

Metal-Review: BENT KNEE – YOU KNOW WHAT THEY MEAN
Neue Scheiben, Film- und BuchtippsNews 3. November 2019 Reviews

BENT KNEE haben ihrer virtuosen Kreativität mal wieder freien Lauf gelassen. Das Resultat hieraus ist „You Know What They Mean“. Dabei haben zwei prägende Ereignisse in 2018 ihre Spuren hinterlassen, die die Band zusammenschweißten. „You Know What They Want“ entstand durch Improvisation und kompositorische Experimente aller sechs BENT KNEE-Mitglieder und wurde ein hochkreatives, komplexes und gleichzeitig mitreißendes Art-Rock-Meisterwerk.
BENT KNEE wurden 2009 am Berklee College of Music gegründet, wodurch 2019 die erste Dekade der hochkreativen und innovativen Art-Rock-Truppe aus Boston abschließt. In 2018 hatte die Band mit zwei Unfällen umzugehen, die die sechs Mitglieder aber umso stärker zusammenschweißte. Zum einen brach sich Drummer Gavin Wallace-Ailsworth bei einer Show im Juni 2018 den Knöchel und fiel für mehrere Monate aus. Als zweites hinterließ ein Unfall, bei dem sich der Van der Band überschlug, aber zum Glück niemand ernstlich verletzt wurde, seine Spuren in der Gemütslage der Bandmitglieder. Durch beide Ereignisse wurde die zwischenmenschliche Dynamik bei BENT KNEE stärker in den Fokus gerückt als je zuvor.
Gitarren-Virtuose Ben Levin beschreibt den Effekt dieser beiden Ereignisse auf die Band: „We have a very dynamic relationship, so with the tribulations of Gavin breaking his leg and our van incident, in terms of how we dealt with them there were no negatives. When the van flipped over there was no selfishness; it was just, ‘Let’s solve this!’ At the same time we had also gone through what I can only call a difficult interpersonal patch, simply because we realized just how very important Gavin is to all of us. In some ways it was like starting over from scratch, as while he was recovering we had to work out how we’d function as a band again, having lost someone.”
Einen mehr pragmatischen Ansatz zog BENT KNEE´s charismatische Sängerin und Keyboarderin Courtney Swain aus den Unfällen: „With both accidents we were forced to move onto the next thing. For better or worse, I didn’t have much time to dwell on either event, and I feel that we were really lucky that the bad things that have happened to us felt like they could have been much worse.”
Statt sich aber im Leid des Schicksals zu winden, starteten BENT KNEE damit, auf neuen kreativen Wegen mit einer direkteren musikalischen Vision ein neues Opus zu kreieren, „You Know What They Mean.“ Ziel dabei war eine große Veränderung des Sound, die bereits für „Land Animal“ geplant war, aber nach Meinung der Bandmitglieder im Nachhinein betrachtet nicht erreicht wurde. Produzent, Sound-Designer und Synthesizer-Spieler Vince Welch erklärt: „The song forms [on the new album] are greatly simplified from anything we’ve done before. It’s more riff-driven, more song-oriented, with focus on such as the vocal melody. We’ve created the songs in a more simple way, at least more than any album we’ve made before, and it’s certainly more groove-oriented.“ Gitarrist Ben Elvin ergänzt: „Yes, the riffs themselves are perfectly crafted and weren’t conceived as demos in someone’s bedroom, already sounding good in a live capacity when first played. They’re such huge riffs that we were immediately able to build on them, whereas previously it was like solving a puzzle in trying to turn a demo into a Bent Knee song.”
Der Zauber der Songs auf „You Know What They Mean” entspringt schließlich der künstlerischen Symbiose dieser Riffs mit dem unglaublichen, charismatischen und ausdrucksstarken Gesang von Courtney Swain, die durch ihre Dramatik und emotionale Stärke gleichzeitig die virtuose Experimentierfreudigkeit der Band unterstreicht. Der Song „Bone Rage“ ist das perfekte Beispiel für dieses Zusammenspiel.
Die musikalische Bandbreite der Songs auf „You Know What They Mean“ ist einfach enorm. Die Bezeichnung Art-Rock wird Songs „Hold Me In“, „Egg Replacer“, „lovemenot“, „Catch Light”, „Garbage Shark“ oder „It Happens” nur bedingt gerecht. Die in den Big Nice Studio in Lincoln, Rhode Island aufgenommenen Songs bieten so viel Innovatives, so viel Kreativität und Experimentelles, dass sie sich kaum in eine Kategorie pressen lassen. Zudem wurde ein bunter Strauß von Einflüssen wie Rock, Pop, Avant-Garde, Electronica, Jazz, und sogar R’n’B eingearbeitet. So lassen sich die Songs zwischen kraftvoll, energisch, gefühlvoll, psychedelisch, avantgardistisch oder mitreißend beschreiben und man hätte immer noch nicht alle Facetten der klanglichen Bandbreite abgedeckt. Violinist Chris Baum erklärt dazu: „Everything that’s been generated for the album has been from the six us going through improvisational and compositional experiments in the studio It all started together. We haven’t allowed ourselves to bring in any outside musicians either, so it’s the first record we’ve made with just the six of us.” BENT KNEE haben aber auch sehr zugängliche Momente eingebaut. „Cradle Of Rock“ fällt zum Beispiel eher unter die Rubrik Heavy-Pop und „Bird Song“ gefällt dazu als gefühlvolle Ballade. Auch das anfänglich förmlich einschwebende „Golden Hour“ weiß den Hörer als emotionsgeladener Rock-Pop-Song gewaltig zu packen.
Von den Texten her bleiben BENT KNEE intelligent, literarisch und poetisch, ändern aber ihren Blickwinkel. Der Blick auf die Welt ist umfassender geworden und die Last, die auf jedem Einzelnen liegt, rückt in den Vordergrund. Bassistin Jessica Kion erklärt den Ansatz:
„I feel that what I’ve personally come to it with, what is best for me, is not to be reminded of the state of our country or the world, but rather to be reminded of the things that I love. Of course, when Trump was elected I thought, ‘How do you make art about this?’ but I think it’s much more important to get people feeling good again.”
Insgesamt hat “You Know What They Mean” absolutes Meisterwerk-Potential. Die Songs von BENT KNEE in Worten zu beschreiben ist enorm schwierig, da sie der Musik, der Kreativität und der künstlerischen Klasse darin nicht gerecht werden. Daher ist kann man einfach nur jedem sehr ans Herz legen, in dieses Album reinzuhören und sich auf eine experimentelle Reise zu begeben.
Anspieltipps: Give Us The Gold, Hold Me In, Cradle of Rocks, Catch Light.
Tracks
- Lansing 01:22
- Bone Rage 04:13
- Give Us The Gold 03:51
- Hold Me In 04:50
- Egg Replacer 03:10
- Cradle Of Rocks 04:00
- Lovell 01:27
- lovemenot 05:10
- Bird Song 02:56
- Catch Light 04:39
- Garbage Shark 05:38
- Golden Hour 05:51
- It Happens 05:05
Line up:
Chris Baum – Violin, Vocals
Jessica Kion – Bass, Vocals
Ben Levin – Guitar, Vocals
Courtney Swain – Lead Vocals, Keyboards
Gavin Wallace-Ailsworth – Drums
Vince Welch – Sound Design, Production
Review: Michael Glaeser
Veröffentlichungstermin: 11.10.2019
Label: InsideOut Music
Hörprobe auf Youtube von „Hold Me In“: