Metalogy.de - Das Magazin für Metalheadz
Interview mit Sabrina Wiese | polizeiliche Einsatzleitung Wacken Open Air Interview mit Sabrina Wiese | polizeiliche Einsatzleitung Wacken Open Air
Sabrina Wiese ist polizeiliche Einsatzleitung beim Wacken Open Air. Wir haben mit ihr im Rahmen unseres Buchs "Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die... Interview mit Sabrina Wiese | polizeiliche Einsatzleitung Wacken Open Air

Sabrina Wiese ist polizeiliche Einsatzleitung beim Wacken Open Air. Wir haben mit ihr im Rahmen unseres Buchs „Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann“ über ihre Erfahrungen auf dem W:O:A und im Umgang mit Metalheads allgemein gesprochen.

Hallo Sabrina. Vielen Dank, dass du dir Zeit nimmst. Wie du weißt, arbeiten wir an einem Buch über die Liebenswürdigkeit der Metalheads und den sozialen Aspekt der Metalszene, erklärt am Beispiel Wacken. Könntest du dich kurz persönlich vorstellen und erzählen, was du bei der Polizeidirektion Itzehoe machst und was du mit dem W:O:A zu tun hast?

Sabrina: Ich bin verantwortlich für die Planung des polizeilichen Einsatzes zum W:O:A und während des W:O:A immer eine der drei Einsatzleitungen. Wir wechseln uns, wie im Schichtdienst ab, so dass eine Woche lang rund um die Uhr einer von uns ansprechbar ist.

Ich bin seit Ende der 90er bei der Polizei und habe dort im gehobenen Dienst in Altenholz angefangen. 2011 bin ich dann nach mehreren Stationen, überwiegend in der Verkehrsüberwachung, nach Hiltrup gegangen. Dort wird der höhere Dienst der Polizei ausgebildet. 2013 war ich dann mit dem Masterstudium fertig und war zunächst im Landespolizeiamt tätig. Anderthalb Jahre später bin ich dann in die Polizeidirektion (PD) Itzehoe gewechselt und da beginnt dann auch meine Geschichte mit dem W:O:A.

Hier in der PD Itzehoe leite ich seitdem den Stabsbereich 1, der für Einsatz Kräftemanagement steht, also alles, was größer ist, als dass es ein Revier oder eine Dienststelle alleine wuppen könnte. Das wird dann halt auf PD-Ebene bewegt. Die PD Itzehoe ist zuständig für die beiden Landkreise Steinburg und Dithmarschen. Das W:O:A findet ja im Kreis Steinburg statt. Das ist ein Einsatz, den ein Revier alleine mit 80 Leuten nicht wuppen könnte. Entsprechend wird er bei uns in der PD sowohl geführt als auch vorbereitet. Wir haben da auch über die Jahre die Kontakte zu den Veranstaltern und den anderen BOS (BOS = Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben, also Feuerwehr, Rettungsdienst, DRK und so) aufgebaut. Ich bin also seit 2015 mit dabei und begleite das W:O:A.

Wieviele Einsatzkräfte seid ihr auf dem W:O:A?

Sabrina: Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Ich könnte eine Zahl nennen, wieviele Menschen dort tatsächlich im Einsatz sind. Wir haben eine Liste, wo dann aber auch unser Landespolizeidirektor mitgezählt wird, der einmal einen Tag da war, um seine Einsatzkräfte zu besuchen. Wir können aber auch draufgucken, an welchem Tag am meisten Einsatzkräfte im Dienst waren. Insgesamt haben wir ca. 300 Leute im Einsatz und zwischen 150 und 180 sind maximal gleichzeitig im Dienst.

Sind die Hauptzeiten während der eigentlichen Festivaltage oder auch schon vorher?

Sabrina: Das sind tatsächlich Donnerstag, Freitag und Samstag, wenn auch die Hauptbühnen bespielt werden. Wenn es dieses Jahr, wie geplant, Mittwoch losgeht, werden wir natürlich auch Mittwoch mehr Kräfte in Einsatz bringen. Im Prinzip baut sich der Einsatz langsam auf. Wir fangen eine Woche vorher an. Da muss die Logistik und die IT-Technik bereitgestellt werden.

Wir bauen ja auf dem Acker, wo sonst nichts ist, alles auf. Da muss IT-Technik hin. Da muss Funktechnik hin. Da müssen Container hin. Die Logistiker fangen daher schon eine Woche vorher an. Die Verkehrskräfte für die Anreise sind dann ab Sonntag im Einsatz. Einige Besucher reisen ja tatsächlich schon am Sonntag an, um am Montag direkt da zu sein, wenn die Tore aufgemacht werden, um sich die besten Plätze abzugreifen. Bis zum Donnerstag baut es sich kräftemäßig weiter auf und dann sind wir in der Höchstphase. Danach wird langsam wieder abgebaut. Am Sonntag haben wir dann überwiegend die Kräfte im Verkehr, die den Abfluss gewährleisten, damit der ganze Acker auch wieder geräumt wird.

Wann beginnt ihr mit der Planung im Jahr?

Sabrina: Im Januar. Da steckt eine ganze Menge dahinter. Es gibt viele, die sagen, dass wir da nur jedes Jahr das Datum austauschen müssen. Aber das ist natürlich Quatsch. Es steckt eine ganze Menge Nachbereitung drin. Es gibt immer im September eine Nachbereitung mit dem Veranstalter und den anderen BOS. Da gibt es immer irgendetwas, was vielleicht nicht so gut geklappt hat und, wo man Verbesserungsbedarf für das kommende Jahr sieht. Irgendwas, was es vorher nie gegeben hat, ist in dem Jahr plötzlich aufgepoppt. Das muss dann in irgendeiner Form neu bedacht werden. Dementsprechend geben wir dann im Januar spätestens die Aufträge an unsere Einsatzabschnittsleiter raus. Wir haben verschiedene Einsatzabschnitte, wie Verkehr, Ermittlung oder Logistik. Die kriegen dann ihre Aufträge. So richtig einsteigen, auch mit der Vorbesprechung mit dem Veranstalter, tun wir Ende April / Anfang Mai. Da sind die ersten Termine, die wir vor Ort haben. Aber da muss das Grundkonzept bereits stehen.

Wo liegen eure Haupteinsätze bzw. Haupteinsatzbereiche? Wo seid ihr auf dem W:O:A am meisten gefordert?

Sabrina: Das ist sehr unterschiedlich. Das ist natürlich in der An- und Abreise. Es ist einfach der Wahnsinn, diese ganzen Fahrzeuge von der Autobahn runter zu führen. Der Verkehr ist ja für so viele Fahrzeuge nicht ausgelegt. Das ist ein ausgeklügeltes System, wo die Leute langfahren und wo wir sie noch mal in eine Warteschleife legen können, damit wir sie von der Autobahn runter haben und es keinen Rückstau gibt. Wenn sie halt noch nicht auf das Gelände rauf können, weil es da einen Rückstau gibt. Wenn es zum Beispiel sehr matschig ist, dann dauert es einfach ein bisschen länger, die ganzen Leute und Fahrzeuge auf die Campingplätze zu bekommen.

Wenn der Boden sehr trocken ist, rauschen einfach alle rauf und werden ganz schnell abgeparkt. Dann geht das alles viel schneller. Wenn es aber matschig ist, haben wir ganz schnell mal Rückstau bis auf die Autobahn. Den wollen wir aber nicht haben, also haben wir drum herum Warteschleifen gelegt, wo die Fahrzeuge dann abgeparkt werden. Die müssen dann aber alle ihre Navis ausstellen, was sie auch ganz brav machen. Die Navis würden sie ganz wo anders langführen. Die hören alle ganz brav auf unsere Ansagen und auf die Rundfunkansagen, wo man langfahren soll. Die meisten kommen ja sowieso regelmäßig und sind Wiederholungstäter. Die kennen das Procedere schon. An- und Abreise ist ein enormer Aufwand, hat sich aber sehr gut eingespielt. Es steckt ganz schön viel dahinter, so viele Fahrzeuge durch eine ländliche Infrastruktur zu leiten.

Während des laufenden Festivals ist immer mal wieder was. Da gibt es Taschendiebe oder Leute, die Zelte aufschlitzen und Diebstähle begehen. Das ist ein Schwerpunkt, den wir haben. Das Besondere am W:O:A ist auch noch, dass wir außerhalb des Festivals die Hauptstraße im Ort Wacken haben. Die gehört ja nicht zum Veranstaltungsgelände. Aber irgendwie hat sich das Dorf in den letzten Jahren zu einem eigenen Event herauskristallisiert und ist Ausflugsziel geworden. Die ganze Landjugend kommt hin und möchte Party machen. Es gibt auch Reiseunternehmen, die Ausflugstouren anbieten, um ein bisschen W:O:A-Luft zu schnuppern. Das ist für uns auch mittlerweile ein Schwerpunkt geworden, worauf wir sehr viel achten müssen. Zum einen, aus dem Terrorgesichtspunkt, da man in die Hauptstraße ein Fahrzeug bewegen könnte. Das wollen wir natürlich verhindern. Vom Publikum ist das auch ein wenig anders als auf dem W:O:A selbst. Da haben wir häufiger Körperverletzungsdelikte. Dem einen oder anderen fällt dann auch mal Blödsinn ein, wenn er zu viel Bier getrunken hat.

So haben wir die An- und Abreise, das Festivalgelände und die Fläche nebenbei als Schwerpunkte.

Ihr trennt also zwischen den Dorfbesuchern und den Festivalbesuchern? Sind im Dorf dann eher Jugendliche, die nicht unbedingt zur Metalszene gehören?

Sabrina: Im Dorf ist einfach ein anderes Publikum. Die Festivalbesucher sind zwar auch in der Hauptstraße unterwegs und  laufen zum Beispiel zum EDEKA um einzukaufen. Es gehört ja auch irgendwie dazu, dort mal lang zu flanieren und total nett gemacht. Und dann gibt es da die Kiddies, die mit ihren Kettcars Bierkästen transportieren. Das ist echt ein Erlebnis. Im Dorf ist aber einfach ein anderes Publikum. Die Leute sind nicht ganz so zugänglich wie das Publikum auf dem Festivalgelände. Das stellen wir immer wieder fest. Die Ansprache, die Kommunikation und auch der Umgang miteinander ist einfach anders.

Was ist für dich denn das Besondere an den Metalheads? Welche Erfahrungen hast du gemacht?

Sabrina: Wir sagen immer: Das ist der friedlichste schwarze Block der Welt. Das Publikum sieht ja ein bisschen böse aus. Dunkel gekleidet, wilde Frisuren, tätowiert. Schwarz ist aber nicht gleich schwarzer Block. Das ist ein ganz anderes Publikum. Wir stellen als Polizei aber auch immer wieder fest – und das habe ich auch selber erkannt, wenn man mal durch das Infield gelaufen ist. Man wird alle Nase lang angesprochen, ob man mit einem ein Selfie machen kann. Man bekommt auch hier und da ein Bier angeboten, was wir natürlich nicht annehmen dürfen, weil wir ja im Dienst sind. Es ist ein total tolles Miteinander. Wir haben in der PD Itzehoe viel zu wenig Einsatzkräfte, um den Einsatz alleine zu bewältigen und müssen dafür Kräfte aus dem ganzen Land anfordern.

Wir haben jedes Jahr unsere Einsatzhundertschaft aus Eutin dabei. Die haben Einsatzerfahrung aus dem ganzen Bundesgebiet. Die sind beim Hambacher Forst dabei, bei Fußballspielen, bei Demos in Berlin dabei oder bei Mai-Demos und erleben eine ganze Menge. Die kommen aber jedes Jahr wieder total gerne nach Wacken. Hier hat man nicht damit zu rechnen, dass man angepöbelt, beleidigt oder beschimpft wird. Das haben wir hier nicht. Das ist einfach ein tolles Miteinander. Ich muss auch schon auf unglaublich vielen Selfies drauf sein (lacht). Dort kann man als Polizist ganz alleine über das Gelände gehen, ohne dass man sich Sorgen machen muss, dass man angepöbelt, geschlagen oder getreten wird. Sowas gibt es da einfach nicht. Was das W:O:A ausmacht. ist einfach ein ganz, ganz tolles Miteinander. Mit den Gästen mit den Veranstaltern, mit allen anderen, die an der Planung beteiligt sind. Es ist einfach familiär. Obwohl es in den letzten Jahren so groß geworden ist, ist da ein ganz tolles Flair.

Hast du das Gefühl, dass die Gesellschaft von den Metalheads etwas lernen kann?

Sabrina: In Bezug auf den Aspekt auf jeden Fall. Es ist ein sehr angenehmes Miteinander. 2019 mussten wir ja das Gelände räumen, weil zwei Gewitterzellen kamen. Das hat einfach nur tadellos funktioniert. Als die Durchsage von der Bühne kam, dass es ein Problem mit dem Wetter gibt, dass das Infield geräumt werden muss und dass alle in aller Ruhe in ihre Zelte oder Fahrzeuge gehen sollten. Das lief ohne Probleme. So haben wir  wahnsinnig schnell das Infield leer gehabt. Das Publikum ließ sich da sehr gut steuern, was für Großveranstaltungen auch sehr wichtig ist, damit sich im Bereich Crowd-Management keine Probleme ergeben. Es ist wichtig, dass das gut gesteuert werden kann, damit keine Notausgänge verstopft werden und der Durchfluss immer gewährleistet werden kann. Das klappte ganz hervorragend.

Als du das erste Mal auf dem W:O:A warst, war es für dich eine komplett neue Erfahrung mit den Metalheads? Welche Erwartung hattest du und wie war die Realität?

Sabrina: Auch in meiner Zeit, als ich noch im gehobenen Dienst und in Neumünster in einer Verkehrsüberwachungsdienststelle war, wurde ich auch schon mal beim W:O:A eingesetzt. Im Bereich der Drogen- und Alkoholerkennung. Das wird ja bei An- und Abreise gemacht. Von daher kannte ich das Publikum und auch die Veranstaltung schon. Während meiner Zeit in Kiel habe ich das W:O:A auch zweimal besucht im Sinne der Einsatzbeobachtung. Also wusste ich schon ganz grob, was mich erwartet, als ich in die Polizeidirektion Itzehoe kam.

Aber es ist schon beeindruckend, wenn man da auf das Gelände kommt. Alle sind schwarz gekleidet. Die Musik ist zwar etwas gewöhnungsbedürftig und manchmal sehr laut. Es ist aber ein sehr beeindruckendes Flair. Da steht man auch gerne einfach mal da und genießt die Festival-Atmosphäre. Auch im laufenden Einsatz.

Du selbst hörst keinen Heavy Metal?

Sabrina: Ich höre schon sehr rockige Musik. Ich hatte da mal eine witzige Situation. Als ich mit meinem Chef im Landespolizeiamt zu einem Termin fuhr und er mir von einem Konzert erzählte, auf dem er gewesen war, einem klassischen Konzert. Und er fragte mich dann, was denn mein letzter Konzertbesuch gewesen sei und ich antwortete: Rammstein auf der Waldbühne. Ich höre also auch mal lautere Musik. Auch Metallica höre ich gerne. Aber ich muss zugeben, dass auf dem W:O:A Bands auftreten, von denen ich noch nichts gehört habe.

Ist das W:O:A bei den anderen Einsatzkräften beliebt?

Sabrina: Das ist es definitiv. Wir haben überhaupt keine Probleme dafür Kräfte zu finden. Von unserer Behörde sind es über die Jahre eigentlich immer wieder dieselben Kräfte, die Leute, die dort eingesetzt werden, weil es auch einfach wichtig ist, alles, was dahintersteht, das Konzept, die Logistik zu vesrtehen. Es ist schön, wenn das über die Jahre immer weitergegeben wird. Da haben wir gar kein Problem, Leute zu finden. Und vom Landespolizeiamt in Kiel, über die die Kräfteanforderung vom Land läuft, bekomme ich immer die Rückmeldung, dass das gar kein Problem ist. Da gibt es viele, die die Hand heben. Und es gibt auch bei uns viele Dienststellen, die fragen, ob wir sie nicht etwas stärker anfordern könnten. Wir merken jedes Jahr, dass das ein Einsatz ist, der sehr gerne angenommen wird.

Und auch von der Einsatzhundertschaft, die nun Vieles im Lande erlebt, bekommen wir regelmäßig Rückmeldung, dass es am W:O:A sehr angenehm ist. Dabei können wir denen, was die Unterbringung angeht, nichts Besonderes bieten. Inzwischen ist es so, dass die Einsatzhundertschaften, wenn sie im Bundesgebiet unterwegs sind, im Hotel untergebracht werden. Aber hier in der Gegend sind die Hotelkapazitäten sehr knapp und da eine ganze Hundertschaft unterzubringen, funktioniert nicht. Also sind sie dann bei uns im ehemaligen Kasernengelände untergebracht. Das ist mit Sicherheit nicht so toll, aber was Besseres können wir ihnen nicht bieten. Und trotzdem kommen sie jedes Jahr sehr gerne. Das schiebe ich dann auch auf den Einsatz an sich.

Können die sich für bestimmte Dienste eintragen?

Sabrina: Nein, wir fordern quasi für die einzelnen Bereiche Kräfte an und es wird dann im Landespolizeiamt in Kiel sortiert, welche Polizeidirektion die Anforderungen erfüllt. Und die Polizeidirektion (PD) entscheidet dann wiederum, welche Kräfte sie schicken. Das ist sehr unterschiedlich. Einige PDen schicken uns auch jedes Jahr dieselben Kräfte. Andere wechseln da lieber mal durch, damit jeder mal hinkann. Das sind sehr unterschiedliche Philosophien.

Ist jedes W:O:A wieder etwas Besonderes oder gibt es da mittlerweile Routine?

Sabrina: Im gewissen Sinn ist da schon Routine drin. Seit 2015 begleite ich ja bereits das W:O:A und trotzdem war es jedes Jahr wieder anders. Ich finde es auch sehr gefährlich, da in die Routinefalle zu tappen und einfach die Pläne vom Vorjahr aus der Schublade zu ziehen. Man muss da schon im Vergleich zum letzten Jahr schauen, was sich verändert hat. Auf dem Festivalgelände verändert sich auch jedes Jahr wieder eine Kleinigkeit. Da muss man auch wieder draufgucken, wie das passt, wie die Zuschauerwege geleitet werden und wo Verkehr entlang geleitet werden kann. Von daher ist es schon jedes Jahr was Neues. Aber ist schon sehr hilfreich, wenn man das schon mal 1 bis 2 Jahre lang begleitet hat.

Wie gut kennst du Thomas Jensen und Holger Hübner?

Sabrina: Die sind bei unseren BOS-Besprechungen, die wir im Vorfeld haben, mit dabei. Sie sind zwar nicht die ganze Zeit dabei, aber sie gucken zumindest rein. Da besteht also regelmäßiger Kontakt.

Was heißt BOS genau?

Sabrina: Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Feuerwehr, Rettungsdienst, Ordnungsbehörde, der Kreis mit der Lebensmittelaufsicht, die Baubehörde – alles, was da mitzureden hat. Es gibt da unterschiedliche Vorbereitungsrunden. Es gibt auch eine Runde, bei der alle Ämter und Behörden vertreten sind. Da muss man dann schon einen relativ großen Raum dann mieten. Ansonsten hat man da die obersten Vertreter der einzelnen Behörden sitzen, die alles regeln. Das wäre sonst einfach zu groß. Wenn das zuviele sind, kann man das ja auch nicht in Ruhe regeln.

Man hört ja immer wieder von organisierter Kriminalität. Gibt es da im Vorfeld eine besondere Vorbereitung?

Sabrina: Wir tauschen uns einmal im Jahr mit Dienststellen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz aus, die auch Festivals betreuen. Wir haben da eine Festivalverbund. Auch die Veranstalter tauschen sich auf dieser Ebene mit den anderen Festivals aus. So gleichen wir dann auch die Phänomene ab. Wir sind mit dem W:O:A auch relativ spät in der Festival-Saison, so dass wir meistens schon vorhersagen können, was kommen könnte. Meistens ist es eine Tätergruppe, die Anfang der Saison auftaucht und dann von einem Festival zum nächsten reist. So versuchen wir uns dann drauf vorzubereiten und sind mit den anderen Behörden im Austausch.

Wie erlebt ihr die Corona-Zeit? Es ist ja schwer irgendwas zu planen.

Sabrina: Das ist natürlich sehr schwierig. Normalerweise steigen wir ja im Januar in die Planung für das Wacken Open Air ein. Da sind wir jetzt auch ganz normal eingestiegen. Im letzten Jahr kam im Mai die Absage für alle Großveranstaltungen. Da haben wir unsere Planung dann natürlich eingestellt.

Ich weiß noch nicht, wann es dieses Jahr eine verbindliche Zu- oder Absage geben wird. Wenn das im Juni ist, ist das natürlich viel zu spät für die Vorbereitung. Das heißt, wir starten völlig normal und hoffen einfach, dass es stattfindet. Notfalls müssen wir halt die Planung wieder einstellen. Auch der Festivalverbund, von dem ich vorhin sprach, trifft sich immer am Anfang der Festivalsaison im März oder April und die PD Itzehoe hätte das dieses Jahr ausgerichtet. Das Treffen in echt und in Farbe haben wir nun abgesagt und machen das als Online-Veranstaltung. Es ist nicht vorstellbar, im März eine Veranstaltung mit Leuten aus dem ganzen Bundesgebiet durchzuführen.

Werdet ihr während der Corona-Zeit anders eingesetzt? Hast du andere Aufgaben bekommen als normal?

Sabrina: Ja, das hat sich doch sehr verändert. Gerade im Frühjahr letzten Jahres hat uns das ziemlich überrollt. Da mussten Dienstpläne umgestellt werden, damit die Kollegen in getrennteren Gruppen arbeiten, damit die Schichten strenger getrennt sind. Dienststellen übergreifende Präsenzkonzepte mussten umgeplant werden. Das war dann ein ganz anderes Aufgabenfeld. Dafür ist natürlich alles andere weggefallen. Fußballspiele, wo ja viel Polizeibegleitung erforderlich ist und die gesamte Veranstaltungssaison. Bei uns in den Kreisen Steinburg und Dithmarschen, in Büsum und in Heide haben wir ja auch sonst größere Konzertveranstaltungen der Radiosender. Das ist natürlich alles weggefallen. Da musste eine ganze Menge umorganisiert werden. Damit beim Einsatz nicht alle Dienststellen durchmischt werden. So hat sich das Themenfeld jetzt geändert. Aber erstaunlicherweise bleibt genug zu tun.

Hat der Ausfall des W:O:A 2020 die Region hart getroffen?

Sabrina: Da sind schon viele betroffen. Ich hab euch ja erzählt, dass wir ein fast familiäres Verhältnis haben – auch in der Planungsrunde. Und da haben wir natürlich gefragt, wie es den anderen denn so geht. Wir haben dabei auch Kontakt zum Veranstalter gehabt. Wir haben mitbekommen, dass die ganze Region mitgefiebert hat. Ich selber musste auch meinen Urlaub verschieben. Normalerweise habe ich in der Woche nach dem W:O:A Urlaub, aber dieses Mal habe ich meinen Urlaub vorverlegt. So hatte ich das erste Mal seit 2015 während der Kita-Schließzeit meiner Tochter Urlaub. Die kollidiert sonst immer mit dem Wacken Open Air. Es war schon ein ganz komisches Gefühl in dieser Woche Urlaub zu haben.

Wir haben aber auch befürchtet, dass viele nach Wacken kommen wollen, um sich alleine auf dem Acker fotografieren zu wollen. Das ist aber nicht eingetreten, dass der Ort in irgendeiner Form überrannt wurde. Denn die Veranstalter haben dazu aufgerufen, nicht nach Wacken zu kommen und wir haben das auch noch einmal getan. Und das hat funktioniert. Die Metalheads waren da sehr diszipliniert.

Aber für die Region hängt schon eine ganze Menge dran. Es werden auch einige Existenzen dranhängen und ich hoffe, dass alle durch diese schwere Zeit kommen.

Gibt es eine schöne Geschichte, die du auf dem W:O:A oder mit Metalheads erlebt hast?

Sabrina: Mir selber fällt jetzt keine ein, aber ich kriege ja von Kollegen Geschichten mit, die die erlebt haben. 2018 oder 2019 war es relativ ruhig, weil uns auch nicht so viele Diebesbanden heimgesucht haben.

Da haben sich zwei Konzeptbesucherinnen verirrt und ihr Zelt nicht mehr wiedergefunden. Da haben sich die Einsatzkräfte die Zeit genommen und haben sie irgendwann in ihr Zelt legen können. Dafür waren die knapp zwei Stunden unterwegs. Manchmal funktioniert es, dass man sich auch dafür die Zeit nehmen kann.

Wir haben auch schon mal Anrufe auf der Leitstelle bekommen, als jemand vom Festivalgelände angerufen hat. Der wurde von der 110 an die Einsatzleitstelle durchgestellt und hat sich dort über den ruhestörenden Lärm beschwert. Da hat die Leitstelle auch erstmal nachgefragt, ob das denn ernst gemeint sei. Das sind dann schon Kuriositäten.

Was bedeutet das W:O:A für dich persönlich und für deine Stelle? Hast du dich bewusst damals auf diese Stelle beworben?

Sabrina: Die Stelle der Leitung des Stabsbereichs 1 gibt es in jeder Polizeidirektion in Schleswig-Holstein. Das ist eine der Einstiegsfunktionen, die wir nach dem Studium in Hiltrup belegen können. Außer dem Studium erfordert die Stelle auch keine anderen besonderen Qualifikation. Ich hatte das Glück, dass die Stelle frei wurde, als ich fertig war, weil das für mich sehr heimatnah ist. Ich wohne in der Nähe von Itzehoe und kann mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren. Ich persönlich komme gar nicht aus der Gegend und bin mit dem W:O:A gar nicht aufgewachsen. Ich komme aus der Kieler Ecke. Ich bin wegen meinem Mann hierher geraten. Ich wusste zwar, dass es hier ein großes Festival gibt, aber ich bin nicht deswegen hergezogen. Die Beziehung zum W:O:A kam eher zufällig, quasi über meinen Mann. Mein Mann war tatsächlich beim allerersten Wacken Open Air 1990 mit dabei. Der ist hier in der Region aufgewachsen. Er fand es sehr laut.

Hast du vorher schon Kontakt zu Metalheads gehabt? Im Freundeskreis oder in der Familie?

Sabrina: Nein, eigentlich nicht. Ich kenne zwar viele aus dem privaten Bereich, die schon mal auf dem W:O:A waren, die sind aber keine klassischen Metalheads. Die sind eher wegen der örtlichen Nähe hingefahren. Die ziehen sich auch schwarz an, obwohl sie das sonst nicht machen. Und selbst die sagen, dass man immer wieder da hinmuss, wenn man einmal da gewesen ist. Das hat so einen Suchtfaktor.

Gibt es unter deinen Kollegen viele Metalheads?

Sabrina: In der Polizeidirektion haben wir tatsächlich viele Metalheads. Wir haben hier in der PD einige Kollegen, die unbedingt frei haben wollen, damit sie das W:O:A als Besucher genießen können und wir haben andere, die ihre Urlaubsplanung danach richten, dass sie das Festival dienstlich begleiten können.

Gehst du selber auch mal so übers Gelände oder bist du während der Festivaltage vollkommen eingespannt?

Sabrina: Ich muss gestehen, dass ich da meistens gar nicht so viel Luft habe. Aber, wenn ich sie habe, dann nutze ich sie auch, um mal durchs Infield zu schlendern oder mal das Campinggelände abzufahren und zu gucken. Das ist ja auch ein Erlebnis. Die kleinen Zeltstädte, die da aufgebaut werden, sind schon sehr beeindruckend. Ich versuche dann etwas Festivalluft zu schnuppern, aber ein ganzes Konzert habe ich noch nicht gesehen. Auch Rammstein damals nicht.

Die Wacken-Veranstalter sind sehr stark sozial engagiert, wie in der Knochenmarkspendeaktion, Inklusion oder der Blutspendeaktion. Seid ihr da auch irgendwie involviert?

Sabrina: Als Behörde können wir es natürlich nicht finanziell unterstützen, aber wir bekommen es in der Planung immer wieder mit. Wenn wir über die Wege sprechen, wird natürlich drauf geachtet, dass die für Rollstuhlfahrer geeignet sind und gegebenenfalls befestigt oder verbreitert werden. Auch die Wacken Foundation ist sehr präsent. Die Blutspendeaktion lief eine Zeit lang hier im Klinikum Itzehoe. Das haben wir hier immer mitbekommen. Ich persönlich schätze dieses Engagement sehr. Ich bin bezüglich der Knochenmarkspenderdatei (DKMS) auch selber familiär betroffen. Insofern finde ich es persönlich sehr schön, dass die sich so sehr engagieren.

Wenn ein Wacken 2021 unter Corona-Bedingungen stattfinden würde, wärt ihr da auch mit Einsatzkräften involviert, z.B. bei Teststationen oder bei Temperaturmessstationen?

Sabrina: Da müssen wir einfach prüfen, wie die Gefährdungssituation ist. Grundsätzlich wären wir da nicht für zuständig. Aber natürlich hätten wir da einen Blick drauf. Wir sind noch nicht so weit in die Planung eingestiegen, ob wir da Kräfte abstellen müssen. Ich weiß auch noch nicht, wie sich der Veranstalter diesbezüglich aufstellt und ob sie mit Fiebermessung, Teststationen oder Impfnachweisen arbeiten wollen. An die Planung sind wir auf jeden Fall beteiligt und werden uns einbringen.

Gibt es in Itzehoe ein Impfzentrum? Wenn ja, sichert ihr das ab?

Sabrina: In Itzehoe haben wir ein Impfzentrum, aber wir stehen da nicht rund um die Uhr mit Personal. Aber wir haben einen Blick drauf.

Wir würden dir gerne ein paar Stichworte nennen und du sagst uns, was dir dazu einfällt. Ok?

Sabrina: Das können wir gerne machen.

Rituale

Sabrina: Meine persönlichen Rituale beim W:O:A. Gute Frage. Eigentlich muss ich immer erstmal zusehen, dass ich meine Tochter organisiert kriege, weil die Kita-Schließzeit mit dem Wacken Open Air kollidiert. Sie schimpft immer, dass der Sommerurlaub ohne Mama stattfindet.

Bei uns in der Behörde darf zwei Wochen vor dem W:O:A keiner in Urlaub gehen. In der letzten Woche vorher muss jeder seine Restarbeiten machen. Da müssen schnell noch Telefonlisten ausgedruckt werden, die erst kurz vorher fertig werden. Das ist ein ziemliches Wuseln hier auf dem Flur. Wenn nicht gerade Corona ist, sitzen dann kurz vorm W:O:A alle auch mal beim Kaffee zusammen, wenn wir alles fertig haben. Das finden alle total toll, weil sich da auch niemand für irgendwas zu schade ist. Dann sind auch mal die ganz hochbesoldeten Personen dabei und laminieren Telefonlisten. Das ist das Ritual in den letzten zwei Wochen bevor es los geht, da ist jeder für alles zu haben. Das ist einfach ein schönes Miteinander. Und am Freitag vorher feiern wir uns selber und, dass wir alles fertig haben, also alle Einsatzkoffer gepackt sind und die Logistik steht.

Wie groß ist eure Logistik? Wieviele Fahrzeuge habt ihr im Einsatz?

Sabrina: Wir müssen tatsächlich jedes Telefon und jeden Computer selbst dorthin bringen. Da ist schnell ein LKW voll. Das ist natürlich nichts im Vergleich zur Logistik vom Veranstalter. Wir organisieren aber auch unsere Getränke und unsere Verpflegung selber. Das alles wird auch jeden Tag mit dem LKW geliefert. Das ist das Besondere, dass diese ganze Logistik da nur für eine Woche steht. Für diese Woche ist ja Wacken die drittgrößte Stadt von Schleswig-Holstein. Wenn man sich das jetzt anschaut, ist da nur Landwirtschaft. Vielleicht stehen da ein paar mehr Stromkästen am Acker, aber mehr ist da nicht. Aber das ist auch das Besondere. Man schafft es, auf einer Fläche, die sonst landwirtschaftlich genutzt wird, eine Großveranstaltung hinzubekommen. Die Böden sind danach natürlich etwas verdichtet. Dadurch wird es auch leicht mal matschig, aber ein Wacken ohne Matsch ist ja auch blöd (lacht)

Was ist denn unangenehmer für eure Arbeit: Matsch oder Hitze?

Sabrina: Die Kollegen schimpfen am meisten über Hitze. Dann hat man immer diesen Staub in der Nase. Vor ein paar Jahren gab es vom W:O:A eine Staubschutzmaske in Schwarz und mit dem Schädel drauf. Die haben von uns jetzt auch viele als Corona-Community-Maske. Aber ursprünglich ist die für ein sehr staubiges Festival gewesen. Die Kollegen schimpfen mehr, wenn man die Containertüren aufmacht und überall auf den Telefonen oder Computern eine Staubschicht drauf ist. Den Kaffee möchte man auch nicht irgendwo stehen lassen, weil dann eine Staubschicht drauf ist. Gegen Matsch haben wir uns mittlerweile gerüstet. Da haben wir die Quads dabei, weil man mit dem Streifenwagen stecken bleiben würde.

Gab es mal polizeilich etwas besonders Schlimmes, das auf dem W:O:A passiert ist?

Sabrina: Schlimmes gab es eigentlich nicht, aber Tragisches. Ein Fußgänger war auf der Hauptstraße mal von einem Krankenwagen überrollt worden und ist dann verstorben. Oder der Besucher, der mit einem Stromaggregat unter einer Plane lag und dann einer Kohlenmonoxid-Vergiftung verstorben ist. Das sind natürlich ganz tragische Ereignisse, die leider immer mal wieder passieren. Aber wenn 100.000 Leute zusammenkommen, passieren halt auch tragische, tödliche Unfälle.

Ist eure Einsatzzentrale direkt am Gelände oder außerhalb?

Sabrina: Es gibt auf dem Festivalgelände quasi ein Dorf, wo der Veranstalter mit seinem Headquarter sitzt und auch die Feuerwehr, der Rettungsdienst und wir. So dass wir ganz nah beieinander sind, um vor Ort auch schnell Entscheidungen treffen zu können. Die Polizei führt normalerweise Einsätze aus Leitstellen oder aus abgelegenen Räumen, bei so einem Festival muss man einfach vor Ort sein. Dementsprechend haben wir vor Ort ein paar Container stehen.

Bringt ihr die Container selber mit oder stellt euch der Veranstalter die?

Sabrina: Die stellt der Veranstalter zur Verfügung und nachher in Rechnung. Das ist deutlich einfacher, als wenn wir die selber hinschaffen würden.

Ernährung

Sabrina: Die Ernährung auf dem W:O:A ist für uns Grillen. Wenn wir im Hauptquartier sitzen und am Quartier der Einsatzkräfte, unserem Polizeicamp. Dieses Camp ist neben dem Camp für die Sanitäter, in dem die Verletzten versorgt werden. Wir haben auf jeden Fall da überall Grills stehen, so dass die Ernährung in der Wacken-Woche sehr fleischlastig ist, auch wenn ich schon mal einen Maiskolben auf dem Grill gesehen habe. Die Einsatzkräfte würden mir auch aufs Dach steigen, wenn wir den Grill streichen würden.

Ansonsten hat sich bei der Polizei die Einsatzverpflegung umgestellt. Wenn wir Kräfte in den Einsatz schicken, wird vorher abgefragt, wer vegetarische oder vegane Verpflegung oder kein Schweinefleisch haben möchte. Da wird Rücksicht drauf genommen.

Nachhaltigkeit

Sabrina: Nachhaltigkeit war 2019 großes Thema. Wir bekamen vorher von unserem Verpfleger Unmengen an Plastikgeschirr,  hatten aber beim Veranstalter gesehen, dass die ein Mehrwegsystem nutzen. So haben wir unserem Landespolizeiamt mitgeteilt, dass wir auch nachhaltiger werden möchten. Es hat uns wirklich sehr gestört, wie voll unsere Mülleimer waren. Ich finde es auf dem Festival sehr angenehm, dass da so viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt wird, damit nicht zu viel Müll entsteht. Die Festivalbesucher werden ja auch dazu angehalten, ihre Zelte und Sofas, die sie mitbringen, auch wieder mitzunehmen. Das ist in den letzten Jahren auch besser geworden und eine sehr positive Entwicklung. Auch gesamtgesellschaftlich. Da würden wir polizeilicherseits auch gerne aufspringen. Unsere Teller waren zumindest zuletzt nicht mehr aus Plastik, sondern wenigstens aus Bambus. Zwar immer noch Einweg. aber in der kommenden Vorbereitung werden wir sicherlich diskutieren, ob wir uns dem Mehrwegsystem vom Veranstalter anschließen.“

Werte

Sabrina: Der Veranstalter steht für gewisse Werte, wie Nachhaltigkeit, Gegen-Rechts, für Inklusion und das sind genau die Werte, für die wir auch als Polizei stehen. Das passt herrlich zusammen. Für diese gesellschaftlich-demokratischen Werte steht die Polizei und dafür haben wir alle den Eid geleistet. Da sind wir auf einer Linie mit dem Veranstalter.

Ethik

Sabrina: Das geht in eine ähnliche Richtung, wie die Werte.

Wacken

Sabrina: Wacken ist ein relativ kleines Dorf in der PD Itzehoe, das wir betreuen. Das fast das ganze Jahr über ziemlich unauffällig und wir haben da seit 2014 keine Polizeistation mehr. Und eine Woche im Jahr ist es ja die drittgrößte Stadt in Schleswig-Holstein. Aber für diese Größe der Veranstaltung haben wir im Vergleich zu einer Großstadt nicht annähernd das Einsatzaufkommen. So bleibt Wacken auch in dieser Woche ein kleines beschauliches Plätzchen.

Wacken kennt auch mittlerweile jeder. Wenn ich sage, dass ich in der PD Itzehoe arbeite, fragt jeder, wo das denn sei. Dann sage ich, dass Wacken dazugehört und jeder weiß Bescheid.

Schwarz

Sabrina: Schwarz ist die dominierende Farbe. Wir passen da mit unserer dunkelblauen Uniform ganz gut rein. Es ist bei uns auch verpönt, in Wacken unser weißes Polizeihemd zu tragen. Da passen wir uns gerne mit unserer dunklen Uniform und unserem dunklen Hemd an. Dann fallen wir gar nicht so auf.

Toleranz

Sabrina: Das passt sehr gut zum W:O:A.. Da kommen so viele unterschiedliche Menschen aus allen möglichen Ländern zusammen. Da sind alle Kontinente vertreten. Da nimmt jeder auf jeden Rücksicht. Wenn jemand sprachlich nicht weiterkommt, dann wird ihm irgendwie unter die Arme gegriffen. Das funktioniert da alles. Wir versuchen natürlich auch in allen möglichen Sprachen weiterzuhelfen. Manchmal ist das auch gar nicht so einfach, wenn das Gegenüber schon ein paar Bierchen zu viel getrunken hat. Irgendwie kriegen wir es mit der Kommunikation auch hin. Irgendwie sind aber auch alle uns gegenüber tolerant, wenn wir eine Frage nicht direkt beantworten können, weil wir nur die Hälfte verstanden haben. So kommen auf dem W:O:A Hilfsbereitschaft und Toleranz zusammen.

Alter

Sabrina: Der Leiter der Ordnungsbehörde, der jedes Jahr mit seiner Unterschrift das W:O:A freigibt, sagt immer, dass das Publikum beim W:O:A wird jedes Jahr 75.000 Jahre älter (lacht). Das sind ja alles Wiederholungstäter. Und Wacken ist halt auch älter geworden über die Jahre. Etwas erwachsener. Ein paar Kollegen von mir sind von Anfang an dabei und die sagten wir, dass das am Anfang etwas schwieriger mit der Zusammenarbeit war. Das musste sich auch erst einmal alles finden. Es musste auch erst einmal akzeptiert werden, dass die Polizei ein Partner ist und mit auf dem Acker sein kann. Nach etwas symbolischem Gerangel haben sich alle zusammengerauft und alles funktioniert alles hervorragend. Vielleicht ist das auch dem Alter geschuldet und, dass alle etwas reifer geworden sind.

Finanzen

Sabrina: Bezüglich der Finanzen schimpft jedes Jahr wieder unser Haushälter mit mir, weil das W:O:A auch polizeilicherseits jedes Jahr teurer wird. Die Container, die Verpflegung, die Transporte, die Einsatzmittel – das kostet alles Geld. Im Budget der PD Itzehoe ist das ein ziemlich großer Posten. Das müssen wir natürlich im Blick haben. Wacken ist nicht nur erwachsener, sondern auch teurer geworden.

Umweltschutz

Sabrina: Das geht in Richtung Nachhaltigkeit. Wir sind ja auf einer landwirtschaftlichen Fläche und da möchte man nicht so viele Spuren hinterlassen. Wir achten auch im privaten Bereich sehr darauf und daher hoffe ich, dass wir auch von der Polizei her da etwas besser werden.

Gemeinschaft / Zusammenhalt

Sabrina: Genau das ist es, was das W:O:A ausmacht. Das fängt auf der Vorbereitungsebene an. Die Veranstalter, die BOS-Kräfte und die anderen Partner sind einfach eine tolle Gemeinschaft geworden. Da unterstützt jeder jeden. Es ist auch etwas Besonderes, dass das Sicherheitskonzept von allen unterschrieben wird. Da steht jeder dahinter.

Und während des laufenden Festivals ist es schön, dass man über das Gelände gehen kann und Leute auf einen zukommen und sich bedanken, dass wir da sind. Auch mit den Selfies und dem Versuch uns ein Bier auszugeben ist das einfach ein toller Zusammenhalt. Ein Festival geht nur gemeinsam und es ist schön, dass unsere Teilnahme von den Gästen, den Veranstaltern und allen anderen wertgeschätzt wird.

(Gesellschaftliche) Verantwortung

Sabrina: Man könnte natürlich sagen: Eine Woche Party und nach mir die Sintflut. Ich finde es sehr angenehm, dass die Veranstalter da anders aufgestellt sind und in die Zukunft schauen. Nachhaltigkeit, Umweltschutz, aber auch Inklusion. Sie bieten zudem Bands eine Bühne, die noch sehr unbekannt sind. Es ist ein Blick über den Tellerrand hinaus, was man alles noch unterstützen kann. Auch für den Ort selber hat sich über die Jahre viel entwickelt.

Auch für die Dorfgemeinschaft wird viel von den Veranstaltern getan. Ich habe das Gefühl, dass die etwas zurückgeben möchten, von dem, was sie über die Jahre aufgebaut haben und nicht nur den Profit aus der Veranstaltung ziehen. Das ist die Verantwortung, die sie für das Dorf Wacken im Kleinen übernehmen, aber auch im Großen für die Region und den Kreis Steinburg. Und diese Aspekte tragen sie auch in die ganze Welt raus. Das schätze ich sehr an dieser Veranstaltung.

Familie

Sabrina: Meine Familie muss immer unter dem W:O:A ein bisschen leiden. Ich habe auch schonmal scherzhaft gefragt, ob die Veranstalter nicht eine Kinderbetreuung einrichten wollen. Ein W:O:A Kindergarten. Bei mir kollidiert es ja mit den Kita-Schließzeiten und ich habe das Gefühl, dass auch das Kita-Personal ganz gerne auf das W:O:A geht (lacht).

Ich bin meinem Mann immer sehr dankbar, dass er sich den Urlaub so legt, dass unsere Tochter betreuen kann und ich den Einsatz wahrnehmen kann. Oma und Opa bringen sich da auch noch mit ein. So unterstütz meine Familie auch das W:O:A. Aber es ist halt mein Job. Das W:O:A ist halt die größte Veranstaltung hier in der Polizeidirektion haben und da muss ich natürlich im Dienst sein.

Wir haben auch noch ein paar persönliche Fragen, die wir dir gerne stellen würden. Ist das in Ordnung?

Sabrina: Ja. Klar.

Welches ist dein Lieblingstier?

Sabrina: Katze. Wir haben einen ganz lieben Kater.

Dein Lieblingsfilm?

Sabrina: Da muss ich mich jetzt outen. Ich mag Dirty Dancing unheimlich gerne schauen. Auch zum 100sten Mal.

Dein Lieblingsbuch?

Sabrina: Ich mag die Serie von Hannes Nygaard sehr gerne, der Heimatkrimis geschrieben hat. Da möchte ich gar kein Buch rauspicken. Ich mag die ganze Serie sehr gerne.

Deine Lieblings-CD?

Sabrina: Das Schwarze Album von Metallica.

Dein Lieblings-Essen?

Sabrina: Nudeln. Und Schokolade.

Dein Lieblingsgetränk?

Sabrina: Rotwein. Aber natürlich nicht im Dienst.

Dein Hobby?

Sabrina: Sport. Und dann schlägt mein Herz noch für die Handballer vom THW Kiel. Handball mag ich aber nur als Zuschauer. Ansonsten funktioniert ja gerade nur Fahrradfahren und Laufen. Ich gehe auch gerne Schwimmen, um mich fit zu halten. Ich genieße auch das Fahrradfahren zu Arbeit. Sport, Wachwerden und Umweltschutz gleichzeitig (lacht).

Dein liebstes Reiseziel?

Sabrina: Ich war mal im Rahmen einer Kreuzfahrt auf Island. Da würde ich gerne mal wieder hin. Mein Herz schlägt aber für Skandinavien.

Gibt es etwas, wo du zwei linke Hände hast?

Sabrina: Technik ist nicht ganz mein Ding.

Deine größte Sorge oder Angst?

Sabrina: Momentan ist es natürlich, dass meine Familie oder Freunde an Corona erkranken und möglicherweise noch einen schweren Verlauf haben könnten.

Ansonsten stellt sich die Frage, wie sich die Welt in den nächsten Jahren weiterentwickelt. Kann meine Tochter, die jetzt 5 Jahre alt ist, in Zukunft noch in einer vernünftigen Welt aufwachsen – auch hinsichtlich Umweltaspekten, eine Welt, die nicht belastet ist?

Was liebst du am meisten?

Sabrina: Ich merke in der letzten Zeit, dass ich es unheimlich vermisse, mich einfach mal mit Freunden auf ein Gläschen Wein zu treffen und in Ruhe zu quatschen. Die jetzige Zeit lehrt einen, dass man das viel mehr wertschätzen sollte.

Was verabscheust du am meisten?

Sabrina: Hass. Rechtsradikalismus. Das sind Dinge, die ich überhaupt nicht nachvollziehen kann.

Dein größter Traum oder Wunsch für dich selbst?

Sabrina: Einen schönen Sommerurlaub auf Island zu verbringen.

Dein größter Wunsch für die Welt?

Sabrina: Ein Stückchen mehr Toleranz und Rücksichtnahme – jeder auf jeden. Das würde uns ein Stück weiterbringen.

Was würdest du der Welt gerne mitteilen?

Sabrina: Zerfleischt euch nicht in irgendwelchen Diskussionen über Impfen oder Nicht-Impfen. Habt mehr Respekt voreinander. Das würde uns auch im polizeilichen Alltag deutlich weiterhelfen.

Was sind gerade für die Polizeidirektion Itzehoe die Hauptthemen?

Sabrina: Wir haben eigentlich das normale Programm. Im Land sind wir sieben Polizeidirektionen unter denen die Kreise aufgeteilt sind. Wir sind die kleinste im Lande und bei uns ist vielleicht auch alles etwas beschaulicher.

Das W:O:A ist ein Ereignis, das hier alles überstrahlt. Viele denken, dass auch nur das hier läuft, aber das ist natürlich quatsch. Auch bei uns spielt Cybercrime eine Rolle. Zu uns gehört die Bezirkskriminalinspektion Itzehoe, die sehr viel Mühe und Zeit investiert, um diesem Phänomen zu begegnen.

Im Prinzip findet alles, was die Landespolizei bewegt, auch bei uns statt. Städtische Probleme, wie in Kiel oder Lübeck, spielen hier natürlich weniger eine Rolle. Unsere größten Städte mit Heide, Itzehoe und Brunsbüttel sind damit natürlich nicht vergleichbar. Flächenmäßig sind wir aber die zweitgrößte Direktion. Wir müssen sehr viel Fläche abdecken.

Ich denke, dass jeder Bürger den Anspruch hat, dass ihm sehr schnell geholfen wird, wenn er Hilfe benötigt. Innerhalb von 10 Minuten nachdem er 110 gewählt hat, sollte das so sein. Die Herausforderung ist dabei, mit unserem Personal die Fläche bestmöglich abzudecken.

Gibt es für dich ein persönliches Highlight oder einen Tiefpunkt, wenn du an das W:O:A denkst?

Sabrina: Der Tiefpunkt war definitiv letztes Jahr, als es ausgefallen ist. Da waren wir schon sehr traurig. Da haben wir auch mit den Veranstaltern und der ganzen Gemeinschaft, die im Dorf Wacken dranhängt, mitgelitten.

Mein Highlight ist der Zusammenhalt, den wir da erleben. Wenn wir kurz vorher die letzten logistischen Dinge auf die Beine stellen und die Schriftlage noch in letzter Sekunde hinbekommen. Dieses Gemeinschaftsgefühl in der letzten Woche der Vorbereitung ist immer sehr schön.

Interview: Michael Gläser und Lydia Polwin-Plass

WACKEN – das perfekte Paralleluniversum: Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann„, unser Buch über die Liebenswürdigkeit der Metalheads und den sozialen Aspekt der Metalszene, könnt ihr überall im Buchhandel oder signiert über info@metalogy.de bestellen.

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de