auch mal was anderes, aber es geht ganz langsam voran. Wir sind aber auch anders aufgewachsen. Damals war es mit der Ernährung ganz anders. Jetzt sind die jungen Leute viel offener dafür.

Wir hätten ein paar Schlagworte und würde dich bitte uns zu sagen, was dir spontan dazu einfällt.

Doro: Ok.

Rituale

Doro: Ich kenne Rituale vor den Auftritten und wir haben auch Rituale mit der Band. Wir geben uns immer eine Gruppenumarmung, so ähnlich wie beim Sport. Wenn es in den Dressingroom geht, gehe ich nochmal die Songs durch und ziehe die Bühnenklamotten an. Mache mich für den Kampf bereit (lacht).

Die Rituale vor der Show sind für uns ganz wichtig, auch wenn ich das nicht immer schaffe, weil ich Interviews oder Autogrammstunden habe. Und wenn es ganz hart auf hart kommt, bete ich auch nochmal. Wenn irgendwas ganz schwierig ist zum Beispiel. Oder, wenn man in einer gefährlichen Situation ist, was auch schon mal vorkommt auf Tour. Eigentlich ganz oft sogar. Da habe ich schon oft Wunder erlebt und wurde immer reichlich beschützt von meinen Schutzengeln. Beten hilft immer, wenn gar nichts mehr geht.

Ernährung

Doro: Ernährung ist für mich ganz wichtig geworden. Früher war es das nicht. Ich habe früher Kette geraucht, wie man das damals so gemacht hat in Düsseldorf in den 80ern. Ich habe nie was gegessen und nie geschlafen. Damals bin ich noch arbeiten gegangen und danach ging es direkt in den Proberaum. Ich habe nicht auf mich geachtet. Auch nicht auf die Ernährung. Man hatte damals gar nicht die Kohle dafür. Die reichte für Pommes aus der Pommes-Bude.

Mittlerweile bin ich ein Gesundheitsfanatiker, damit man die Tour durchsteht. Ich bin jetzt vegan und achte auf die Ernährung, Das ist schon wichtig. Ich rauche auch nicht mehr. Ich nehme auch keine Drogen und trinke nichts. Gut, ich trinke ganz minimal zum Feiern, zum Beispiel zu Silvester. Wenig Alkohol und nie Drogen. Ich habe wirklich nie Drogen genommen. Das ist wichtig, damit man fit bleibt.

Gibt es noch andere Dinge, die im Vergleich zu den 80ern anders sind?

Doro: Die Stimmung heute ist ganz anders. Die alte Stimmung sieht man heute eigentlich nur noch in Südamerika. Dass der Geräuschpegel schon hoch ist, bevor man auf die Bühne kommt. Der Happiness-Faktor ist dann schon bei 200. Ansonsten ist alles viel verhaltener geworden. Man muss sich viel mehr anstengen, um die Leute ganz nach oben zu holen, was früher in den 80ern ganz normal war.

Es hat sich schon viel verändert. Auch in Amerika. Damals als ich nach Amerika gegangen bin, das war 1986/87, waren alle fröhlich und haben sich kaputtgelacht. Das ist heute auch nicht mehr so. Im Allgemeinen hat sich die Stimmung in der Welt doch ziemlich gedämpft. In den letzten Jahren ganz besonders. Das merkt man auch als Musiker auf der Bühne. Es ist zehnmal anstrengender. Deswegen muss ich mich auch zehnmal mehr fit halten.

Werte

Doro: Werte sind mir ganz wichtig. Ich hatte das Glück, ganz tolle Eltern zu haben. Ich habe meinen Vater total geliebt. Der war mein bester Freund und er hat mir viele Werte beigebracht.

Meine Mutter natürlich auch, aber mit meinem Vater hatte ich ein noch engeres Verhältnis. Mein Vater war LKW-Fahrer und hatte ein Transportunternehmen. Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass es ganz wichtig ist, gewissenhaft zu arbeiten, immer am Start zu sein, sich nicht hängen zu lassen und gut mit den Mitmenschen umzugehen. Mein Vater war ein herzensguter Mensch. Ich hatte wirklich einen Super-Papa. Und dafür bin ich ewig dankbar. Von ihm habe ich die ganzen Werte. Das hat mir wirklich viel geholfen. Das gibt einem viel fürs Leben.

Ich weiß aber auch, dass viele Leute nicht so glücklich aufwachsen durften und nicht so ein tolles Elternhaus hatten.

Ich hatte viele andere Probleme, aber ich habe immer versucht ein grader Mensch zu bleiben und immer alles zu geben. Ich entscheide auch immer noch nach wie vor aus dem Herz, aus dem Gefühl heraus. Bauchgefühl. Instinkt. Das finde ich wichtig. Jeder Mensch weiß eigentlich, wie er sich als Mensch gut verhalten müsste. Ich habe auch immer ein großes Herz für andere Menschen. Deswegen mache ich auch diesen Beruf, wobei es für mich eigentlich gar kein Beruf ist. Es ist toll, dass ich überhaupt Musik machen kann und für andere etwas machen kann. Ich bin eigentlich ein Diener der Fans. Und alles was ich in der Kindheit mitgekriegt habe, kann ich gut gebrauchen.

Ich habe damals eine Lehre als Typographin gemacht. Ich wollte Graphikerin werden. Da habe ich einen ganz tollen Ausbildner gehabt. Der war Künstler und ein Kerl wie ein Baum mit riesigen Pranken. Der war Bildhauer und Maler. Von dem habe ich auch ganz viel gelernt. Das kann ich immer noch gut gebrauchen. Ich mache zum Beispiel immer noch gerne die ganzen Graphiken für die Cover und Poster.

Ich würde sagen, dass mein Vater und mein Ausbilder mir ganz, ganz tolle Werte vermittelt haben. Zu den Leuten gut zu sein, freundlich zu sein, offen zu sein, damit bin ich in der ganzen Welt gut gefahren. Mitgefühl zu haben ist auch ganz wichtig. Dieses findet man auch im  Wacken-Umfeld. Die Leute haben viel Mitgefühl, was sonst so in der Welt gar nicht mehr so selbstverständlich ist und häufig fehlt.

Wacken

Doro: Wacken ist für mich eine der wichtigsten Säulen im Leben. Schon von Anfang an. Ich bin froh, dass man da so eine Gemeinschaft hat. Ich bin superhappy und dankbar, dass ich so eine gute Verbindung zu den Veranstaltern habe, Holger Hübner und Thomas Jensen. Die haben mir schon so oft Support gegeben und Mut gemacht. Wir haben Ideen ausgetauscht. Wir haben viele, viele Projekte durchgezogen. Man kann sich auf den anderen 100%ig verlassen. Ich finde es auch toll, dass sie so einen langen Atem hatten. Manche Leute geben direkt auf, wenn es mal schwer wird. Bei den Beiden weiß man genau, die geben niemals auf. Die ziehen das durch – egal – Rain or Shine. Egal, ob die Welt untergeht, wir machen das.

Ich fand es auch so toll, als letztes Jahr Wacken nicht normal stattfinden konnte, dass sie sich dann was ausgedacht haben. Sie haben es ja virtuell gemacht. Das wurde in die ganze Welt übertragen. Wir durften auch dabei sein. Das war genial. Die Verbindung zu Wacken bringt mir persönlich als Mensch und uns als Band ganz viel. Das ist in jeder Hinsicht menschlich, unterstützend, weltverbindend und für mich was ganz Wichtiges. Und ich bin froh, dass ich fast von Anfang an dabei sein durfte. Das sind ganz tolle Partner und ein ganz toller Menschenschlag.

Schwarz

Doro: Ich trage immer gerne schwarz. Das mit dem Schwarz hat sich ja auch erst entwickelt. Das war in den 80ern nicht so. Wenn ich alte Fotos anschaue, dann hatten wir da noch farbige Klamotten an und Jeans in blau oder rot. In der Hair Metal-Zeit musste alles ganz bunt sein. Ich trage aber auch am liebsten Schwarz. Das ist meine Lieblingsfarbe. Man erkennt sich dadurch auch sofort. Früher waren das die Kuttenträger. Heute gibt es leider nicht mehr so viele Kuttenträger wie in den 80ern. Das vermisse ich total. Da wusste man sofort, das ist dein bester Freund. Heute erkennt man sich halt an den schwarzen T-Shirts mit den Bandlogos drauf.

In Schwarz ist man auch immer richtig angezogen. Man fühlt sich immer richtig dabei. Aber eigentlich muss es ja auch nicht sein. Es kann jeder so kommen, wie er will. Es ist alles kein Muss. Bei uns hat sich das einfach eingebürgert. Die ganze Band ist immer schwarz. Wir brauchen uns gar nicht absprechen, was wir für die Bühnenshow anziehen. Es sind eh alle in Schwarz.

Toleranz

Doro: Toleranz ist ganz wichtig. Als Musiker hat man ja die tolle Gelegenheit in der ganzen Welt unterwegs zu sein. Man muss die Leute dann so nehmen, wie sie sind. Das bereichert einen. Ich glaube, das lernt man erst, wenn man rumreist. Wenn man ewig in seinem Städtchen bleibt, dann kriegt man nicht so viel von der Welt mit. Ich finde, es ist wichtig, tolerant zu sein. Andere Mentalitäten, andere Nationalitäten. Jeder ist letztendlich Mensch und darauf kommt es an.

In den 90ern hatten wir einen Song, der hieß Bad Blood. Das war ein Song gegen Rassismus und Gewalt und für mehr Toleranz. Das Video wurde damals sogar ausgezeichnet von MTV als Bestes Video zu dem Thema. Ich habe den Song auch auf vielen Festival gespielt und auch mit anderen Künstlern, wie Udo Lindenberg beim Dortmund Open Air bei 10°C unter Null. Da bin ich das erste Mal mit einem Rollkragenpulli auf die Bühne gegangen, denn es war bitterkalt. 10.000 Leute haben den Song mitgesungen. Man muss da auch einfach mal ein Zeichen setzen.

Ich lebe ja die meiste Zeit in Amerika. Dort bin ich ja selbst Ausländer. Die Leute sind aber so nett zu mir und hilfsbereit. In der Musikerwelt ist das sowieso so, auch wenn man nicht dieselbe Sprache spricht. Da ist Toleranz eine Selbstverständlichkeit.

Alter

Doro: Alter ist nur eine Zahl. Wir machen ja gerade die Triumph and Agony Live CD und DVD und da habe ich alle möglichen alten Magazine durchforstet. Ich habe ein Magazin gefunden, da hieß es zum Monsters of Rock 1986: Die Abschiedstour von Ozzy Osbourne. Man dachte damals schon, dass er aufhören würde. Das Gleiche war beim Metal Hammer Festival 1989 in der Dortmunder Westfalenhalle. Da ging Ozzy auf Krücken und alle dachten, er würde es nicht mehr lange machen. Der war so fertig und sah so gebrechlich aus. Da hatte man wirklich Angst um ihn.

Wenn man aber das macht, was einen glücklich macht, wie Musik, kann man uralt werden. Lemmy ist sogar trotz seines Lebensstils 70 geworden. Es liegt viel an einem selber, ob man seine Bestimmung lebt und, ob man was aus seinem Leben macht.

Ich habe letztens für meine Patreon-Seite alte Materialien gesichtet. Patreon ist etwas Neues. Das ist wie ein Club, aber für die Die-Hard-Fans. Man bezahlt da monatlich einen Beitrag von ganz kleinen bis zu größeren Beträgen. Du bekommst dafür aber auch einiges. Spezielle Poster, Video-Calls, Meet & Greets oder einen Livetime-Backstage-Pass. Auch zu einer 1993er DVD bzw. VHS, die hieß Doro Live, habe ich die ganzen Backstage-Materialien auf Patreon getan. Und da hat mich ein Fan auf ein witziges Interview hingewiesen. In dem habe ich gesagt: Ich möchte mein Leben lang Musik machen, bestimmt bis ich 50 bin. Und jetzt bin ich schon weit drüber. (lacht) Wenn man ganz jung ist, kommen einem 50 so absurd vor.

Meinen ersten amerikanischen Manager habe ich kennengelernt, da war ich Anfang 20. Er fragte mich, was ich mir so vorstelle und was meine Vision sei. Ich habe dann gesagt, dass ich nach Amerika und weltweit touren will. Das möchte ich bis 25 machen und dann sterbe ich sowieso. Er fragte, wieso. Ich sagte: Ich bin jetzt schon fix und fertig. Er meinte, er sei 57 und man könne auch länger leben (lacht).

Ich dachte nur, dass mit 25 Schluss sei. Ich habe damals ja auch noch Kette geraucht. Ich habe nicht einmal geglaubt, dass ich den 27er-Club erreiche. Dann bin ich nach New York gegangen. Da meinte mein Manager, dass man uns erstmal in Form bringen müsse. Gesundheitlich vor allem. Er hat uns dann ein Jahr Zeit gegeben, um drüber nachzudenken, ob es uns das wert ist und, ob er Zeit in uns investieren soll. Ich sollte dann Sachen vorschlagen, die ich machen würde. Ich sagte, dass ich alles machen würde, um in Amerika durchzustarten. Er meinte dann, ich solle das Rauchen aufgeben. Das war damals für mich unvorstellbar. Ich würde alles machen, aber doch nicht das Rauchen ausgeben. Das gab ein richtiges Theater. Ich wurde dann zum heimlichen Klo-Raucher und alle wussten das. Die Road Crew und der Produzent mussten dem Manager immer rapportieren, wenn ich geraucht hatte. Und irgendwann habe ich dann doch mit dem Rauchen aufgehört. Das ist mir damals echt schwergefallen. Aber jetzt bin ich dankbar für all die Dinge, die ich umgestellt habe. Mehr auf die Gesundheit achten, nicht mehr rauchen und nicht mehr so viel Quatsch machen. Auf sich achten – das ist wichtig, damit man so lange wie möglich durchhält. Möglichst auch nach 25 oder 50 (lacht).

Ich finde, dass es keinen Unterschied macht, ob man Frau oder Mann ist. In anderen Musikgenres, wie im Pop-Bereich ist das vielleicht mehr ein Thema, aber im Metal nicht. Da fällt mir Jutta Weinhold ein. Die war ja schon aktiv, da hatte ich noch meine erste Kinderband. Es gibt so viel weibliche Musikerinnen oder Sängerinnen. Im Metal ist das nie ein Thema gewesen. Und das finde ich toll. In der Metalszene ist halt alles viel offener. Nicht so eng gesteckt.

Finanzen

Doro: Ein wichtiges Thema. Das Musikbusiness ist auf jeden Fall ein Haifischbecken. Das muss man wissen. Man sollte sich die Verträge auch mal vorher angucken oder von einem guten Anwalt angucken lassen. Das ist ganz wichtig, weil man als Musiker mit dem Kopf ja eigentlich nur bei den Fans, beim Musikmachen, Proben, auf Tour gehen oder Song schreiben ist. Man ist eben ein Kreativling. Man ist darauf angewiesen, dass man Profis an seiner Seite hat, die einen beraten. Das hatten wir ganz am Anfang nicht. Wir haben ganz viele Sachen unterschrieben, die man niemals hätte unterschreiben dürfen. Da waren am Anfang auch viele Leute dabei, die einen über den Tisch gezogen haben. Dafür bezahlt man ein Leben lang. Es gab auch ganz viele Knebelverträge fürs Leben. Solche Sachen sind heute gar nicht mehr erlaubt. Aber auch als kreativer Mensch ist es wichtig, auf die Finanzen zu achten. Irgendwann kommt man halt in Schwierigkeiten und dann geht gar nichts mehr. Das ist ein wichtiges Thema, das mich früher aber auch nicht interessiert hat. Ich wollte nie darüber nachdenken, aber das muss man. Wenn man oft genug auf die Schnauze fällt, kümmert man sich irgendwann drum. Sonst geht es ja nicht mehr weiter.

Es ist auch alles ein wahnsinniges Unterfangen. Für meine ganzen Jubiläumskonzerte haben wir uns ein Jahr drauf vorbereitet und haben Hallen angemietet. Wenn dann irgendwas schiefgelaufen wäre, wäre ich meines Lebens nicht mehr froh geworden. Deshalb war ich so froh, dass die Wacken-Leute miteingestiegen sind. Als Einzelmusiker hat man da ein ziemlich hohes Risiko.

Ich möchte dazu ein Beispiel nennen: Ich habe mein erstes Jubiläum, das 20-Jährige, in der alten Philips-Halle in Düsseldorf gefeiert. Da war Lemmy dabei. Und Saxon. Das war das erste Mal, dass ich was veranstaltet habe. Mit vielen Gästen und Bands. Finanziell dachten wir, es käme Plus-Minus-Null raus. Ich wollte nichts dran verdienen. Ich wollte nur, dass es total geil wird und das wurde es letztendlich auch.

Aber ein paar Leute, die im Publikum waren, haben Randale gemacht und wurden von der Security rausbefördert. Die sind aber nicht einfach gegangen, sondern waren vorher auf der Toilette und haben Waschbecken und Toiletten rausgerissen. Das musste ich dann alles bezahlen. Vandalismus kann man leider nicht versichern. Damals haben wir auch noch gar nicht an Versicherungen gedacht. Selbst wenn die Hütte voll ist, muss man sich dennoch um die Finanzen kümmern. Das ist ein leidliches, aber notwendiges Thema für jeden Musiker.

Es ist auch wichtig, vertrauenswürdige Personen an seiner Seite zu haben. Am Anfang haben wir viele Sachen gemacht – da waren wir noch Kumpels. Und auf einmal hat uns der beste Kumpel auf abgezogen, als wir ein ganz kleines Bisschen Erfolg hatten. Der lebt aber auch nicht mehr. Der ist damals abgehauen. In ein Land, in dem man keinen finden konnte und wurde letztlich umgebracht. Ich vermute, der hat die Falschen geärgert. Ich glaube, man kann im Musikgeschäft schnell auf die schiefe Bahn kommen, sobald etwas Erfolg kommt und einen die falschen Leute umgeben. Das geht ganz schnell. Früher liefen auch überall Drogendealer rum. Ich selber habe da auch viele Lektionen gelernt.

Umweltschutz

Doro: Das ist ganz wichtig. Bei uns fing das im Tourbus an. Irgendwann hat Johnny D., unser Drummer, der auch in Amerika unser Tourmanager ist und den Truck gefahren hat, am ersten Tag der Tour gesagt, wir hätten jetzt neue Regeln und wir würden jetzt alle Flaschen sammeln. Besonders die Leute, die immer ein Bier nach dem anderen trinken, stutzten erstmal. So haben wir schon vor 10 Jahren damit angefangen und ein Bewusstsein dafür entwickelt. Auch als Musiker macht man sich Gedanken und macht und tut, was man kann. Mülltrennung ist mittlerweile ganz normal. Dass man einen Tourbus fährt, ist ja leider unvermeidbar. Dass man fliegt, leider auch. Wir versuchen das dann anders wieder auszugleichen.

Gemeinschaft / Zusammenhalt  

Doro: Das ist das Allerwichtigste im Leben. Ich bin ja nicht verheiratet. Für mich sind die Metaller, die Metalheads, die Die-Hard Fans, die Wacken-Leute, meine Band, meine Road Crew meine Familie. Wir sind ganz eng verbunden und einer kümmert sich um den Anderen. Man kann sich auf den anderen verlassen, auch wenn es 6 Uhr morgens ist. Gemeinschaft ist ganz wichtig. Man tut alles für den anderen. Da ist einem nichts zu viel und nichts zu weit. Ich denke, was man selber gibt, kommt irgendwann zurück, wenn man mal in Not ist. Aber dafür mache ich es eigentlich nicht. Ich bin ein Mensch, der gerne gibt. Und wenn es hart auf hart kommt, kann ich mich auf den engsten Kreis verlassen.

Gesellschaftliche Verantwortung

Doro: Gerade in der heutigen Zeit ist das besonders wichtig. In den letzten vier Jahren habe ich in Amerika gemerkt, dass die Leute auf einmal ganz hart geworden sind. Das hat viel mit der Politik zu tun gehabt. Man ist als Mensch aber verantwortlich für seine Mitmenschen und für seine Umwelt. Es ist auch ganz wichtig, dass man sein Herz am rechten Fleck behält, egal welche Einflüsse es gibt und welche Dinge sich gerade abspielen. Ob es jetzt politisch ist oder mit einem Virus zu tun hat. Man muss stark bleiben und für das Gute kämpfen.

Bei manchen Musikern habe ich das leider anders erlebt. Die waren früher die nettesten Leute und auf einmal sind sie total abgedriftet durch das, was in Amerika in den letzten vier Jahren abging. Das war wirklich schlimm. Das lag an dem Präsidenten. Es gibt ja einen sehr prominenten Fall in der Metal-Szene. Man muss bei sowas auf dem rechten Weg bleiben und darf nicht abdriften. Ok, diese Leute denken ja, sie seien auf dem rechten Weg. Das ist einfach fatal.

Ich habe 20 Jahre in New York gewohnt und ich hatte einen Mitbewohner, der total nett war. Das war unser Ex-Drum-Roadie und ein Schlagzeuger. Ich mag den auch immer noch gern. Und irgendwann haben wir telefoniert und dann meinte er, dass er aus New York weggehen würde, weil es keine Arbeit mehr geben würde, obwohl es dieses Virus doch gar nicht geben würde. Und er meinte, dass wir nun zusammenhalten müssten, weil nur einer die Welt retten könnte. Ich fragte, ob das vielleicht Gott sei, aber er meinte Trump. Ich konnte das dumme Gerede echt nicht ertragen. Der war mal einer meiner besten Freunde, aber jetzt habe ich keinen Kontakt mehr zu ihm. Aber auch andere Tontechniker und Musiker sind da abgedriftet.

Familie

Doro: Familie sind für mich die Metalheads, meine Fans, meine Band, die ganze Wacken-Familie. Das ist für mich meine Familie. Dafür lebe ich. Dafür würde ich auch alles tun. Und das macht mich unendlich glücklich. Ich vermisse auch nichts, auch wenn ich nicht verheiratet bin und keine Kinder habe. Ich fühle mich in meiner Familie gut aufgehoben, geliebt, angenommen, akzeptiert und unterstützt. Was gibt es Besseres im Leben. Und das war schon vom ersten Tag an so. Viele fragten, wie das denn für mich als Frau sei, aber ich und die Fans waren schon ab dem ersten Gig eine Einheit. Da gab es direkt eine gute Chemie und man war tief verbunden. Vom ersten Gig an, noch vor Warlock-Zeiten, war das so. Und das war ein tolles Gefühl. Das kam aber natürlich raus. Ich habe da nie irgendwas gemacht oder mir was Spezielles ausgedacht. Das war einfach so und das finde ich so toll. Dass man so sein darf, wie man ist. So ist die Metalwelt. Metal bedeutet für mich Freiheit. Jeder darf machen, wozu er Lust hat. Die Metalszene ist auch eine ganz friedliche. Bis auf die vorhin erwähnten Aussetzer.

Aber im Allgemeinen sind das ganz friedliche Leute. Ich habe da noch nie eine Prügelei gesehen. Auch in Wacken nicht. Und wenn es mal eine Rangelei gibt, wird sich danach in den Arm genommen und ein Bier getrunken. So werden die Sachen ganz schnell geklärt. Da verhärten sich die Fronten gar nicht erst. Man kann ja anderer Meinung sein. Das ist ja legitim. So wie das auch bei uns in der Band ist. Jeder kann seine Meinung haben. Und wir kommen trotzdem schnell auf denselben Nenner. Das geht auch ohne Worte und kommt einfach vom Gefühl her. Das ist eine Ebene, die es im normalen Leben gar nicht so gibt – die gibt es wahrscheinlich nur unter Metalheads – etwas ganz Spezielles.

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Doro zu unserem Buchthema:

Doro: Diese Parallelgesellschaft funktioniert weltweit, mit allen Nationalitäten, mit allen Altersgruppen. Egal wo und wer. Das wäre ein Traum. Eine Traumwelt.

Interview: Lydia Polwin-Plass und Michael Gläser

WACKEN – das perfekte Paralleluniversum: Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann„, unser Buch über die Liebenswürdigkeit der Metalheads und den sozialen Aspekt der Metalszene, könnt ihr überall im Buchhandel oder signiert über info@metalogy.de bestellen.

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de