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Interview mit Herbie Langhans (Firewind, Avantasia, Radiant, Ryffhuntr, Sonic Haven, Beyond the Bridge, etc) – TEIL 4 Interview mit Herbie Langhans (Firewind, Avantasia, Radiant, Ryffhuntr, Sonic Haven, Beyond the Bridge, etc) – TEIL 4
Wir haben vor einigen Tagen mit Herbie Langhans ein zweistündiges Interview geführt. Aufgrund der Länge des Interviews veröffentlichen wir es als Serie in mehreren... Interview mit Herbie Langhans (Firewind, Avantasia, Radiant, Ryffhuntr, Sonic Haven, Beyond the Bridge, etc) – TEIL 4

Vor ein paar Tagen haben wir (Lydia und Michael von Metalogy) mit Herbie Langhans ein zweistündiges Interview geführt. Wegen der enormen Länge des Interviews veröffentlichen wir es als Serie in 6-7 Teilen. Im nachfolgenden vierten Teil erzählt Herbie von seinen Vorbildern, von seinen geplanten Projekten, seiner Stimmentwicklung und seiner Meinung über diverse Subgenres im Metal.

Du hast gerade von Alice Cooper gesprochen. Hast du gesangstechnisch ein Vorbild?

Herbie: Das ist schwierig. Ich habe über die Jahrzehnte immer verschiedene Vorbilder gehabt und daraus dann irgendwann meinen eigenen Stiefel gemacht. Ich fand irgendwie jedes Jahrzehnt jemand anderen cool. Wenn man als junger Sänger anfängt, fragt man sich: Wie will ich denn jetzt klingen. Dann denkt man ich will eigentlich klingen wie (Michael) Kiske. Ich will aber eigentlich auch rauer klingen, wie Thunderhead, die auch hier aus der Gegend kamen. Oder später wollte ich dann ganz klar klingen wie Jorn (Lande). Ich will eine Reibeisenstimme haben, will aber trotzdem auch noch in die Höhen kommen können. Irgendwie will ich alles behalten. Aber ich glaube durch diesen ganzen Mischmasch entwickelt man irgendwann seinen eigenen Stil und sagt: Jetzt klinge ich so, wie ich halt klinge. Aber man hat viele Vorbilder gehabt. Man guckt sich auch immer noch hier und da was ab. Gerade als ich damals die Cover-Sachen mit Ryffhunter gemacht habe. Durch das Covern entdeckt man ja auch seine Stimme ganz neu. Früher habe ich nie gecovert, aber durch Ryffhunter habe ich wieder ganz neue Facetten entdeckt. Dagegen war es bei Voodoo Circle ganz klar, dass ich da nicht als Metal-Sänger singen konnte. Dann habe ich da versucht ein bisschen bluesiger zu klingen. Da habe ich ein bisschen rumprobiert, wie ich ein bisschen bluesiger klingen und einen anderen Charakter reinbringen kann. So spielt man ja immer mit seiner Stimme. Und das ist das, was das Ganze so interessant macht. Ich finde es nach wie vor cool Sachen auszuprobieren. Bei „Draconian Love“ (Avantasia) habe ich geklungen wie noch nie. … Das habe ich vorher noch nie gemacht und das war total witzig. Da habe ich wirklich gedacht: Ach Mensch, du klingst ja lustig. Bei Ryffhunter fand ich ganz spannend nicht immer alles gleich zu singen. Ich hatte zum Glück auch nie klassischen Gesangsunterricht. Ich glaube, sonst würde ich immer klingen wie ein Musicalsänger. Ich mag es halt Sachen nachzumachen oder Stimmen zu imitieren. Beim Gesang ist das ja genau das Gleiche. Dann versuchst du halt mal total verpeilt zu klingen, wie Ozzy Osbourne, leicht versoffen. Oder du versuchst ein bisschen nasal zu singen, also mehr durch die Nase, wie ein Bon Scott. Irgendwie macht es Spaß solche Sachen mal zu probieren. So entdeckt man seine Stimme immer wieder neu.

Denkst du, dass Musiker in Sachen Verhalten eine Vorbildfunktion haben, z.B. in sozialer Hinsicht?

Herbie: Ich denke grundsätzlich, dass man, wenn man in irgendeiner Art in der Öffentlichkeit steht, eine Vorbildfunktion hat. Ich versuche schon immer wenn ich irgendetwas poste oder mich sonst irgendwie gebe, einfach kein Arsch zu sein. Ich versuche immer Fans und auch alle anderen mit Respekt zu behandeln. Meine Lieblingsfrage bei Interviews ist immer danach, was ich gar nicht mag. Da sage ich immer „Idioten“. Ich mag keine Leute, die sich als etwas besseres Darstellen und sich scheiße verhalten. Eine Vorbildfunktion hat man aber immer, denke ich. Gerade wenn man ein bisschen in der Öffentlichkeit steht. Ich versuche da immer ein möglichst guter Mensch zu sein. Das ist das, was ich selber irgendwie machen kann.

Es ist auch schön, wenn man von Leuten tolles Feedback bekommt, denen man durch die Musik richtig geholfen hat und die sich bei einem bedanken. Die kann man nicht einfach links liegen lassen. Auf die gehe ich gerne ein. Kontakt ist total wichtig, Und in meinem Fall ist es jetzt nicht so, dass ich jeden Tag 200 Fan-Mails bekomme. Das ist ja alles noch überschaubar. Daher kann ich das alles auch ganz gut bearbeiten. Aber auch vor oder nach Konzerten versuche ich den Kontakt zu wahren und nicht arrogant zu wirken, nur weil man da oben steht und die anderen unten vor der Bühne. Man hat zwar einen coolen Job, aber man ist trotzdem noch ein ganz normaler Mensch.

Andererseits hat man natürlich noch die Idol-Funktion, die man am Leben halten muss. So eine Art Bühnenfigur. Natürlich verhält man sich da ganz anders, als wenn man mit der Familie beim Kaffeekränzchen sitzt. Eine gewisse Bühnenfigur braucht man schon, um ein Idol-Bild zu haben. Die Fans mögen das ja auch. Aber wenn man so miteinander kommuniziert und zum Beispiel Fotos macht, dann versuche ich immer nett zu sein. Aber nicht, weil ich das spielen muss, sondern weil ich es mag, wenn man respektvoll miteinander umgeht.

Gibt es irgendwelche Metal-Strömungen oder Sub-Genres, die dir nicht so sehr zusagen?

Herbie: Ja, mit Sicherheit. Man kann ja nicht immer alles mögen. Womit ich persönlich gar nichts anfangen kann und das ist vielleicht auch meinem Alter und meinem Musikstil geschuldet, ist die Neue (Deutsche) Härte. Damit kann ich überhaupt nichts anfangen. Das geht musikalisch und gesanglich, wenn man das so nennen kann, komplett an mir vorbei. Mit solchen Bands kann ich halt nichts anfangen. Ich konnte auch noch nie etwas mit einer Band, wie Rammstein anfangen. Ich weiß, dass die einen unglaublichen künstlerischen Aspekt haben und, dass die wahnsinnige Shows haben, aber musikalisch geben die mir halt gar nichts. Wenn eine Band nicht auch in einem Club funktionieren kann, dann gefällt sie mir halt nicht. Ohne das ganze Drumherum wäre Rammstein nicht Rammstein. Das ist halt ein Zirkus. Das ist auch ein ganz anderer Fankreis. Ich will das auch gar nicht verurteilen. Ich sage halt nur, dass ich das nicht mag.

Das ist auch das, was es in der Metalszene schon immer gab. Wozu ich immer sage: „Seid ihr denn bekloppt. Warum reitet ihr denn immer aufeinander rum?“ Die Thrasher zum Beispiel finden die Melodic Metaler total soft. Weichspülmusik. Ich musste damals immer aufpassen, dass ich nicht sage, dass ich ein Edguy-Fan bin. Das war für viele Pussy-Metal. Absoluter Weichspülkram. Ich fand die aber immer cool. Da musste man sich vor Metalheads teilweise rechtfertigen, dass man solche Musik hört. Gut, heute höre ich die auch nicht mehr. Heute bin ich wieder etwas mehr Oldschool, mehr Hardrock und bluesiger unterwegs bei dem, was ich privat höre. Aber dass man damals so dermaßen aufeinander wegen dem Musikstil rumgeritten ist, war schon seltsam. Die ganzen True Metaller schimpften auf die Kalkleisten, die sich mit ihren Schwertern in den Wäldern in Norwegen verirrten. Die Akzeptanz war damals noch nicht so groß.

Wenn man die Leute aber hinten rum mal trifft, ist alles ganz anders. Den Schlagzeuger von Cradle Of Filth kenne ich schon lange und ich habe mit ihm in einer Band gespielt. In einer tschechischen Band. Und der ist halt live, wenn der mit Cradle Of Filth geschminkt auf der Bühne steht, komplett anders, als wenn man ihn privat kennt. Der ist ein völlig lieber, ruhiger, netter Kerl. Ich kenne ihn jetzt auch schon seit über zehn Jahren. Wir haben damals zusammen bei Symphonity einige Konzerte und Festivals zusammen gespielt. Damals hat er parallel auch schon bei Cradle Of Filth gespielt.

Aber was die Akzeptanz in der Metalszene anbetrifft, ist das immer noch etwas schwierig. Man kann sagen, die mag ich oder die mag ich nicht. Aber jedes Mal darüber herzuziehen? Baby Metal, Freedom Call, Regenbogen, Einhörner – solange die Fans haben und es denen Spaß macht, ist doch alles gut. Aber gerade die, die auf den ganzen Pussy Metal schimpfen, liegen sich auf den Festivals dann in den Armen, wenn die Rockballade kommt. Bei den Balladen von Avantasia schwingen sie auch alle die Hände mit, ob sie nun weiß geschminkt sind oder nicht. Und mitsingen können sie auch komischerweise alle. Wenn es ans Herz geht liegen sich dann doch alle wieder in den Armen.

Avantasia_Fulda 2019 © Lydia Polwin-Plass

Glaubst du, dass die Metalheads die raue Schale nur nach außen tragen?   

Herbie: Ich glaube, dass ist einerseits wahr. Nach dem Motto: Harte Schale, weicher Kern. Aber ich denke auch, dass gerade in der Metal- und Rockszene immer noch eine gewisse Anarchie herrscht. Man will sich nicht in irgendwelche Schablonen packen lassen. Im Pop- oder im Schlager-Bereich musst du immer ein bestimmtes Klischee erfüllen. Du darfst nicht zu viel geben. Du darfst aber auch nicht zu wenig geben. Du musst die Leute unterhalten können. Aber im Metal- und Rockbereich erzählen die wirklich, was sie berührt. Die sagen: „Ich scheiß auf den Kommerz. Ich muss nicht alle damit berühren.“ Wenn sich nur ein Teil davon angesprochen fühlt, dann fühlen die sich aber auch richtig davon angesprochen. Ich schreibe nicht einen Text, weil ich irgendwas vorgegeben bekommen habe oder ich eine bestimmte Publikumsmenge erreichen und eine bestimmte Schablone ausfüllen muss. Ich kann tatsächlich das schreiben, was ich möchte. Und das kommt dann auch schon mal von ganz tief unten. Das ist auch der Grund, warum die Balladen viel mehr Gefühl haben (als im Pop oder Schlager). Weil es nicht gespielt ist und weil sie das erzählen, was sie wirklich bewegt.

Du hast schon bei ganz vielen verschiedenen Projekten mitgemacht. Gibt es immer noch etwas, das du gerne mal machen würdest, einen bestimmten Plan für die Zukunft?

Herbie: Ja, ich wollte eigentlich schon ewig – und wahrscheinlich machen wir das auch irgendwann – eine Scheibe mit dem Sascha (Paeth) machen. Das soll dann eine Platte für Erwachsene werden, wo ich nicht die ganze Zeit rumbrüllen muss und wo man mal richtig chilligen Rock macht. Ich hätte mal Lust darauf, nicht immer mit der Stimme ans Limit gehen zu müssen. Das kann man ja auch nicht ewig machen. Das würde ich gerne mal etwas zurückfahren und was Rockiges machen. Ich werde jetzt natürlich keine Pop-Scheibe machen, aber möchte irgendwann mal etwas gechillteres machen. Einfach gute Musik, wo man nicht immer voll nach vorne gehen muss. Das kann ich mir irgendwann vorstellen. Auf jeden Fall rede ich mit Sascha schon seit fünf, sechs Jahren darüber, dass wir irgendwann mal eine Scheibe zusammen machen. Die wird dann ein bisschen ruhiger. Eher Fahrstuhlrock.

Soll das was für die älteren Metalheads – zum Beispiel in die Jahre gekommene Iron Maiden Fan der 80er –  werden, die auch nicht mehr so Vollgas geben können oder wollen und mit den Jahren etwas bequemer wurden?

Herbie: Ja. Das soll halt was Chilliges werden, ohne dass man sich immer so verausgaben muss. Ich merke ja auch, dass mir das jetzt schwerer fällt als noch vor 20 Jahren. Aber das ich einfach nur, dass man mal was Chilliges machen möchte. Das soll jetzt nicht heißen, dass das was ich derzeit mache alles doof ist. Ich möchte halt einfach irgendwann mal eine gemächlichere Platte machen.

Aber was die alten Bands angeht, sehe ich eigentlich eher eine Gefahr darin, wenn die alle irgendwann mal wegsterben. Ich finde, es kommen gar nicht so viele Headliner nach, weil dieser ganze Musikboom und die ganze Musikindustrie das ja gar nicht mehr zulassen. Das ist ja heute das Problem. Früher haben die Fans teilweise vor Plattenläden übernachtet, um am nächsten Morgen die neue Platte zu kaufen. Heute gibt es die schon drei Tage vorher auf YouTube. Und auf Spotify haben sie für 15 Euro im Monat eigentlich alles. Man kann ja gar nicht mehr so einen großen Kult als Band entwickeln. Man schafft es als Band gerade so sich am Leben zu halten. Aber so ganz große Bands sehe ich auch irgendwie gar nicht mehr. Ich habe ein bisschen Angst davor, was in den nächsten 20 Jahren passiert. Ich weiß zwar, dass ich auch irgendwann mal keine Musik mehr machen werde, aber 30 Jahre hoffentlich schon noch.

Denkst Du, dass Festivals, wie Wacken, die Macht hätten, neue Headliner heranzuziehen, weil sie entsprechende Slots vergeben?

Herbie: Auf jeden Fall haben die die Macht und die Position dazu. Im Moment können sie das auch noch ausschlachten, weil es noch große Namen gibt, die man immer als Headliner positionieren kann. Ich bin ehrlich gesagt auch nicht jedes Jahr vom Line-up aller Festivals begeistert. Das ist irgendwie alle zwei Jahre das Gleiche. Da spielt dann schon wieder dieser oder jener Headliner. Ich glaube, ich habe Judas Priest schon drei Mal in Wacken spielen sehen, obwohl ich noch gar nicht so oft da war. Aber irgendwann sind diese Bands weg. Und was kommt dann? Ich meine, die machen ja auch alle nicht mehr lange. Da müssten so langsam mal neue nachkommen. Ich meine, Iron Maiden füllen seit über 30 Jahren kontinuierlich Stadien. Aber solche Mammuts gibt es halt nicht mehr. Wie AC/DC, Aerosmith, Iron Maiden, Metallica. Solche großen Bands gibt es nicht mehr. Die versuchen auch alles noch auszuschlachten, wie Journey oder Foreigner. Da gibt es einen neuen Sänger und man versucht das Ganze so lange wie möglich am Laufen zu halten. Aber irgendwann sind die dann weg. Ich meine, es gibt viele geile Bands. Viele coole und größere Bands. Aber, wie gesagt, die Szene oder die Musikindustrie lässt es ja gar nicht mehr zu, dass man so einen Riesen-Status erreichen kann. Die Plattenverkäufe sind ja auch nur noch ein Bruchteil von dem, was es mal war.

Lest in den nächsten Tagen Teil 3 der 6-teiligen Interviewserie mit Herbie Langhans auf METALOGY.

Hier der bereits veröffentlichte 1. Teil.

Und hier Teil 2.

Und Teil 3.

Und hier unser Interview aus 2018.

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de