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Interview mit WITHIN TEMPTATION Frontfrau SHARON DEN ADEL 2020 – Teil 1 Interview mit WITHIN TEMPTATION Frontfrau SHARON DEN ADEL 2020 – Teil 1
Die sympathische Within Temptation Sängerin und Frontfrau Sharon den Adel hat auch in diesem Jahr wieder ein langes und sehr spannendes Gespräch mit Michael... Interview mit WITHIN TEMPTATION Frontfrau SHARON DEN ADEL 2020 – Teil 1

Die sympathische Within Temptation Sängerin und Frontfrau Sharon den Adel hat auch in diesem Jahr wieder ein langes und sehr spannendes Gespräch mit Michael und Lydia geführt. Diesmal erzählte sie uns im ersten Teil des Interviews vom neuen Video „Purge“ und dessen Message, vom Songwriting während der Corona Pandemie, vom Erfolg des letzten Albums „Resist“ und ihren Gefühlen dazu, über das Besondere an Metalheads und ihrer Beziehung zum Wacken Open Air.

Hi Sharon. Vielen Dank, dass du dir wieder Zeit für ein weiteres Interview mit uns nimmst.

Ihr habt gerade ein neues Video „The Purge“ veröffentlicht. Kannst du uns etwas darüber erzählen?

Sharon: Ja, wir haben es während der Corona-Zeit vor ein paar Wochen gedreht. Es war ganz anders als wir es sonst machten, weil jeder Abstand halten musste. Ich habe die Band lange nicht gesehen, aber ich war da, um beim Styling und allem möglichen zu helfen. Ich war also montags da und alle kamen getrennt voneinander, weil nicht zu viele Leute auf einmal da sein durften. Und alle haben Masken getragen. Das war schon irgendwie seltsam. Eine ungewohnte Art ein Video zu drehen. Das Video davor – das „Entertain You“-Video – hatten wir noch vor Corona gedreht. Es war eine außergewöhnliche Erfahrung. Und ich war froh, alle von der Band mal wiederzusehen. Außer Stefan, der noch in Schweden war. Seine Video-Aufnahmen wurden dort gemacht. Aber es war schön, mit den anderen mal wieder in einem Raum zusammen zu sein. Das ist schon etwas Anderes als immer nur miteinander zu telefonieren.

Kannst Du uns etwas über die Message des Videos sagen?

Sharon: In „The Purge“ geht es um Selbstreflektion. Als Musiker suchst du immer nach Geschichten, die du erzählen kannst. Du bist ein Geschichtenerzähler. Du reflektierst dich auch selber mehr als andere, weil du ständig an Geschichten und Probleme denkst. Du denkst an Dinge, die in der Gesellschaft, in deinem eigenen Leben und deinen Freunden passieren. Und du analysierst das alles ständig. Du denkst ständig in Geschichten und wie du dich selber ausdrücken kannst. Das ist alles miteinander verbunden. Durch die Pandemie kam nun alles auf einmal zum Stehen. Ich habe viele Leute um mich herum mit der gleichen Reaktion gesehen, wenn man plötzlich viel Zeit hat.

Sie hatten plötzlich viel Zeit zur Selbstreflektion. Normalerweise führen besondere Ereignisse zur Selbstreflektion, wie eine Geburt oder der Tod eines Familienmitglieds oder wenn sie einen Burn Out haben. Dann nehmen sie sich die Zeit nachzudenken. Ich habe das Gefühl, dass durch die Pandemie viele Leute um mich herum plötzlich gemerkt haben, in was für einem Hamsterrad wir alle stecken. Das Leben nimmt einfach seinen Lauf und manchmal verliert man die Übersicht. Dann triffst du Entscheidungen und schaust irgendwann zurück auf diese Entscheidungen.

Und darum geht es in dem Song. Dass es immer Entscheidungen gibt, von denen du denkst, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt richtig waren und vielleicht auch immer noch richtig sind, aber auch einen großen Einfluss auf das Leben anderer haben. Es geht darum, den Schmerz, den man bei anderen hervorruft, zu erkennen. Manchmal geht das Leben einfach weiter, man trifft eine Entscheidung und wählt einen bestimmten Weg. Man findet seine Entscheidung richtig und möchte sich nicht mit anderen Aspekten dieser Entscheidung aufhalten. Wenn du dann aber erkennst, wie du das Leben anderer damit beeinflusst, kann das zu einer Belastung werden. Dann musst du etwas dagegen tun.

In „Purge“ geht es also um Entscheidungen, die du getroffen hast und darum, den Schmerz anzuerkennen, den du bei dir selbst und bei anderen hervorgerufen hast. Es geht um eine Art Säuberung der eigenen Seele. Darum geht es auch in dem Video. In Südamerika gibt es dieses Ritual, bei dem du etwas trinkst und dadurch in eine hypnotische Trance fällst. Du machst das mit deinen Freunden und dabei kommt vieles an die Oberfläche. Es wird gemacht, um seine Seele von der Belastung zu befreien und um Wiedergutmachung für die Entscheidungen, die man getroffen hat, zu leisten.

Arbeitet ihr gerade an einem neuen Album und denkst du, dass die Pandemie das Songwriting beeinflusst?

Sharon: Wir arbeiten gerade an neuem Material. Dazu hatten wir uns bereits entschlossen, bevor die neue Tour geplant wurde, die wir eigentlich dieses Jahr machen wollten. Durch die Absage der Tour haben wir natürlich mehr Zeit, um mehr Songs zu schreiben. Wir hatten eigentlich geplant, zunächst nur zwei Songs zu schreiben und diese während der Tour zu veröffentlichen. Wir hatten ja gerade erst eine große Tour gehabt und wir hatten das Gefühl, dass wir etwas Neues für die Tour mit EVANESCENCE rausbringen müssten, um nicht nur alte Songs zu spielen. Auch wenn unser aktuelles Album letztes Jahr rauskam. Aber da wir jetzt viel Zeit haben, schreiben wir umso mehr Songs. Vielleicht wird daraus auch ein neues Album. Aber was wir eigentlich schon vor der Pandemie beschlossen hatten, ist, dass wir zukünftig eher aktuell und zu bestimmten Zeitpunkten etwas veröffentlichen wollen, ohne ein Album zu haben.

Das haben wir bisher nicht gemacht und es mag sich etwas merkwürdig anfühlen. Der traditionelle Weg ist ja, dass man ein Album macht und vorab ein paar Singles veröffentlicht. Wir hatten aber das Gefühl, dass man heutzutage, bei dem großen Angebot an Musikplattformen, mal etwas Neues ausprobieren und für die Veröffentlichung andere Wege nutzen sollte.

Viele andere Musiker aus anderen Genres, wie Dance oder Pop-Musik, bringen oft einfach einen Song raus, ohne dass es ein Album dazu gibt. Was mir daran gefällt, ist, dass du einen Song veröffentlichen kannst, wenn du ein bestimmtes Gefühl mit einem Song ausdrücken möchtest und einen Drang verspürst, dich mitzuteilen. Es ist schade, wenn du erst zwei Jahre später alle daran teilhaben lassen kannst, erst wenn der Song auf einem Album veröffentlicht wird.

Jetzt sind wir mehr im Hier und Jetzt. Wir denken, dass andere dadurch einen besseren Zugang dazu bekommen, weil es im Moment ist. Ich denke auch, dass Musik, wie jede andere Kunst, auf vielen Dingen basiert, die drumherum passieren, und dass es da eine Beziehung gibt.

In einem anderen Interview hatte ich letztens über das „Mother Earth“-Album gesprochen. Da habe ich gesagt, dass das Schreiben von Musik durch andere Kunst beeinflusst wird. Zum Beispiel von Malerei oder Schauspielerei. Viele Themen, die dort aktuell sind, übernimmst du in deine Musik. Das hängt häufig zusammen. Auch die Atmosphäre oder der Sound werden beeinflusst. Als wir das „Mother Earth“-Album aufgenommen hatten, waren gerade „Herr der Ringe“ und „Braveheart“ und viele epische Sachen aktuell. Und so war auch die Musik episch. Das hing alles miteinander zusammen. Und das geht schon seit Jahrhunderten so. Die Musik, die wir jetzt machen, ist mehr eine Reflektion der Gesellschaft und was vielen Leuten derzeit passiert.

Wie kam euer aktuelles Album „Resist“ bei den Fans an und wie denkst du jetzt über das Album, nachdem du Zeit hattest darüber nachzudenken?

Sharon: Ich mag das Album wirklich. Ich bin wirklich glücklich darüber, wie es geworden ist. Es gibt natürlich immer Songs oder Teile von Songs, die du anders gemacht hättest, wenn du mehr Zeit gehabt hättest, daran zu arbeiten. Aber insgesamt bin ich wirklich sehr glücklich darüber.

Das Album handelte ja davon, was in das Gesellschaft passiert, wie Persönlichkeitsrechte verletzt und zum Beispiel Großkonzerne oder Regierungen wie in Polen, den Frauen das Abtreibungsrecht nehmen wollen.

Es geht um die Freiheit, zu tun, was man will und sein Leben auf möglichst demokratische Art zu leben. Das Album handelt davon, dass vieles in der Welt immer undemokratischer wird. Es gab viele soziale Aspekte, über die wir unseren Frust mal loswerden mussten. Wir wollen dabei nicht die Leute davon überzeugen, so zu denken, wie wir es tun. Aber ich liebe Diskussionen mit Fans und finde es gut, dass sie sich Gedanken über diese Dinge machen.

Das Album war für uns aber auch sehr wichtig, weil wir zum Beispiel die Produktion und die Themen der Songs geändert haben. Bei den vorherigen Alben ging es mehr um Geschichte und historische Ereignisse, auch um Filme und Bücher, die wir mögen.

Jetzt ist der Fokus auf dem wahren Leben und der Gesellschaft. Wir fühlten und immens inspiriert, weil gerade so viel passiert – Trump, China, Russland. Es ist befreiend darüber in den Songs zu schreiben und das als Inspiration zu nehmen.

Du sagst, dass du gerne mit Fans über solche Themen diskutierst. Denkst du, dass Metalheads eine besondere soziale Ader haben?

Sharon: Manchmal hast du ein sehr gutes Gespräch mit Fans über solche Themen, wobei sie sehr offen sind und dir viel über ihre Gedanken und ihr Leben erzählen. Sie erzählen auch über ihre Familien oder ihre Beziehungen. Wir haben auch viele homosexuelle Fans. Mit einigen von ihnen habe ich nach der Show gesprochen und sie erzählten von ihren Beziehungen und ihren Familien.

Viele sind da sehr offen. Auch mit vielen Journalisten habe ich bei Interviews gute Gespräche gehabt, weil sie sehr offen waren. Es geht hier auch um verschiedene Sichtweisen. Ich glaube nicht, dass ich alles weiß oder dass ich immer recht habe. Und ich bin immer bereit etwas von Leuten zu lernen, die eine andere Ansicht haben als ich. Ich habe das immer schon gemocht: ein offenes Gespräch, eine gute Diskussion, ohne dass der eine dem anderen sagt, was er zu tun oder zu denken hat. Ich finde es sehr wichtig, offen für alles zu sein.

Denkst du Metalheads sind besonders offen und tolerant?

Sharon: Nicht immer so, wie ich es gerne hätte. Wir sind ja selber ein Teil dieser Gruppe, aber diese Gruppe ist sehr stark unterteilt. Es gibt innerhalb der Szene so viele Segmente und Genres.

Was Metalheads aber alle haben, ist, dass sie selber bereits Teil einer nicht besonders großen Gruppe der Gesellschaft sind. Sie haben sich zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben dazu entschieden etwas zu mögen, das viele Leute nicht mögen. Das alleine sagt schon sehr viel über die Person aus.

Manchmal sind sie aber in ihrer eigenen Einstellung gefangen, wie auch andere Menschen. Das passiert mir selber auch. Ich muss mich immer wieder selber hinterfragen, um immer weiter zu denken und offen zu bleiben. Das ist aber kein großer Unterschied zu anderen. Der große Vorteil, den Metalheads haben, ist aber, dass es ihnen nichts ausmacht anders zu sein. Und ich denke, dass ist eine tolle Eigenschaft.

Denkst du, die Gesellschaft kann etwas von den Metalheads lernen?

Sharon: Ich denke, dass man das nicht über die ganze Gruppe sagen kann, weil es darin noch unterschiedliche Gruppen gibt. Für die Individuen trifft das aber zu. Ich denke aber, dass man von jedem etwas lernen kann, ob er nun ein Metalhead ist oder nicht. Und wie ich schon sagte: Wir sind anders. Wir haben uns bereits dazu entschieden, nicht zum Mainstream zu gehören. Wir haben es bereits für uns akzeptiert, anders zu sein und etwas anders zu machen. Und genau das ist eine ganz besondere Einstellung, die ich sehr an Metalheads schätze. Aber es geht mehr um das Individuum, weil jeder individuell ist.

Ihr habt schon mehrfach in Wacken gespielt. Was macht das W:O:A für dich besonders?

Sharon: Ich liebe es. Besonders das letzte Mal war richtig cool. Ich weiß nicht, manchmal passiert irgendwas oder es ist wie beim letzten Mal pure Magie. Es war ultramagisch. Vom Publikum kam eine so unglaubliche Energie. Ich liebe das. Man weiß ja nie, was man erwarten soll. Manchmal kommt so etwas einfach von selbst und manchmal musst du selber diese Magie in Gang bringen. Aber beim letzten Mal war die Magie schon da, bevor wir auf die Bühne kamen und sie wurde noch größer als wir spielten. Das war unglaublich.

Warst du schon mal privat in Wacken oder auf einem anderen Festival, ohne zu spielen?

Sharon: Dafür hatte ich eigentlich nie die Zeit. Seit ich alt genug war, um auf Konzerte zu gehen, bin ich selber in einer Band gewesen. Und dann habe ich auch immer selber gespielt. Als ich 17 oder 18 war, bin ich auf Festivals gegangen, aber danach war es für mich kaum noch möglich privat auf ein Festival zu gehen, weil ich immer mit einer Band gespielt habe.

Aber wir mischen uns total gerne auf Festivals selber ins Publikum. Wie alle andern auch. Ich hoffe dann, nicht von zu vielen Leuten erkannt zu werden und die Musik mal aus einer anderen Sicht zu genießen. Aber die meisten Leute respektieren meine Privatsphäre und fragen nicht nach Autogrammen.

Hier findet Ihr auf Metalogy den 2, Teil des zweiteiligen Interviews.

Interview mit WITHIN TEMPTATION Sängerin SHARON DEN ADEL 2020 – Teil 2

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de