Metalogy.de - Das Magazin für Metalheadz
Leichte Unregelmäßigkeiten im Herzschlag weisen auf gesunden Körper hin – Neues Verfahren zur Messung der Lebenserwartung von Infarktpatienten Leichte Unregelmäßigkeiten im Herzschlag weisen auf gesunden Körper hin – Neues Verfahren zur Messung der Lebenserwartung von Infarktpatienten
Aufschlussreiche Unregelmäßigkeiten: Leichte Unregelmäßigkeiten im Herzschlag weisen auf einen gesunden Körper hin. Eine klinische Studie belegt einen starken Zusammenhang zwischen diesem Phänomen und... Leichte Unregelmäßigkeiten im Herzschlag weisen auf gesunden Körper hin – Neues Verfahren zur Messung der Lebenserwartung von Infarktpatienten

Aufschlussreiche Unregelmäßigkeiten: Leichte Unregelmäßigkeiten im Herzschlag weisen auf einen gesunden Körper hin.  Eine klinische Studie belegt einen starken Zusammenhang zwischen diesem Phänomen und der Überlebensaussicht von Herzinfarktpatienten. Das neue Messverfahren könnte schon bald in Arztpraxen eingesetzt werden.

Ein Forschungsteam der Technischen Universität München (TUM) hat sich dazu einen Effekt zunutze gemacht, der zunächst paradox scheint: Leichte Unregelmäßigkeiten im Herzschlag weisen auf einen gesunden Körper hin. Aus der Herzfrequenz  lassen sich demnach Rückschlüsse auf die Lebenserwartung eines Menschen ziehen. Bei jedem Einatmen schlägt das Herz eines gesunden Menschen geringfügig schneller. Beim Ausatmen wird es wieder langsamer. Grund dafür ist, dass beim Einatmen ein Effekt abgeschwächt wird, der das Herz normalerweise auf ungefähr 60 Schläge pro Minute im Ruhezustand herunterregelt. Dieses Phänomen ist unter der Bezeichnung respiratorische Sinusarrhythmie bekannt. Das bedeutet durch Atmen ausgelöste Unregelmäßigkeit im Sinusknoten, dem Nervenbündel, das dem Herz den Takt vorgibt.

Bekannt ist das Phänomen bereits seit dem 19. Jahrhundert. In der Vergangenheit wurde mehrfach versucht, aus der Ausprägung der Arrhythmie Rückschlüsse auf die Lebenserwartung von Patienten zu ziehen. Wenn der Körper geschwächt ist, etwa durch einen Herzinfarkt, sind die Unterschiede in der Herzfrequenz beim Ein- und Ausatmen nämlich deutlich geringer. Bisher konnte aus den gewonnenen Daten jedoch kein Messwert gezogen werden, um auf die Lebenserwartung schließen zu können. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern um Prof. Georg Schmidt, Leiter der Arbeitsgruppe Biosignalverarbeitung am Klinikum TUM, haben nun aber eine Methode gefunden, die genau das kann.

Atemzyklus und Herzfrequenz – Es geht um den entscheidenden Moment

Während in den meisten früheren Studien der gesamte Atemzyklus in Bezug zur Herzfrequenz gesetzt wurde, konzentrierte sich das Team nun jedoch auf das Ausatmen. Genauer gesagt, auf den Moment, in dem die Herzfrequenz normalerweise wieder heruntergebremst wird. „Mit unserem Ansatz greifen wir gewissermaßen chirurgisch den Moment heraus, in dem das Entscheidende  stattfindet“, sagt Georg Schmidt.

Bei gesunden Menschen schwankt der Herzrhythmus beim Ein- und Ausatmen, Grafik: ediundsepp

Bei der Analyse der Herzfrequenzdaten half ein Algorithmus, den die Wissenschaftler bereits 2006 in einem Beitrag im Fachmagazin Lancet vorgestellt hatten. Das Verfahren macht die respiratorische Sinusarrhythmie messbar. Vereinfacht gesagt rechnet es andere Quellen für Variationen des Herzrhythmus aus den Daten, die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes gesammelt werden heraus. Der Algorithmus bildet einen Mittelwert aus den Daten, der sich in einem Kurvendiagramm darstellen lässt.

Durch unsere Methode wird unser Bild vom Funktionszustand des Körpers viel schärfer“, sagt Dr. Daniel Sinnecker, Erstautor der Studie. „Es gibt bisher keine andere Methode, die so spezifisch die vagale Funktion herausarbeitet.“ Die vagale Funktion, also die Aktivität des Vagusnervs, ist unter anderem dafür verantwortlich, dass die Herzfrequenz bei gesunden Menschen wie oben erwähnt heruntergeregelt wird. Der Vagusnerv beeinflusst viele weitere Prozesse im Körper, seine Aktivität lässt sich jedoch nicht direkt messen.

An mehr als 900 Patientinnen und Patienten getestet

Im Rahmen der Studie wurden bei fast 950 Herzinfarktpatienten wenige Tage nach dem Infarkt Atemzyklus und Herzrhythmus gemessen. Daraus wurden Werte für die respiratorische Sinusarrhythmie abgeleitet. Die Testpersonen wurden fünf Jahre lang alle sechs Monate untersucht. Das Ergebnis: Herzinfarktpatienten, deren Arrhythmie schwächer ausgeprägt war, waren vestärkt gefährdet innerhalb des Beobachtungszeitraumes zu sterben. Bei den untersuchten Personen mit gering ausgeprägter Arrhythmie lag die Sterbewahrscheinlichkeit am Ende des Fünfjahreszeitraums fast fünf Mal so hoch, wie bei Menschen mit stärkeren atembedingten Unregelmäßigkeiten.

Erschienen ist die Studie im Journal of the American College of Cardiology. Aktuell laufen zwei weitere klinische Studien unter Mitwirkung der TUM, in denen die respiratorische Sinusarrhythmie bei verschiedenen Personengruppen untersucht wird. In einer von ihnen (EU-Cert-ICD) werden diverse Behandlungsstrategien bei Menschen mit Herzschrittmachern untersucht. Die andere (INVADE) begleitet ältere Menschen mit und ohne Herzkrankheiten. Schmidt und sein Team hoffen, dass deren Ergebnisse bestätigen, dass ihre Methode einen verlässlichen und von anderen Werten unabhängigen Risikoindikator darstellt.

Ein möglicher nächster Schritt sei es, mithilfe der Methode Behandlungsstrategien auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen. Wenn sich im Laufe einer Behandlung die Werte eines Patienten oder einer Patientin verbesserten, könne man schlussfolgern, dass auf die richtige Therapie gesetzt wurde.

Alltägliche Anwendung bereits sehr realistisch

Die neue Methode könnte schon bald flächendeckend eingesetzt werden. „Wir sind von einer alltäglichen Anwendung nicht weit entfernt, das Verfahren ist weitgehend fertig“, sagt Georg Schmidt. Technische Hürden gäbe es kaum. Da mittlerweile darauf verzichtet werden könne, neben der Herztätigkeit auch die Atemfrequenz zu messen, genüge im Grunde genommen ein modernes EKG-Gerät. „So könnte auch der Hausarzt innerhalb von zehn Minuten die Sinusarrhythmie untersuchen.“ Bei weit über 80 Prozent der Patienten lasse sich die Methode sinnvoll anwenden, sagt Schmidt. Unabhängig davon, ob die Untersuchten kürzlich einen Herzinfarkt erlitten hätten oder nicht, könne mit der neuen Methode, in Kombination mit anderen Indikatoren, das Gesundheitsrisiko bewertet werden. Bei manchen Betroffenen ließe sich so ein verstecktes Risiko erkennen und etwa ein Defibrillator einsetzen. „Darüber hinaus verringert es die Kosten von Behandlungen, weil unter Umständen überflüssige Maßnahmen vermieden werden“, sagt Georg Schmidt.

Quelle: TECHNISCHE UNIVERSITÄT MÜNCHEN (TUM)

Originalpublikationen:

D. Sinnecker, M. Dommasch, A. Steger, A. Berkefeld, P. Hoppmann, A. Müller, J. Gebhardt, P. Barthel, K. Hnatkova, K. M. Huster, K. Laugwitz, M. Malik, G. Schmidt, Expiration-Triggered Sinus Arrhythmia Predicts Outcome in Survivors of Acute Myocardial Infarction, Journal of the American College of Cardiology 2016;67(19). DOI: 10.1016/j.jacc.2016.03.484.

A. Bauer, J. Kantelhardt, P. Barthel, R. Schneider, T. Mäkikallio, K. Ulm, K. Hnatkova, A. Schömig, H. Huikuri, A. Bunde, M. Malik, G. Schmidt, Deceleration capacity of heart rate as a predictor of mortality after myocardial infarction: cohort study, The Lancet, Volume 367 , Issue 9523 , 2006. DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(06)68735-7

Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als 500 Professorinnen und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 39.000 Studierenden eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, ergänzt um Wirtschafts- und Bildungswissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.

www.tum.de

Grafik: Headerbild :  ediundsepp

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de