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Interviewserie 2020 mit MAIK WEICHERT von HEAVEN SHALL BURN – TEIL 1 Interviewserie 2020 mit MAIK WEICHERT von HEAVEN SHALL BURN – TEIL 1
Lydia und Michael von Metalogy haben ein fast zweistündiges Interview mit Maik Weichert geführt, Gitarrist und kreativer Kopf der sensationellen Metalcore /Melodic Death Metal... Interviewserie 2020 mit MAIK WEICHERT von HEAVEN SHALL BURN – TEIL 1

Lydia und Michael von Metalogy haben ein fast zweistündiges Interview mit Maik Weichert geführt, Gitarrist und kreativer Kopf der sensationellen Metalcore /Melodic Death Metal Band HEAVEN SHALL BURN. Wir veröffentlichen das Interview als Serie in mehreren Teilen. Im ersten Teil erzählt Maik vom Erfolg des neuen Albums, von den Liveplänen der Band, von de Situation der Musikbranche während der Corona-Pandemie und den Besonderheiten der Metalszene.

Maik, schön dich wiederzusehen, wie geht’s dir, hast du Corona bisher gut überstanden?

Maik: Gut, ich war grad auf Urlaub in Rügen, das war sehr schön.

Wie ist das für euch, das neue Heaven Shall Burn Album noch nicht live gespielt zu haben?

 Maik:Das ist schon schade, darum geht’s ja, dass wir noch mehr neue Songs auf die Playlist drauf pappen und da müssen wir jetzt auch noch schauen, wer was spielt, denn das ist ja, wenn man das aufnimmt, noch nicht so ganz klar verteilt. Man muss da eine Liveversion draus machen.

Of Truth and Sacrifice“ geht ja wie die Hölle gell?

Maik: Bis jetzt geht‘s gut. Also kann man nicht meckern, super in Anbetracht der Umstände und dass man natürlich auch nicht live promoten kann. Wir sind auf jeden Fall zufrieden.

Was ist die wichtigste Aussage des neuen Albums?

Maik: Die wichtigste Aussage – es ist gar nicht so sehr eine Aussage, als mehr eine Betrachtung – wie sie ja im Titel schon drin steckt. Es geht um dieses Verhältnis zwischen Wahrheit und Opferbereitschaft. Das ist ja aktueller denn je, wie legt man sich die Wahrheit zurecht oder was ist man bereit für die Wahrheit zu opfern. Eine ganz aktuelle Frage  – mehr denn je. Eine Zeitgeistfrage auf jeden Fall. Also das ist so der springende Punkt des Albums denk‘ ich.

Und wenn jetzt die Corona Krise vorbei ist, was sind dann die ersten Tourpläne für das Album?

Maik: Ja, also zuerst werden wir natürlich die Releaseshows nachholen, die Leute haben dafür auch schon Karten gekauft, das ist das erste was wir nachholen werden. Aber ich denke nicht, dass das dieses Jahr noch passieren wird, da bin ich schon relativ pessimistisch, denn nach allem was man so über das Virus herausgefunden hat, dürfen keine größeren Versammlungen stattfinden.

Ich hab jetzt gesehen dass manche Veranstalter die Termine beibehalten und einfach ein Jahr verschieben. Auch bei den Festivals, die übernehmen oft das für 2020 geplante Programm und verschieben das um ein Jahr. So wird das wahrscheinlich bei euch auch sein, oder?

Maik: Ja, also jetzt vielleicht nicht mit den Touren oder den Shows, die holen wir schon möglichst bald nach, aber bei vielen Festivals sind wir auch um ein Jahr verschoben worden mit demselben Line up. Eigentlich bei allen Festivals für die wir dieses Jahr angekündigt waren. Die haben hier einfach die 0 durchgestrichen und eine 1 auf das Plakat gemacht. Das ist ja auch für die Leute wichtig, die für genau dieses Line up bezahlt haben. Da sollten die Veranstalter natürlich auch bestrebt sein dieses Line up auch zu bieten. Das wird sicherlich nicht in allen Fällen möglich sein – gerade was die ganz großen Headliner betrifft – die haben ja teilweise Buchungsvorläufe von 4-5 Jahren. Wie zum Beispiel Iron Maiden, die wissen auch schon wo sie 2023 und 24 spielen werden.

Maik, kennst du Musiker die durch die Corona Krise richtig in Not geraten sind?

Maik: Jetzt direkt Musiker, Künstler wenn du von denen redest, die auf der Bühne stehen, kenne ich niemanden der akut in Existenznot geraten ist. Aber die gibt es sicher. Ich kann im Gegenteil einige nennen, die mit den Soforthilfen so viel Geld auf dem Konto haben, wie sie noch nie hatten. Also das muss man schon ganz ehrlich sagen. Allerdings natürlich ist es auch die Frage wie man die Soforthilfen ausgeben darf. Denn zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs soll es wohl nicht gedacht sein. Wenn man das so sieht, dann gibt es schon Leute, die in Existenznot geraten sind. Allein von der persönlichen Existenznot her. Wenn man jetzt von der Band oder einem großen Act als wirtschaftliches Unternehmen ausgeht, da gibt es sicherlich einige die sich in Schwierigkeiten befinden. Auch weil sie teilweise Angestellte haben. Auch bei uns ist das so, man selber kommt schon irgendwie über die Runden. Wir haben ne Platte veröffentlicht man verkauft auch T-Shirts und so weiter und meist geht das schon irgendwie aber wenn man jetzt nicht wie wir auch noch einen anderen Job hätte, dann würde es schwierig werden. Der Vorteil bei uns ist, dass wir alle noch normale Berufe haben, aber bei Bands wo noch ganz viele andere Leute mit dran hängen, da hat man schon sein sehr mulmiges Gefühl. Was Techniker angeht, die man eigentlich für Touren gebucht hat, die wurden auf 0 gegen die Wand gefahren. Von einem sehr guten Verdienstniveau und das ist schon extrem schwierig. Also deshalb ist es die Veranstaltungswirtschaft, also die ganzen Leute die das Equipment stellen, die ihre persönliche Arbeitskraft zur Verfügung stellen und so, da wird besondere Hilfe gebraucht werden. Die kreativen selber, die Leute die auf der Bühne stehen, da seh‘ ich es en Gros nicht ganz so akut.

Deshalb finde ich es auch ein bisschen schade, dass sich nicht allzu viele Künstler mit der Veranstaltungsbranche solidarisieren, also wirklich Künstler vom ganz großen Kaliber. Ich hab jetzt noch nicht von Grönemeyer, Lindenberg oder Helene Fischer gehört – vielleicht machen die ja irgendwie für ihre Angestellten und Freelancer im Stillen was gemacht, das will ich denen nicht absprechen – aber dass die jetzt die Stimme erheben für die Branche an sich, hab ich bis jetzt wenig gehört aus der Künstlerschaft. Besonders von renommierten Künstlern. Aber das ist natürlich auch ein PR Ding. Das ist ja keine positive Botschaft, die man da sendet und die Leute können auch Corona-Probleme nicht mehr hören. Deshalb halten sich da irgendwie viele Künstler auch zurück.

Wird das insgesamt die Musikindustrie verändern?

Maik: Wenn die ganze Krise nur mehr einen Moment andauert, wird sich da nicht viel ändern. Die sitzen alle jetzt in den Startlöchern und warten, dass sie so weitermachen können wie bisher, was auch völlig in Ordnung ist. Wenn es noch viel länger so weiter geht, dann werden sich bestimmte Strukturprobleme zeigen und zu Veränderungen führen, das ist klar. Auf jeden Fall im negativen Sinne im Hinblick auf eine Monopolisierung sicherlich, es werden dann einige auf der Strecke bleiben. Ich denke sogar nicht so sehr an die Veranstalter oder wahrscheinlich auch nicht so sehr an Clubs oder so, aber innerhalb der Veranstaltungsbranche bestimmte Anbieter wie Equipmentverleiher und so weiter, da wird es für einige dann sehr eng werden denk ich. Und dann kommt es darauf an wer den längeren Atem und die meisten finanziellen Ressourcen hat. Da wird eine Bereinigung stattfinden das ist auch ein bisschen das Problem, dass es in der Veranstaltungsbranche noch eine Art Konkurrenzkampf gibt. Warum sollte ein Equipmentverleiher traurig sein, wenn es dem Konkurrenten viel schlechter geht. Damit sich einige zusammenzuschließen, dazu steht noch nicht allen das Wasser weit genug bis zum Hals.

Wer sich absolut seine Meriten im Moment wirklich verdient, das sind einfach die Fans und Musikliebhaber, die ihren Club und ihre Bands unterstützen. Da ist immer noch eine Welle der Solidarität, die man nicht hoch genug schätzen kann. Davon bin ich wirklich beeindruckt, das muss ich ehrlich sagen. Wenn zum Beispiel Fans über Start Next oder sonstwie Geld einsammeln oder Karten gekauft werden für Shows, die es noch gar nicht gibt. Das muss man den Leuten schon wirklich sagen, dass sie da ganz große Hilfe leisten.

Verkauft ihr mehr Merchandise zur Zeit?

Maik: Nein, wir verkaufen im Moment sowieso mehr Merchandise, da wir ja grad eine Platte rausgebracht haben. Deshalb kann ich die Frage nicht wirklich beantworten. Ob dieser Anstieg irgendwie auf die Situation und auf eine Solidarisierung zurückzuführen ist, oder weil wir einen Haufen neue T-Shirt-Motive haben und jemand sowieso ein T Shirt gekauft hätte, weiß ich jetzt nicht. Ob er das aus Solidarität kauft oder weil er die neue Platte geil findet – mir wäre Ersteres wahrscheinlich lieber – aber das merkt man natürlich nicht, da müsste man eine Kundenumfrage starten.

Was ist deiner Ansicht nach das Besondere an der Metal Szene im Gegensatz zu anderen Musikszenen oder überhaupt den anderen Leuten? 

Maik: Das ist für mich schwierig zu beantworten, da ich noch nicht so sehr in der anderen Subkulturen unterwegs war. Ich habe jetzt keine wissenschaftlichen Vergleichspunkte oder kenne irgendwie jemanden, der das irgendwie mal soziologisch aufgedröselt hat. Ich kann nur von meinem Standpunkt aus reden, was ich an der Metal Szene schätze. Ich schätze da besonders diese Diversität, also das Universum, in dem man sich bewegen kann, in dem man existieren kann, aber in dem es trotzdem so viel Diversität gibt, die trotzdem nur eine Unterart einer besonderen Oberart ist, der man sich insgesamt zugehörig fühlt. Das macht es für mich besonders reizvoll, denn das ist nicht wie in der katholischen Kirche: ich muss auf den Papst hören, sondern ich bin Metal Fan und ich kann Band A scheiße finden und Band C genial und dennoch gehörst du zur Metalszene und bist Metaller. Das finde ich besonders interessant, dass es da immer wieder viel zu entdecken gibt.

Und auch die Kampagne zu unserer Platte hat ja auch deutlich gemacht, dass trotz aller Genregrenzen inmitten dieser Metal Szene, wenn jemand von außen auf diese Szene zugreift, wie kürzlich Pietro Lombardi einfach so lachse Statements gemacht hat, dann ist dieser Support auf einmal von allen da. Ganz egal, ob irgendein Speed- oder Power Metal Fan HSB eigentlich scheiße findet, da hat jemand in seinen Metalgarten gepisst und das geht nicht. Da wird sich sofort solidarisiert und dann ist das Ganze dann doch irgendwie ne ganz große Community die sich auf ihre gemeinsamen Wurzeln besinnt. Das finde ich besonders beeindruckend und das gefällt mir immer am meisten.

Und dann eben auch, dass es nicht, was weiß ich, wie in deutschen Tennis- und Golfclubs irgendwie ein bestimmtes Klientel ist oder zum größten Teil ein bestimmtes Klientel, sondern dass man auf dem Wacken Open Air immer auf ein buntes Klientel trifft. Vom Universität Professor bis zum Arbeitslosen – was ja manchmal auch das gleiche ist – echte Diversität an Menschen. Stinkkonservative bis zu ultralinken Leuten, die dann trotzdem zusammen feiern können. Das ist, denk‘ ich, schon was Besonderes an dieser Art von Subkultur.  

Und denkst du, dass die Gesellschaft etwas von uns lernen kann?

Maik: Ja, also sich auf einen übergeordneten Sinn oder ein Ziel zu orientieren oder zumindest sich dieser gemeinsamen Wurzeln in einem bestimmten Wertekanon zu erinnern, davon kann die Gesellschaft ganz besonders was lernen. Weil eigentlich ist ja das Grundgesetz mit seinen Staatszielbestimmungen und seinen Grundrechten auch so aufgebaut, damit es diesen gemeinsamen Wertekanon gibt. Doch das entsolidarisiert sich eben immer weiter und Leute spucken mittlerweile auch offen drauf. Auch Politiker fangen an Sachen herumzudiskutieren, die eigentlich in unserem Grundgesetz verbrieft sind. Man hat zum Beispiel wieder angefangen zu diskutieren ob es verschiedene Arten von Asylrecht gibt, obwohl das in der Verfassung überhaupt nicht so formuliert ist – also das nur als Beispiel. Das kann man, denke ich, dann von solchen Subkulturen lernen, dass es bei aller Diversität, die sein muss, trotzdem diesen Grundwertekanon im Hinblick auf bestimmte Sachen gibt, an denen nicht gerüttelt werden kann.

Auch diese musikalische Toleranz in bestimmten Bereichen, die die Entstehungsgeschichte des Heavy Metal unantastbar macht. Du wirst ganz, ganz wenige Leute in der Metal Szene finden, die irgendwas Negatives über Black Sabbath oder Lemmy oder Rock‘n‘ Roll sagen. Weil das einfach die gemeinsamen Wurzeln sind da ist es egal ob du ein Gothic oder Metal Fan bist oder du ein Metal Core Kid fragst. Diese gemeinsamen Grundfesten, die existieren in solch einer Szene eben noch. Dass die nicht erodieren, das ist der große Unterschied zu der Gesellschaft im Gesamten und das ist denk ich das was man als etwas Besonderes betrachten sollte, wenn man da Gewinn haben möchte bei der Betrachtung der Subkultur gegenüber der gesamten Gesellschaft.

Das war der erste Teil unserer Interviewserie mit Maik Weichert.

Interview-Serie 2020 mit MAIK WEICHERT von HEAVEN SHALL BURN – TEIL 2.

Und hier TEIL 3 unseres Interviews mit MAIK von HEAVEN SHALL BURN.

Und Teil 4

 

Und hier könnt ihr unser Interview aus 2018 lesen.

Pressefoto: HSB_Press_Credits_Candy Welz

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de