Interview mit Herbie Langhans (Firewind, Avantasia, Radiant, Sonic Haven, Beyond the Bridge, etc) TEIL 1
InterviewsNews 19. Juni 2020 Lydia Dr. Polwin-Plass
Michael und Lydia von Metalogy haben mit Herbie Langhans ein zweistündiges Interview geführt. Aufgrund der Länge werden wir es in mehreren Teilen als Serie veröffentlichen. Im ersten Teil erzählt Herbie unter anderem von der Wichtigkeit der Message in seinen Texten, von der Lage der Musiker in der Corona-Krise, von seinen neuen Projekten und wie es dazu kam, dass er Henning bei Firewind ablöste.
Hi Herbie, schön dich wiederzusehen. Wow, dass du jetzt bei Firewind bist, ist großartig! Gratuliere! Wie hat sich das ergeben?
Herbie: Freut mich auch sehr. Also, da hat sich das Label AFM bei mir gemeldet und gefragt ob sie Kontakt zu Gus G herstellen können, denn der sucht einen Sänger für ein Projekt. Am gleichen Abend habe ich noch mit Gus telefoniert und das Projekt war Firewind, die jetzt neu bei AFM sind. Henning wollte aussteigen und so haben sie nach einem coolen Sänger gesucht, der für ihn einspringen kann. AFM hat gesagt: Fragt doch mal den Herbie. So kam das dann. Nach dem Telefonat mit Gus hab‘ ich ihm dann ein Demo eingesungen, das er ziemlich cool fand. Es gab nur einen Haken: wir mussten Mitte Januar schon mit dem neuen Album fertig sein. Ich hatte also einen Monat gut zu tun. Zwischendurch eine kurze Pause mit Weihnachten und Neujahr, aber sonst haben wir den Monat ziemlich straff durchgearbeitet. Ich hab‘ noch viele Texte dazu geschrieben und immer parallel aufgenommen mit kleinen Änderungen zwischendurch, so dass wir Mitte Januar alles durch hatten. Denn dann mussten wir auch schon das Studio abbauen, da dann mein Umzug nach Hannover auf dem Plan stand. Bis dahin hatten wir alles unter Dach und Fach.
Dann kam der Umzug und dann habe ich auch schon gleich das nächste Projekt gestartet mit Sonic Haven. Das ist eine ganz neue Band, die über Frontiers Records Italien entstanden ist. Die haben mich letztes Jahr gefragt, ob ich nicht für sie ein Projekt starten will. Dann habe ich letztes Jahr eine Band aus Leuten, die ich schon gut kenne und mit denen ich schon zusammenarbeitet habe, zusammengestellt. Unter anderem der Andre Hilgers von Bonfire, Rage, Silent Force und Dömsen (Dominik Stotzem). Ab März hab` ich dann da Vollgas gegeben, bis etwa Mitte Mai, dann waren wir mit Sonic Haven mit allem durch, mit allen Aufnahmen, mit Mastering und Artworks, etc. So dass ich jetzt grad ein bisschen Luft habe, ein bisschen Zeit zum Durchatmen und mich jetzt auch schon wieder auf kleinere Studioprojekte vorbeireiten kann, die ich auch zwischendurch parallel immer ein bisschen gemacht habe. Und dann noch das Vocal-Coaching, das ich ja anbiete.
Aber jetzt sitz‘ ich hier mal gemütlich, die Sonne scheint und trinke einen Kaffee mit euch.
Du warst bei Firewind also in das Songwriting involviert?
Herbie: Genau. Einige Songstrukturen mit einigen Melodien waren bereits fertig. Aber ich habe viel zum Album beigesteuert, auch Melodien und Songideen. 70% der Texte stammen auch von mir.
Und bei Sonic Haven?
Herbie: Das ist meine eigene Band, auch da habe ich den Großteil der Texte geschrieben. Auch Carsten (Stepanowicz), der auch bei Radiant dabei ist, hat 3 Songs für das Album geschrieben. Ich wollte, dass alle autark arbeiten können, möglichst unkompliziert. So dass am Ende nur alles zusammengeführt werden muss. Das hat ziemlich gut geklappt. Wir mussten uns eigentlich nur 1 x beim Fotoshooting im Januar treffen, ansonsten müssen wir erst wieder für den Dreh des Videoclips persönlich zusammenkommen.
Wie wichtig ist dir die Message beim Texteschreiben?
Herbie: Die ist mir schon ziemlich wichtig. Komischerweise habe ich erst vor 3-4 Jahren angefangen Texte selber zu schreiben. Ich hatte ja auch lange keine eigene Band am Start. Eigentlich fing das erst an mit Voodoo Circle, dass ich Texte geschrieben hab, dann bei Radiant und Sonic Haven. Da ist auch so eine persönliche Leidenschaft entstanden, die geholfen hat, mehr Aussage in die Texte zu bringen. Ja, die Message ist dabei schon sehr wichtig.
Und Texte schreiben fällt mir immer noch etwas schwerer als Songs zu schreiben. Macht aber auch Spaß.
Wovon handeln die Texte dann vorrangig?
Herbie: Das ist recht unterschiedlich, aber eigentlich sind das selten Drachen-, Ritter- und Fantasy- Texte, sondern eher aus dem echten realen Leben gegriffen. Dinge, die man mitbekommt aus den Nachrichten, soziale Missstände, darüber, dass wir in der Coronazeit mehr zusammenhalten müssen – die Musiker haben zum Beispiel eine ganz tolle Community. Eigentlich Alltagsgeschichten, Beziehungsgeschichten. Auch wie ich meine Frau kennen gelernt habe, habe ich in die Texte verpackt. Eigentlich alles, was mir selber wichtig ist. Selten ist es etwas Fiktives. Ich versuche mich selber in den Texten wiederzufinden, versuche aber die Texte so zu schreiben, dass sie auf jeden und auf jede Situation passen können. Damit auch jeder etwas damit anfangen kann.
Hast du das auch so erlebt, dass in der Metalszene ein besonderer Zusammenhalt herrscht?
Herbie: Ich finde schon, dass es einen besonderen Zusammenhalt in der Metalszene gibt. Vielleicht auch in der Musikszene grundsätzlich. Auch jetzt merkt man das, irgendwie unterstützen sich die Musiker gerade gegenseitig. Das merkt man zum Beispiel auch bei uns. Meine Freundschaft zu Oliver Hartmann von Avantasia. Wir wollten zum Beispiel seine neue CD nicht kostenlos haben, sondern kaufen. Als er durch einen Fehler im Webshop erfahren hat, dass wir sein Album kaufen wollen, hat er gemeint: “Ihr müsst die doch nicht kaufen, wir sind doch Freunde.“ Und ich hab‘ gesagt: „Nein gerade jetzt ist es doch wichtig, das wir uns gegenseitig unterstützen.“ Hat er gemeint: „ok, aber dann pack ich noch was drauf.“ Dann haben wir sie gekauft und er hat uns gleich seinen ganzen Pack up Katalog mitgeschickt.
Man unterstützt sich auch bei Social Media etwas mehr, wenn einer was postet, versucht man das mehr zu teilen und sich gegenseitig zu pushen.
Ich hab da auch bei Hilfsprojekten mitgemacht, bei den Corona-Editions, wo verschiedene Musiker Videos zusammen machen wie „We are the World“ mit ungefähr 20 verschiedenen Sängern. Man merkt schon, dass alle den Kontakt suchen und man hilft sich definitiv gegenseitig. Das ist eine große Familie, einige davon kennt man persönlich, aber prinzipiell ist der Zusammenhalt untereinander schon sehr groß. Auch der Umgang untereinander ist sehr persönlich meistens. In der ganzen Szene eigentlich, auch wenn man miteinander schreibt. Durch die ganzen ausgefallenen Tourneen und Festivals ist das jetzt für viele echt doof. Für alle Musiker ein riesen Problem. Ich hab‘ das Glück nicht nur auf live angewiesen zu sein, aber durch Live fällt halt auch finanziell ein großer Teil weg, auch bei mir.
Kennst du Musiker, die so richtig in Not geraten sind durch Corona?
Herbie: Persönlich zum Glück keine, die so richtig schlimm in Not geraten sind. Viele können sich mit Studiosachen über Wasser halten. Für Coverbands, die auf Live angewiesen sind, ist das aber extrem doof zur Zeit. Wie die das grad machen, weiß ich nicht, aber ich stelle mir das schwierig vor. Ohne Unterricht oder Studiojobs, ist das sicher schwer. Auch für die ganzen Crew-Leute ist das sicher heftig grad. Wie zum Beispiel bei Avantasia, die sind ja eigentlich immer unterwegs, zwei Drittel des Jahres auf Tour und da bricht natürlich für viele richtig was weg. Einige werden sicher in Hartz 4 gehen müssen oder Arbeitslosengeld beziehen.
Vom Staat kommt ja für uns gar nichts, aber die GEMA unterstützt uns grad toll. Hab da auch etwas bekommen. Damit hatte ich gar nicht gerechnet, war sehr schön. Man kann sagen ein Viertel meiner Live-Einbußen wurde mir von der GEMA geschenkt.
Vom Staat werden ja leider eher Großkonzerne gerettet als Künstler.
War das große Sprungbrett für dich eigentlich die Zusammenarbeit mit Avantasia und geht das auch weiter?
Herbie: Ja, das war es auf jeden Fall und das geht auch weiter. Wäre auch für dieses Jahr viel geplant gewesen, aber das geht halt leider grad nicht. Die ganzen Jubiläumsshows fallen flach. Es wäre ja das 20 jährige Jubiläum gewesen. Aber jetzt muss halt dann das 21. Jubiläum gefeiert werden. Eigentlich wurden alle Festivals einfach um ein Jahr verschoben, und genau so wie sie für dieses Jahr geplant waren. Vielleicht kommt ja nächstes Jahr noch mehr dazu.
Wenn was mit Avantasia geplant ist, hat das für mich auch immer noch Vorrang. Da bemühe ich mich, mir das frei zu schaufel, damit ich mitmachen kann.
Zu Avantasia bin ich eigentlich durch Sascha reingerutscht, denn den kenne ich schon seit 20 Jahren und hab auch schon ganz viele Sachen mit ihm gemacht, Studiojobs und Demos eingesungen. Backing Vocals, Chöre, etc. hab ich schon ganz viele aufgenommen. Rhapsody, Kamelot, und alle möglichen anderen Bands. Von daher kenne ich ihn schon sehr lange.
Zu Avantasia bin ich eigentlich durch ein Demo, das ich eingesungen habe, reingerutscht. Zuerst wurde ich angefragt für die Backings und die Chöre. Und dann hat mich Sascha gefragt ob ich ein Demo einsingen könnte für „Draconian Love“. Sollte eigentlich nur ein Demo werden, weil sie ein paar bestimmte Sänger dafür haben wollten, aber dann kam von allen angefragten kein Feedback und dann hat Sascha gemeint, es könnte sogar sein, dass der Song wie am Demo auf‘s Album kommt: Und tatsächlich hat Tobi gesagt: „Die Nummer ist so geil und die kann wahrscheinlich eh keiner besser singen als Herbie , also dann packen wir das so aufs Album und fragen ihn auch gleich, ob er mit auf Tour kommen will.“
Und dann hatte ich auch gleich einen Leadspot auf dem Album. Und der wurde auch zweite Single. Das war ein super Einstieg für mich. Besser hätte es gar nicht laufen können. Und auf der Tour hat man sich halt dann bewährt und dann war klar, dass ich auch auf dem nächsten Album dabei bin und bei den nächsten Konzerten und Touren. Und jetzt bin ich quasi ein festes Mitglied der Band.
Dass du deinen Weg machst, war immer klar, du hast dir das sowas von verdient, herzliche Gratulation auch noch mal zu deinem Beitritt zu Firewind.
Herbie: Danke, ja, das war ein langer Weg, aber ich hab‘ da ganz, ganz viel dem Sascha zu verdanken. Denn er hat immer viele Sprungbretter möglich gemacht. Er ist dabei immer sehr bescheiden und sagt, das wäre alles mein Verdienst, aber ich habe ihm wirklich sehr viel zu verdanken. Ich wäre an Vieles ohne ihn gar nicht rangekommen.
Du bist ja auch Vocal Coach, gibt es bei den ganzen Sängern, die bei Avantasia mitwirken jemanden, der dich besonders beeindruckt?
Herbie: Ja, die sind eigentlich alle cool, aber ich bin nach wie vor ein riesen Jorn Lande Fan. Der hat mich so richtig umgehauen damals mit der ersten Masterplan. Seitdem bin ich ein riesen Jorn Fan.
Aber es hat jeder seine eigene Technik, gerade wenn man vom Vocal Coaching ausgeht. Also zum Beispiel ein Jorn, oder ein Bob (Catley), ein Eric (Martin) oder ein Ronnie (Atkins) singen ganz anders als Geoff (Tate). Geoff hat eine ganz eigene Gesangstechnik oder auch Sound.
Beeindrucken tut mich total Jorn, er ist einer meiner absoluten Lieblingssänger. Und auch Ronnie wie der teilweise Sachen raushaut, wo er schon halb am Sterben ist, aber wie er das dann nach so vielen Jahren noch macht. Ich hab‘ großen Respekt.
Jeder hat auch mal seinen schlechteren Abend oder ist stimmlich nicht auf der Höhe, oft auch gesundheitlich auf so langen Touren, da ist immer irgendwas. So 100%ig können nie alle funktionieren. Aber die Vielfalt macht es ja grad bei Avantasia aus. Jeder hat seinen völlig anderen Stil. Eigentlich hat jeder Sänger, der dabei ist, seinen komplett eigenen, persönlichen Stil.
Lest in den nächsten Tagen Teil 2 der 6 teiligen Interviewserie mit Herbie Langhans auf METALOGY.
Und hier unser Interview aus 2018.
https://metalogy.de/interview-mit-herbie-langhans-saenger-bei-beyond-bridge-sinbreed-und-ryffhuntr/
Headerbild: Kommodore Johnsen
Lydia Dr. Polwin-Plass
Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de