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Interview mit Heidrun Vogler von IH Security – zuständig u.a. für das Wacken Open Air Interview mit Heidrun Vogler von IH Security – zuständig u.a. für das Wacken Open Air
Wir haben uns für unser Buch "Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann" mit Heidrun Vogler von IH Security... Interview mit Heidrun Vogler von IH Security – zuständig u.a. für das Wacken Open Air

Wir haben uns für unser Buch „Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann“ mit Heidrun Vogler von IH Security unterhalten. Sie ist Hauptverantwortliche für die Security am Wacken Open Air und weiß nur Gutes über die Metalheads zu berichten. Hier das gesamte Interview.

Hallo Heidrun, danke, dass du dir Zeit für unser Interview nimmst. Wie ist denn für euch die aktuelle Lage? Müsst ihr eure Mitarbeiter vorhalten, falls sie gebraucht werden?

Heidrun: Die meisten unserer Leute haben ja einen festen Arbeitsplatz und sind damit relativ sicher. Wir haben ja auch kleinere Aufträge, Basketball- und Volleyballspiele. Statt 50 Leuten sind dann nur fünf Leute da. Aber zumindest ist ein bisschen was los. Auf fünf Leute muss man zwar nicht aufpassen, aber wir müssen darauf achten, dass die Hygienevorschriften eingehalten werden.

Wie kam es dazu, dass ihr die Security für Wacken übernommen habt?

Heidrun: Mein Lebensgefährte, Thomas Hess, war sehr gut mit Thomas Jensen befreundet und versuchte die Onkelz nach Wacken zu bringen. Denn er war Tourmanager der Böhsen Onkelz. Und als er sie dann engagiert hatte, lief er mit Thomas Jensen über den Acker und wollte alle möglichen Dinge verändern. Thomas Jensen hat dann gesagt: „weißt du was, komm doch einfach her und klär das hier vor Ort.“

Seitdem war er drinnen. 1996 war er das erste Mal dabei. Danach ist das Festival permanent gewachsen. Thomas war dann Produktionsleiter für die Geländeproduktion, hat die Pläne mitausgearbeitet und hat sich immer als Hausmeister von Wacken bezeichnet. Und ich war das erste Mal 1997 dabei, als Securitykraft. Eigentlich als Aushilfskraft. Bis 2002 bin ich die Karriereleiter etwas hochgerutscht und wurde zur weiblichen Ansprechpartnerin für Behörden und Veranstalter. Thomas hat weiter die Produktion gemacht und ich kümmerte mich ab da um die Security.

Wie lange im Voraus müsst ihr so ein Festival planen?

Heidrun: Schon während des Festivals werden Notizen gemacht, was im darauf folgenden Jahr geändert werden müsste. Bei den Nachmeetings werden diese Sachen besprochen und ggf. umgesetzt. Genauso werden dann die ersten Pläne für das kommende Jahr ausgearbeitet. Während des Festivals schreibe ich ständig Protokolle. Daran sieht man was geändert werden muss für das nächste Jahr. Die Planung der Festivals geht also fließend ineinander über. Da das Festival ja auch immer größer wird und sich auch immer etwas verändert, muss man natürlich auch immer die Neuerungen berücksichtigen und miteinplanen.

In Wacken wird es mir als Frau in solch einer Position unheimlich leicht gemacht. Natürlich habe ich immer noch zu kämpfen, aber Holger und Thomas stehen immer hinter mir. Sie sagen immer, dass man auf mich hören solle, weil ich genügend Erfahrung mitbrächte. Sie fragen mich auch oft um meine Meinung – ich fühle mich in meiner Rolle sehr wohl.

Als Thomas (Hess) 2018 ziemlich plötzlich verstorben ist, mussten wir natürlich schnell entscheiden:  können wir (ich und meine Mitarbeiter) bei IH Security weitermachen oder nicht? Aber da hängt ja auch noch ein Team dran, das mich dann auch wirklich unterstützt hat. Alleine hätte ich das alles nicht geschafft. Aber natürlich muss immer jemand da sein, der die Planung auch vor Ort übernimmt und für Veranstalter, Behörden etc. ist.

Thomas war ein toller Mensch in allen Facetten. Er hat ein Kind mitgroßgezogen, das gar nicht seine leibliche Tochter war. Als Melissa 13 Jahre alt war, erkrankte sie an einer Vorstufe von Leukämie und benötigte dann eine Knochenmarkstransplantation. Ungefähr ein Jahr später ist sein Bruder genauso plötzlich verstorben wie Thomas. Ein Jahr später starben dann noch seine Eltern, beide während eines Wacken Open Airs. Dann hatte er ein Jahr Ruhe und dann starb er selbst. Ich glaube, da ist zu viel zusammengekommen und dass er deshalb an gebrochenem Herzen gestorben ist. Nach außen hin war er ein sehr starker Mensch, ein Mann wie ein Bär, aber sowas haut auch den Stärksten um.

Lief die Knochenmarksspende damals schon über die DKMS Aktion?

Heidrun: Ja, Melissas Krankheit war der Auslöser, um das Thema Knochenmarksregistrierung in Wacken noch mehr in den Focus zu bringen. Thomas hat sich damals mit Holger lange unterhalten und Holger hatte gesagt „wir machen da etwas“. Er hatte zwar damals schon Kontakt zur DKMS, aber noch nicht in Verbindung mit dem Festival, mit Flyern und Gesprächen direkt mit DKMS, etc.

Wie war das damals für dich als du 1997 das erste Mal in Wacken warst?

Heidrun: Ganz schlimm! (lacht). Thomas‘ damalige Frau wollte, dass ich nach Wacken mitfahre. Ich habe gefragt, was ich denn dort machen solle, beschloss aber doch mitzukommen. Ich bin damals später nachgekommen, weil ich arbeiten musste. Und als ich die Ortsgrenze passiert hatte, kamen nur schwarze Menschen auf mich zu. Ich dachte: ich bin hier garantiert verkehrt am Platz (lacht).

Ich muss sagen, wir haben heute überhaupt keinen Stress mit dem Publikum. Der eine oder andere trinkt vielleicht mal etwas zu viel, der eine oder andere kifft vielleicht mal ein bisschen zu viel, aber es ist ganz anders als damals 1997. Damals gab es eher noch Leute, die ausgelotet haben, wie weit sie gehen können. Wie stark ist die Security und wie stark bin ich? (Lacht) Aber im Laufe der Zeit hat sich das immens gewandelt.

Was ich all die Jahre immer so faszinierend fand, war, dass das Publikum aufeinander aufpasst. Die helfen einander. Egal ob Behinderte Hilfe brauchen, Leute sich verlaufen haben, oder Menschen das Rote Kreuz suchen, egal was, alle helfen einander. Wenn zum Beispiel jemand die Security sucht und jemanden nach dem Weg fragt, sagt der andere: ach komm, ich muss da auch hin, gehen wir doch gemeinsam. Das ist das, was das Festival ausmacht: Dieses Miteinander. Wir haben schon auf einigen großen Festivals gearbeitet, aber dieses Flair wie auf dem Wacken Open Air gibt es sonst nirgends. Das muss ich einfach so sagen.

Auf der einen Seite hast du ein neugieriges Publikum, das das W:O:A unbedingt einmal sehen will, auf der anderen Seite hast du die treuen Hardcore-Fans, die diese Musik gerne hören. Und doch spielt das alles wunderbar zusammen. Selbst wenn sich irgendwo Stress anbahnt und eine Schlägerei droht, klären die Leute das in der Regel selbst. Bis wir dann da sind, stehen die meist schon am Bierstand und trinken miteinander ein Bier.

Deckt die IH Security eigentlich auch das Dorf mit ab?

Heidrun: Nein, wir haben zwar dem Ordnungsamt schon öfter unsere Hilfe angeboten, aber das ist außerhalb unseres Arbeitsbereichs. Das Dorf ist öffentlicher Raum – dafür sind Ordnungsamt und Polizei zuständig. Da wir aber in engem Kontakt stehen, wissen die Behörden auch, dass wir sie jederzeit unterstützen, wenn sie uns brauchen.

Und der Campground?

Heidrun: Der läuft unter einer anderen Security Firma, aber wir arbeiten sehr eng zusammen und sind ein wunderbar eingespieltes Team. Wir verstehen uns alle sehr gut. Es haben sich gute Freundschaften entwickelt und wir würden uns niemals über die anderen beschweren. Auftretende Probleme klären wir immer untereinander. Alle Beteiligten, vom Manager bis hin zu den Securityleuten, sind inzwischen ein eingeschworenes Team. Jeder weiß, wen er ansprechen muss, damit dann alles funktioniert.

Woher kommt euer Name: IH Security?

Heidrun: Der Name IH Security kommt von Thomas Namen. Thomas Hess – International Hess.

Mit wie vielen Kräften seid ihr eigentlich immer vor Ort?

Heidrun: Wir fangen 14 Tage bis drei Wochen vorher an. Am Anfang sind wir nur zwei Leute. Das steigert sich dann bis zum Mittwoch, dem ersten Veranstaltungstag, auf 800 Mitarbeiter. Um so viele Leute zu koordinieren, müssen wir natürlich mit der Planung schon sehr früh beginnen. Deswegen geht es eben auch schon nach Ende des Festivals los mit der Planung für das kommende Jahr. Am Ende des Festivals erfährt man von den Behörden, was für nächstes Jahr geändert werden muss und ab dem Zeitpunkt sind wir eigentlich ständig am Planen, gemeinsam mit dem Veranstalter. Wir setzen uns dann auch alle zwei Monate zusammen und gehen die gesamte Planung durch.

Reißen sich die Leute darum, in Wacken arbeiten zu dürfen?

Heidrun: Ja, da gab es auch schon mal Tränen. Dieses Jahr vor allem sind hier einige Tränen geflossen wegen des Ausfalls, auch bei mir. Jetzt gar nicht wegen des Verdienstes, sondern einfach wegen dieses Flairs, das wir so vermissen.

Thomas und Holger machen auch sehr viel für die Mitarbeiter. Wenn es zum Beispiel irgendwo hapert, dann kümmert sich Holger sofort darum. Auf anderen Festivals ist das meist anders. Da wird das Personal abgestellt und dann steht es da. Holger fährt bei den Leuten mit seinem Fahrrad vorbei und fragt, ob alles in Ordnung ist und führt mit den Leuten Smalltalk. Das macht es halt auch aus, umso mehr freut man sich dann auf die Arbeit.

Ein Freund von mir wollte unbedingt auch mal mit nach Wacken. Zuerst habe ich ihm einen Platz beim Eingang gegeben. Dann hat er gemeint beim Eingang sei es doch langweilig, er würde gerne mal im Bühnengraben stehen. Ich habe ihn gewarnt, dass es im Fotograben ja doch recht heftig sei und er dann auch nicht rumjammern dürfe. Dann durfte er im Bühnengraben stehen, und seither steht er immer dort.

Andere Securitys haben uns erzählt, dass sie am Tag teilweise bis zu 1000 Crowdsurfer heben müssen. Das muss ja schon ganz schön heftig sein.

Heidrun: Ja, das ist ein ganz schöner Knochenjob im Bühnengraben. Unsere Leute bemühen sich wirklich sehr, dass niemand fallen gelassen wird. Aber am Abend sind die Jungs alle total platt. Aber dadurch, dass die Bühnen ständig wechseln, kann immer eine Security Crew Pause machen. Nur wenn mal ganz viele Crowdsurfer unterwegs sind, dann kann es schon sein, dass sich die Securitys von den anderen Bühnen gegenseitig unterstützen müssen. Aber meistens können Sie zwischendurch Pause machen.

In Wacken ist vieles natürlich auch wetterabhängig. Wir hatten nachts um drei auch schon Bodenfrost, tagsüber aber durchaus 30°. Das ist natürlich eine ziemliche Belastung für den Organismus. Wenn es dann auch noch schlammig ist, dann kann einem das ganz schön zu schaffen machen. Wenn mich die Leute fragen, was sie denn an Kleidung einpacken sollten, dann sage ich: „einfach alles“(lacht).

Was empfindet ihr denn als anstrengender: Schlamm oder Hitze?

Heidrun: Beides. Das ist für jeden anders. Für manche ist der Schlamm schlimm und für manche die Hitze. Wenn Hitze da ist, dann gibt es auch viel Staub. Der kommt dann in die Augen, die Nase, auf das Essen, etc. Es leidet jeder unter irgendwas anderem. Wenn es kalt und nass ist, muss man darauf achten, dass die Gäste zugedeckt sind. Dass Betrunkene eingesammelt werden, etc.

Wie ist denn die Quote zwischen Damen und Herren bei euch?

Heidrun: Ich schätze mal 65 % Männer und 35 % Frauen. Die Mädels können besser auf die Männer einwirken. Wenn es irgendwo Schlichtungsbedarf gibt, und die Frauen vorgehen und auf die Leute einwirken, dann funktioniert das zu 95 %. Frauen können auch besser „betüddeln“. Hast du was gegessen? Hast du was getrunken? Hast du schon ein Päuschen gemacht? Die kümmern sich halt auch besser um die Kollegen. Das Publikum ist ja auch wirklich extrem chillig mittlerweile. Da wird nicht unbedingt Kraft benötigt, sondern eher Diplomatie. Außer natürlich im Bühnengraben (lacht).

Meinst du, dass ich bei den Metalheads das Bewusstsein und die Selbstwahrnehmung etwas geändert hat?

Heidrun: Ja, der Männeranteil war ja früher viel größer, inzwischen sind ja unter den Metalheads auch ganz viele Frauen. Auch das hat sicher einiges bewirkt. Auch der Alkoholkonsum ist zurückgegangen. Denn heute gehen die Leute eher auf das Festival, um die Musik zu hören, als sich zu besaufen.

Mein Bruder ist zwar sechs Jahre älter als ich, war aber 2019 das erste Mal in Wacken. Er war total begeistert und meinte das wäre wie ein Schauspiel. Innerhalb von Minuten hat er Neuseeländer kennen gelernt, Chinesen, Südamerikaner, mit denen er auch am Abend gemütlich beisammen gesessen ist. Er hat soweit das von der Sprache her möglich war, nette Gespräche geführt und am Ende Adressen ausgetauscht.

Er meinte, er wollte mir das zwar nie glauben, aber jetzt musste er zugeben, dass Wacken nicht vergleichbar ist mit anderen Festivals (lacht). Die Internationalität ist einfach großartig. Und natürlich auch das Gechillte. Dieses Miteinander, ist einfach fantastisch. Wenn man Hilfe braucht, bekommt man sie augenblicklich.

Kennst du dich inzwischen auf dem Festivalgelände gut aus? Oder verläufst du dich selbst auch noch ab und zu?

Heidrun: Nachdem ich drei Wochen vorher schon dort bin, habe ich die Möglichkeit mir das Gelände sehr gut einzuprägen. Wir fahren da auch mit dem Auto das Gelände ab bzw. unsere Positionen, um auch zu sehen wie es tatsächlich vor Ort aussieht und die neuen Gegebenheiten im Vergleich zum Vorjahr sind.

Wie läuft es mit eurer Logistik und wo übernachtet ihr?

Heidrun: Ich schlafe in einem gemieteten Wohnwagen vor Ort. Thomas hat vor ein paar Jahren gesagt, dass wir in der Nähe vom Festival sein müssen und so haben wir uns dann diesen Wohnwagen angeschafft. Der steht dann vor Ort und da schlafen und duschen wir dann auch. Es gibt auch Situationen wo ich schnell vor Ort gebraucht werde dann macht es Sinn, so nah wie möglich dran zu sein.

Die Haupt Security hat eine Wiese mit Check-in Container und auf der Wiese wird dann gezeltet. Die meisten schlafen in Zelten. In den Containern sind dann die ganzen Klamotten und die werden dann immer ein- und ausgecheckt.

Morgens vor dem Schichtbeginn gehen die Mitarbeiter dorthin, bekommen ihre Position und Ihre Einweisung mitgeteilt und gehen dann los. Wenn ihre Position zu weit weg ist, werden sie auch hingefahren. Die Autos und Fahrräder werden dann vorher bei ICS bestellt.

Versucht ihr jedes Jahr die gleichen Leute nach Wacken mitzunehmen?

Heidrun: Jein, das geht nicht immer, denn manche Leute werden ja auch älter und da das ja schon ein anstrengendes Wochenende ist, können manche dann oft nicht mehr mithalten. Aber manche Leute sind inzwischen 20 Jahre mit dabei. Da waren einige, die das einfach mal ausprobieren wollten, und dann waren sie so begeistert, dass sie dabeigeblieben sind und jedes Jahr mitfahren wollten nach Wacken. Einer sagte: „also einmal möchte ich einen Tag mitkommen, um das mal gesehen zu haben, aber trag‘ mich noch nicht ein für nächstes Jahr“.

Nachdem er aber nach dem W:O:A zwei Tage zu Hause war, rief er sofort an und sagte: „Bitte trag‘ mich für nächstes Jahr ein und da komme ich auch länger mit.“ (lacht).

Es gibt natürlich auch noch Leute, für die das gar nichts ist. Aber hauptsächlich wegen der äußeren Umstände. Nicht jeder kann campen.

Ich habe auch schon Leute abgelehnt. Mädels zum Beispiel, die dachten, sie könnten mit High Heels nach Wacken fahren (lacht). Man muss schon an die Gegebenheiten angepasst sein und das Wetter darf einen nicht stören. Aber Holger kümmert sich so nett um uns, wenn nötig sogar um jeden einzelnen Mitarbeiter.

Werdet ihr essenstechnisch vom Veranstalter versorgt?

Heidrun: Ja, zum Teil haben wir mobiles Essen, für die Leute die die während Ihrer Schicht immer an derselben Stelle stehen, bzw. weiter entfernt sind. Und die anderen Mitarbeiter können mit ihren Bons oder der Karte überall Essen holen.

Und das Essen in Wacken ist ja super lecker und mit einer großen Auswahl. Wir haben sogar Mitarbeiter, die nur wegen dem Essens hinfahren (lacht).

Was sind denn so die größten Herausforderungen, die euch begegnen?

Heidrun: Eigentlich nur das Wetter: wenn zum Beispiel eine Gewitterfront auf uns zukommt, müssen wir das früh genug erfahren um dann planen zu können, wie wir damit umgehen. Aber bisher konnte wirklich alles relativ schnell und komplikationslos gelöst werden. Wir bekommen das dann über die Einsatzzentrale mit. Wenn ein Problem kommt, muss es sofort gelöst werden.

Unterscheidet sich das Wacken Open Air von der Organisation her stark von anderen Festivals?

Heidrun: Ja, ganz immens. Das sind die vielen verschiedenen Gewerke, die schon seit vielen Jahren zusammenarbeiten und sich untereinander kennen. Örtliche Behörden, Feuerwehr, Rotes Kreuz, Polizei, Ordnungsamt – alle sind ein großes Team gemeinsam mit den Veranstaltern. So etwas habe ich in ganz Deutschland in meiner gesamten beruflichen Karriere sonst nirgends erlebt.

Ich sage immer: der Rest des Körpers kann nur so gut funktionieren wie der Kopf. Wenn wir uns tatsächlich mal uneinig sind, dann wird das so lange ausdiskutiert, bis eine Lösung gefunden wird, die für alle in Ordnung ist.

Ich war auf anderen Festivals, wo wir zehn Jahre lang gearbeitet haben, und ein einziges Mal in diesen zehn Jahren das Ordnungsamt zu sehen bekommen haben. Wenn ich in Wacken bin, dann weiß ich, dass sowohl die Polizei, als auch das Ordnungsamt 24 Stunden für mich da sind. Von der Öffnung des Infields bis zur Schließung. Die helfen mir sogar das Feld zu räumen. Da helfen alle mit: DRK, Feuerwehr, Polizei, Ordnungsamt (lacht). Egal wie das Wetter ist, ob es regnet, matschig oder schönes Wetter ist. Und das macht halt auch das Feeling aus. Das spiegelt sich auch in den Mitarbeitern wider.

Ich habe mal zum Thomas Jensen gesagt: wir können hier Sonnenblumen verteilen – Flower Power. Die Metalheads sind einfach toll. Echt!

Wenn man an den Ständen vorbei läuft und die Standbetreiber fragt, wie es Ihnen geht, sagen Sie auch meistens „alles toll“. Keiner beschwert sich. Und sowas ist doch wirklich super, wenn alle so zufrieden sind und man nicht immer unter Druck stehen muss.

So macht das halt auch Spaß.

Hörst du denn selber auch Heavy Metal?

Heidrun: Zu einem gewissen Grad, ja. Death Metal, zum Beispiel ist nicht so ganz mein Ding. Ich war ein riesen Fan von Ronnie James Dio und natürlich höre ich auch gerne Iron Maiden. Aber alles, was über diese Richtung hinausgeht, ist nicht so ganz meins. Aber ich bekomme eigentlich eh kaum was von der Musik mit. Wenn ich in der Produktion höre, dass ein bestimmtes Lied angespielt wird, das ich gerne hören würde, würde es viel zu lange dauern bis ich bei der entsprechenden Bühne angekommen bin. Da wäre dann schon alles wieder vorbei (lacht). Saxon höre ich auch sehr gerne. Ich war natürlich auch schon auf Konzerten. Wenn man aber so einen Job macht, dann geht man privat eigentlich kaum auf Konzerte. Man hat halt auch schon Vieles gesehen und bekommt Vieles so nebenbei mit. Man kann dann auch privat die Konzerte nicht so richtig genießen, weil man auf alles rundherum achtet, auf die Feuerwehr, auf der Polizei, man fühlt sich fast wie in der Arbeit.

Wie viele Aufträge neben Wacken habt ihr denn so im Jahr?

Heidrun: Wir haben jedes Jahr auch noch vier andere Festivals, einige Sportveranstaltungen, und wir haben ein riesiges Equipment mit Absperrgittern. In Frankfurt zum Beispiel sperren wir damit die gesamte Innenstadt beim JP Morgan Lauf ab. Oder auch das Radrennen vom 1. Mai. Eigentlich sind wir jedes Jahr ausgelastet. Wenn dann die Outdoor Saison zu Ende ist, dann geht die Hallensaison wieder los und da betreuen wir viel Comedy. Mario Barth und Bülent Ceylan z.B.

Die Zäune, die in Bad Soden in einer Halle stehen, verleihen wir dann.

Als es so matschig war, haben wir nach dem Festival vier Wochen lang nur Zäune geputzt von morgens bis abends.  So dreckig kann man den natürlich nicht weitervermieten. Kurz dachten wir daran den Matsch in eBay zu stellen – als Wacken Matsch (lacht).

Was ist das Besondere an den Metalheads?

Heidrun: Vor allem die chillige Art. Davon bin ich jedes Jahr aufs Neue fasziniert. Ob das die Anfahrt ist, wo die Metalheads oft sehr lange mit ihren Autos stehen und endlos warten. Oder an den Eingängen – die Metalheads bleiben immer entspannt. Niemand beschwert sich, niemand schreit, alle bleiben freundlich. Oder auch wenn sie in den Graben hinein gehoben werden nach dem Crowdsurfen und sich dann freundlich bedanken „oh vielen Dank, toll gemacht Jungs…“ Sowas gibt es sonst nirgends. Überhaupt nicht. Das ist einfach super!

Meinst du, kann die Gesellschaft etwas von den Metalheads lernen?

Heidrun: Ja, das Gechillte, sich nicht gleich über etwas aufzuregen, sondern erst mal alles auf sich zukommen zu lassen. Die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Egal, ob es das Wetter ist, oder die Politiker auf die normalerweise geschimpft wird, das machen Metalheads nicht. Und auch jetzt, ich bin mit der Produktionsleitung in engem Kontakt und wenn wir uns mal sprechen, dann reden wir nicht über die Arbeit, sondern eher davon wie sehr wir uns darauf freuen einander wieder in den Arm nehmen zu dürfen. Das ist typisch für die Wackener und ich vermisse es zurzeit sehr.

Heidrun kannst du uns zu folgenden Stichwörtern spontan sagen was dir einfällt?

Rituale

Heidrun: Jedes Jahr aufs Neue. Vieles verändert sich, auch Mitarbeiter ändern sich oder wechseln, aber es bleiben doch sehr viele Rituale. 

Ernährung

Heidrun: Gerade in diesem Job ist Ernährung sehr wichtig. Viel Gesundes, viel Flüssigkeit. Man muss hier unbedingt auf seinen eigenen Körper achten, um leistungsfähig zu bleiben. Die Nachfrage nach Obst ist in Wacken sehr groß. Auch, um damit den Zuckerhaushalt aufzufüllen. Außerdem ist es etwas Frisches und enthält viel Flüssigkeit. Da hat sich auch sehr viel verändert. Inzwischen wollen Mitarbeiter eher einen Apfel als Pommes rot.

Gibt es bei euch Alkoholverbot während des Festivals?

Heidrun: Ja, außer dem Feierabend Bier bevor die Leute ins Bett gehen. Wenn ich merke, dass sich jemand nicht daran hält, werfe ich ihn rigoros raus. Die bekommen dann für den nächsten Tag Arbeitsverbot. Denn das könnte ich nicht verantworten.

Wie stehst du zur Massentierhaltung?

Heidrun: Ganz furchtbar! Finde ich ganz schlimm! Wir haben selbst zwei Pferde, und es ist mir sehr wichtig, dass ich weiß, wo mein Fleisch und meine Wurst herkommen. Ich kaufe nicht das Fleisch aus der Plastikverpackung. Entweder ich esse gar kein Fleisch oder eines von einem vernünftigen Fleischer, oder direkt von einem Bauern, der seine Tiere ordentlich hält.

Eigentlich achte ich darauf schon, seit ich bei meinen Eltern ausgezogen bin. Denn ich finde Massentierhaltung ganz furchtbar. Von der Haltung an sich über die Transporte bis hin zu den Schlachthöfen. Ich verstehe auch nicht, dass es da nicht langsam Gesetze gibt, die das nicht mehr erlauben. Wenn ich auf der Autobahn die Tiertransporte sehe, dann wird mir schlecht. Da darf man sich auch nicht wundern, dass die Menschheit immer kränker wird. Wenn wir die Tiere so vollstopfen mit Medikamenten, Antibiotika, etc. es aber keinen interessiert.

Nachhaltigkeit

Heidrun: Sollten wir alle umsetzen.

Werte

Heidrun: Haben einen sehr hohen Stellenwert. Egal, ob es um Menschen oder Tiere geht, es ist alles ein Kreislauf. Man sollte die Werte sehr hochhalten. Werte mit Rücksichtnahme.

Ethik

Heidrun: Heutzutage teilweise schwer umsetzbar, weil die Menschen zum Teil voreinander den Respekt verloren haben. Um ethisch miteinander umzugehen, muss man Respekt voreinander haben und auch vor den Tieren. Man sollte zum Beispiel mit Kindern auf Bauernhöfe gehen und ihnen erklären, woraus ein Schnitzel gemacht wird. Respekt und Ethik, wird heute viel zu wenig beigebracht. Deswegen wird auch viel zu wenig Wert auf Tierleben gelegt.

Wacken

Heidrun: Toll! Viele Freunde, anstrengende Arbeit aber viel Spaß.

Schwarz

Heidrun: Tolle Farbe. Ich bin gelernte Zahnarzthelferin und musste früher beruflich immer Weiß anziehen. Jetzt genieße ich es, dass in meinem Kleiderschrank so viele schwarze Sachen sind.

Toleranz

Heidrun: Gibt es allgemein viel zu wenig. Toleranz gegenüber anderen Menschen.

Alter

Heidrun: (Lacht) Da kommen wir alle hin. Man ist nur so alt, wie man sich fühlt.

Finanzen

Heidrun: Als mittelständisches Unternehmen zur Zeit sehr schwierig. Das geht wahrscheinlich vielen so.

Umweltschutz

Heidrun: Wird allgemein zu wenig umgesetzt. Warum, zum Beispiel, muss ich einen Apfel im Supermarkt in eine Plastiktüte geben? Warum kann ich mir eigentlich die Milch nicht in eine Flasche abzapfen? Oder wie neben den Autobahnen die Straßen und Wiesen verunreinigt sind, das verstehe ich nicht.

Gemeinschaft und Zusammenhalt

Heidrun: Wichtig für das Überleben der Menschen, so wie auch Freunde.

Gesellschaftliche Verantwortung

Heidrun: Hätten wir eigentlich alle. Ob es sich jetzt um Umweltschutz handelt, oder Massentierhaltung, wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung gegenüber unserer Umwelt unseren Kindern zu tragen.

Familie

Heidrun: Ohne Familie geht gar nichts, für die Familie kämpfen und für die Familie da sein. Für mich ist auch Wacken Familie. Ich hätte wahrscheinlich nach dem Tod meines Mannes nicht weiter machen können, wenn nicht meine Wacken-Familie gewesen wäre. Dazu gehören Thomas und Holger mit ihren Familien, die Ordnungsbehörde, etc. ich habe so viel Rückhalt bekommen. Ohne Familie geht wirklich nichts. In solchen Situationen merkt man dann, wer die wahren Freunde und die wahre Familie sind. Oft sind die vermeintlich besten Freunde dann gar nicht die wirklich besten Freunde.

Persönliche Fragen

Dein Lieblingstier?

Heidrun: Mein Hund und die Pferde

Dein Lieblingsfilm?

Heidrun: Zurzeit kuck ich mit meiner Tochter viele Horrorfilme. Aber auch gerne Liebesfilme.

Dein Lieblingsbuch?

Heidrun: Wegen Melissa habe ich mich in letzter Zeit mit medizinischen Büchern befasst. Aber zum Einschlafen brauche ich kein Buch, im Gegenteil das wühlt mich nur auf. Ein richtiges Lieblingsbuch habe ich nicht.

Dein Lieblingsalbum?

Heidrun: Ozzy Osbourne

Dein Lieblingsessen?

Heidrun: Schnitzel, Pommes Frittes und Salat (lacht).

Dein Lieblingsgetränk?

Heidrun: Radler und Apfelsaftschorle. Aber meistens trinke ich Wasser. Und natürlich Kaffee.

Dein Hobby?

Heidrun: Reiten und die Pferde.

Dein Lieblingsreiseziel?

Heidrun: Ich würde gerne nach Afrika fahren, um dort eine Rundreise zu machen. Am liebsten mit dem Zug durch Afrika.

Gibt es etwas, worin du zwei linke Hände hast?

Heidrun: Ja, ich könnte zum Beispiel keine Lampe anbringen. Ich kenne mich mit Elektrik überhaupt nicht aus.

Deine größte Sorge oder Angst?

Heidrun: Dass mein Kind krank wird.

Was liebst du am meisten?

Heidrun: Mein Kind.

Was verabscheust du am meisten?

Heidrun: Krankheiten und wenn es anderen Menschen schlecht geht und ich nicht helfen kann. Das ist ein ganz, ganz schlimmes Gefühl. Das möchte ich nie wieder erleben.

Dein größter Wunsch oder Traum für dich selbst?

Heidrun: Dass ich gesund bleibe, lange diesen Job machen kann, lange für meine Tochter da sein kann. Und dass ich noch ein bisschen Spaß am Leben haben darf.

Dein größter Wunsch für die Welt?

Heidrun: Eine Welt ohne Krieg und dass die Menschen mehr Rücksicht aufeinander nehmen.

Was würdest du gerne der Welt mitteilen?

Heidrun: Dass man aufeinander Rücksicht nimmt, egal welche Rasse, Hautfarbe, Kultur, etc. Stadt Krieg zu führen lieber einmal in den Arm nehmen und ein Bier trinken gehen.

Hast du abschließend noch eine Anekdote aus eurem Alltag für uns?

Heidrun: Ja, bei uns laufen ja die Notrufe zusammen. Und da wurden wir um einen Rettungswagen gebeten für eine Frau am Eingang mit einer stark blutenden Wunde am Oberschenkel. Das Ergebnis: das erste Wacken Baby (lacht). Offenbar ging da schon Fruchtwasser ab und es setzten auch sofort die Wehen ein. Das Baby kam vor Ort auf die Welt. Der Security war natürlich kein Arzt und konnte das Blut nicht gleich deuten. Er war natürlich angesichts des vielen Blutes ein wenig in Panik. Das war unser größtes Highlight. Ein wirklich freudiges Ereignis. Schwangere in Wacken oder auf Metalkonzerten werden immer von allen hier rundherum sehr gut versorgt und total verwöhnt.

Interview: Lydia Polwin-Plass und Michael Gläser

Headerbild / Pressefoto: Corinna Seibert

WACKEN – das perfekte Paralleluniversum: Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann„, unser Buch über die Liebenswürdigkeit der Metalheads und den sozialen Aspekt der Metalszene, könnt ihr überall im Buchhandel oder signiert über info@metalogy.de bestellen.

Wir würden uns sehr freuen.

Vielen lieben Dank für euren Support.

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de