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Interview mit Dr. Michael Kappus / Klinikum Itzehoe – zuständig für das W:O:A Interview mit Dr. Michael Kappus / Klinikum Itzehoe – zuständig für das W:O:A
Für unser Buch "Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann" haben wir mit Dr. Michael Kappus vom Klinikum Itzehoe,... Interview mit Dr. Michael Kappus / Klinikum Itzehoe – zuständig für das W:O:A

Für unser Buch „Wacken – Das perfekte Paralleluniversum. Was die Gesellschaft von Metalheads lernen kann“ haben wir mit Dr. Michael Kappus vom Klinikum Itzehoe, Klinik für Unfallchirurgie, gesprochen. Er erzählte uns Details aus dem W:O:A Alltag und wie er die Metalheads lieben lernte. Hier das vollständige Interview.

Hallo Herr Dr. Kappus. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen. Könnten sie sich kurz vorstellen und erzählen, was Sie im Klinikum Itzehoe machen und was Sie mit dem W:O:A zu tun haben?

Dr. Kappus: Mein Name ist Michael Kappus. Ich bin Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie hier am Klinikum Itzehoe und gleichzeitig seit über einem Jahrzehnt ärztlicher Direktor. Ich bin seit über 20 Jahren im Klinikum und wir haben von der Unfallchirurgie/Orthopädie während des Wacken Open Air immer Großkampftage (lacht). Wobei man sagen muss, dass sich das Festival über die Jahre hochgradig professionalisiert hat. Mittlerweile gibt es einen Hauptverbandsplatz vor Ort, so dass viele kleine Verletzungen dort behandelt werden, und die Leute eigentlich alle vorbegutachtet werden, bevor sie hier ins Klinikum kommen. Wir haben in der Regel beim Wacken Open Air immer etwa 200 bis 300 Patienten, die stationär behandelt werden müssen. Und was ich sagen muss: Die Metalfans schauen in ihrer Kluft ja immer etwas verwegen aus, je nach Witterungsverhältnissen sieht der Klinikboden dann genauso aus, aber die Leute sind außerordentlich freundlich und friedlich. Es hat hier nie irgendwelche Verwerfungen gegeben, auch wenn manche Leute durchaus unter Drogen- und Alkoholeinfluss stehen. Es hat nie irgendwelche Gewaltszenen oder unerfreuliche Auftritte gegeben. Die Leute sind immer sehr freundlich und unproblematisch gewesen. Das bezieht sich auch auf alle Nationen. Wir haben ja auch Leute, die aus anderen Ländern hierherkommen, aber das ist immer unkompliziert.

Waren Sie schon selber vor Ort?

Dr. Kappus: Vor Ort bin ich auch schon gewesen. Ich habe mir das mehrfach angesehen. Als damals die schlimmen Dinge bei der Love Parade in Duisburg passierten, wurde auch das Wacken Open Air erheblich professionalisiert. Man hat aufgrund der Erfahrungen, die in Duisburg gemacht wurden, Spezialzäune drumherum errichtet, die zentral durch einen einfachen Klick geöffnet werden können. Wenn es zu einer Panik kommt, fallen die Zäune nach außen um und die Leute können in die Landschaft flüchten. Das ist sehr gut organisiert. Es gibt vor Ort mittlerweile eine kleine Stadt aus Containern für die Unterstützer. Das ist erfreulich problemlos jedes Jahr. Meine Besuche beim Wacken Open Air sind auch immer kurios. Ich bin einmal in komplett weißer Kleidung dort gewesen, was zwischen den ganzen Schwarzgewandeten der Clou war. Da bin ich überall mit großem Hallo begrüßt worden. Das hat richtig Spaß gemacht.

Sind sie selbst Metalfan?

Dr. Kappus: Nein, bin ich nicht. Ich bin jedes Mal wieder fasziniert davon, dass diese Musik, die ja laut ist und – zumindest für mich – eine aggressive Performance hat, dazu führt, dass die Leute so friedlich sind. Offensichtlich lässt das die Leute total ihre eigenen Aggressionen loswerden und sie sind freundlich und unkompliziert. Ich muss eher gestehen, dass bei mir nach zwei Stunden Aufenthalt eher das Aggressionslevel steigt (lacht). Ganz im Gegensatz zu den Metalheads.

Sind Sie aus organisatorischen Gründen vor Ort oder sind Sie im Behandlungsteam?

Dr. Kappus: Aus organisatorischen Gründen und einfach aus Interesse. Das ist ja ein Riesen-Event mit fast 100.000 Leuten. Ich kenne auch Holger Hübner schon seit vielen Jahren und dann habe ich die Gelegenheit genutzt, mal vorbei zu schauen. Ich finde auch die Atmosphäre in diesem Ort so toll. Es gibt ja auch den netten Film, der vor einigen Jahren gedreht wurde. Wenn im Dorf Marmelade und Kuchen verkauft wird und jeder hat das letzte Bett noch als Gästebett aufgestellt. Das ist einfach eine ganz tolle, coole Atmosphäre.

Die schönste Anekdote, die ich aus der Wackenzeit kenne, ist schon ein paar Jahre her. Da war ich am Wacken-Wochenende morgens hier und habe geschaut, wie es so läuft. Im Warteraum saß damals eine mindestens 75 Jahre alte Frau, schwarzgewandet, mit einem langen schwarzen Kleid. Die wartete auf ihre Behandlung. Das hatte ich zunächst gar nicht wahrgenommen. Am späten Nachmittag musste ich wieder in die Klinik, um zu operieren und dann saß diese Frau immer noch da. Da habe ich mich gefragt, ob die jemand vergessen hat. Ich habe sie gefragt, was denn los sei. Sie erzählte, dass sie wenige Tage vorher Witwe geworden war und war jetzt in der Ambulanz, weil sie gefallen war. Aber weil sie so schwarz angezogen war, scharten sich im Laufe des Morgens um sie die Metalheads. Also lagerten lauter junge Leute um sie herum. Sie sagte  mir dann am Abend, dass es der schönste Tag ihres Lebens gewesen sei. Von so vielen netten jungen Leuten umgeben, das war einfach wunderbar für sie. Zu sehen, dass diese Frau, die eigentlich aus einem anderen Grund schwarz gewandet war, so dankbar und glücklich über den menschlichen Kontakt war, war eine ganz besondere Erfahrung.

Was ist für Sie denn schlimmer: Schlamm oder Hitze?

Dr. Kappus: Ich finde die Hitze schon angenehmer. Wenn Schlamm ist, müssen wir neben den ganzen Blutspuren auch noch den ganzen Dreck hier wegräumen. Das ist entschieden mühsamer. Wenn es sonnig ist, dann haben wir zwar den Nachteil, dass die Leute, um ihr Flüssigkeitsdefizit aufzufüllen, noch mehr Alkohol trinken. Aber, wie gesagt, sind die meisten dabei ja sehr friedlich.

Gibt es zur Wackenzeit in Ihrer Klinik Urlaubssperre?

Dr. Kappus: Eine Urlaubssperre gibt es nicht. Wacken ist ja immer das erste Wochenende im August. Es ist schon so, dass wir in den zentralen Aufnahmen und in der Unfallaufnahme Doppelbesetzung haben, so dass wir im äußersten Notfall auch Leute nachholen könnten. Aber das ist bisher erfreulicherweise nicht eingetreten.

Wieviele Kräfte haben Sie im Einsatz während des W:O:A?

Dr. Kappus: Das sind viele. In der zentralen Aufnahmestation sind grundsätzlich zwei Ärzte tätig und in der Unfallaufnahme sind zwei Ärzte tätig. Dazu kommen noch an die 25 Pflegekräfte.

Gibt es dafür eine spezielle Planung?

Dr. Kappus: Ja, das haben wir seit Jahren institutionalisiert. Eine der leitenden Pflegekräfte ist verantwortlich dafür und muss dafür sorgen, dass immer genügend Leute da sind. Wir haben auch in den letzten Jahren versucht, dass wir einen Service mit Englisch-sprechenden Mitarbeitern einrichten, so dass wir ausländischen Gästen helfen können. Manchmal fehlt das Portemonnaie und dann ist es etwas chaotisch. Durch engagierte Leute können wir da sehr gut unterstützen, was auch den Umgang miteinander wieder sehr fördert. Wir haben auch schon von manchen Leuten sehr nette Dankesbriefe bekommen.

Was sind denn die häufigsten Verletzungen?

Dr. Kappus: Typischerweise sind es Handgelenks- oder Sprunggelenksbrüche, weil Leute im Matsch umgeknickt oder im Suff gefallen sind. Es gibt aber auch gruselige Verletzungen. Wir hatten einen Patienten, der sich auf einen nicht mehr ganz funktionsfähigen Campingstuhl niedergelassen hatte. Dem war das Bein dieses Campingstuhls durch das Gesäß in den Bauchraum bis fast zum Brustkorb eingedrungen. Der hat sich praktisch selber mit dieser Latte aufgespießt. Das war natürlich gruselig, aber der ist noch gut davongekommen. Der kam von weiter her und als er dann einen künstlichen Darmausgang brauchte, ist er extra für die Operation wieder hier in den Norden gekommen.

Es hat natürlich auch schon Todesfälle gegeben. Bei einem so riesigen Festival ist das gar nicht anders zu erwarten.

Was ich aber über die Jahre sehr erfreulich fand, war, dass es außerordentlich friedlich war. Opfer von Schlägereien haben wir nie gesehen. Wenn hier in Itzehoe Weinfest ist, ist das ganz anders. Da haben wir dann die Leute mit eingeschlagener Birne. Das ist beim Wacken Open Air nicht der Fall.

Was mir noch als wichtiges Detail in Erinnerung geblieben ist, ist, dass vor Jahren wohl kriminelle Organisationen vom Wacken Open Air Wind bekommen haben. Da sind dann Gangs durchs Gelände gezogen, die ziemlich aufgemischt und für Unruhe gesorgt haben. Aber das ist durch die Sicherheitskonzepte der nachfolgenden Jahre weitgehend behoben worden.

Ich sehe das natürlich in der Rolle des Chefs so eines großen Krankenhauses und bei alldem, was man über die Jahre von Großveranstaltungen mitkriegt, ist das immer eine medizinische und logistische Herausforderung. Ich finde es absolut bewundernswert, wie sie das über die Jahre beim W:O:A professionalisiert haben. Das ist wirklich großartig.

Also sind Sie auch in das ganze Organisationskonzept eingebunden?

Dr. Kappus: Ja. Auch am Anfang. Mittlerweile wird uns das Konzept direkt vorgestellt. Es gibt seit Jahren feste Teams, die das machen. Ein Arzt aus unserem Haus ist ein Stück weit direkt in die Vorplanung miteingebunden. Es gibt einen problemlosen Informationsfluss.

Wie war das denn für Sie, als Sie das erste Mal Metalheads aufgenommen haben?

Dr. Kappus: Da habe ich mich nicht viel von anderen Leuten unterschieden und habe gedacht: Oh Gott, was wird da auf uns zukommen. Aufgrund des Auftretens und dieser Art von Musik hatte ich ganz anderes befürchtet. Ich bin da sehr erfreulich eines Besseren belehrt worden.

Haben Sie in der Familie Metalheads?

Dr. Kappus: Ja, mein Schwiegersohn macht sogar solche Musik. Der ist ganz begeistert. Der ist aus Großbritannien, lebt jetzt aber hier und sein großer Traum ist, dass er mal zum Wacken Open Air kann. Ich denke, das wird möglich sein.

Was bedeutet das Wacken Open Air für Sie persönlich?

Dr. Kappus: Ich finde, zu sehen, wie in einem Dorf in Mittel-Holstein, wo sich fast noch Hase und Igel Gute Nacht sagen, eine solche internationale Veranstaltung funktioniert, das ist toll. Ich bin eigentlich Hamburger und die Hamburger sind da ziemlich schnöselig. Für die hört die Welt eigentlich am Stadtrand Hamburgs auf.

Da habe ich noch eine Anekdote. Ich bin häufiger in Amerika gewesen. Und auf einem der Flüge saß ein mittel-alter Texaner neben mir. Der fragte, wo ich herkam. Hamburg sagte ihm nichts. Ich habe dann probehalber mal Wacken gesagt. Daraufhin kam ein „Wacköööööön“ von ihm. Da wusste er sofort Bescheid und er ist auch mal dort gewesen. Hamburg hatte er vergessen, Wacken nicht. Das finde ich absolut faszinierend. Es profitiert ja auch eine ganze Region davon. Und wenn man dann sieht, wie die Leute im dörflichen Umfeld vorher gedacht haben und wie dort Völkerverständigung und Weltoffenheit funktionieren kann, wenn man die Menschen auf so gute Weise zusammenbringt. Besser kann es ja gar nicht funktionieren.

Witzig ist auch folgendes: Wir haben hier in der Stadt bisher ein größeres Hotel gehabt, das zu einer Hotelkette gehört. Da gab es Leute, die kamen mit einem Privatflugzeug hier an, ließen sich mit einem Taxi ins Hotel bringen, um sich dann in ihre Metalkluft zu hüllen, zu Fuß zum Busbahnhof zu laufen und sich dann mit dem Bushuttle zum Festivalgelände fahren zu lassen.  Das war toll.

Wie schwer hat denn der Ausfall 2020 die Region getroffen?

Dr. Kappus: Ich denke, die Wackener hat es richtig hart getroffen. Das W:O:A ist  mittlerweile ein Event, auf das sie das ganze Jahr hinleben. Es ist auch etwas, was Einnahmen für die Region bedeutet. Mir hat mal ein Hotelier erzählt, dass sie das ganze Jahr lang Zimmer frei haben. Die einzige Zeit im Jahr, zu der sie keine Zimmer frei haben, ist während des Wacken Open Air. So einen Ausfall merkt die Region natürlich. Für so ein großes Krankenhaus wie uns selber spielt es aber keine große Rolle, ob wir 200 Leute pro Woche mehr haben oder nicht. Man vermisst halt nur die Typen, die man zum W:O:A hier durch die Gänge schlurfen sieht.

Die Wackenveranstalter sind ja sozial sehr engagiert in Hilfsprojekten, wie der Blutspende oder das DKMS-Register. Wie sehen Sie das Engagement und sind Sie selber involviert?

Dr. Kappus:  Die Aktion haben wir vom Vorstand des Klinikums auch sehr positiv begleitet. Es ist toll, dass die Veranstalter sich der Region so verbunden fühlen und solche Initiativen machen. Wenn bei solchen Veranstaltungen der soziale Aspekt neben der persönlichen Unterhaltung deutlich gemacht wird, dann ist das ein tolles Beispiel für gutes gesellschaftliches Miteinander. Sich also nicht nur für sich persönlich etwas einfordert, sondern sich auch für andere engagiert und das bereitwillig tut.

In welche Corona-Aktivitäten sind Sie derzeit involviert?

Dr. Kappus: Das Klinikum Itzehoe ist eines der drei Krankenhäuser mit der höchsten Anzahl an COVID-19-Patienten in Schleswig-Holstein. Wir haben eine Intensivstation komplett für COVID-Patienten. Wir haben zeitweilig drei Infektionsstationen offen gehabt. Im Moment haben wir zwei. Wir übernehmen viele Patienten aus Nachbarbezirken, die krankenhaustechnisch nicht so gut aufgestellt sind. Im Moment haben wir unseren gesamten Planbetrieb zurückgefahren.

Wir nehmen in den 11 Kliniken, die wir hier im Haus haben, wirklich nur noch dringende Fälle auf. Ich leite ja die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. Wir hätten im Januar normalerweise relativ viele Patienten, die zu Knie- oder Hüft-OPs kommen würden. Zurzeit haben wir aber nur Fraktur-Patienten (Brüche), zumal es draußen heftig schneit. Wir haben also im Moment nur Winteropfer.

Mussten Sie Abteilungen extra für Corona-Patienten schließen?

Dr. Kappus: Nein. Wir sind ein Krankenhaus der obersten Notfallkategorie und das heißt, dass wir 24 Stunden Herzkatheter, Intensivmedizin, Gefäßchirurgie, Unfallchirurgie und alles Mögliche vorhalten müssen. Das läuft weiter. Dafür sind wir zuständig. Wir haben aber von unseren normalen Stationen zwischenzeitlich welche geschlossen, um genügend Personal für die Infektionsstationen zu haben, die davon natürlich viel braucht.

Man hat aber aus dem ersten Lockdown gelernt. Hier in Deutschland wurden die Krankenhäuser ja praktisch aufgefordert, den Betrieb weitgehend einzustellen und große Teile für COVID-Patienten vorzuhalten. Aber damals waren das wesentlich weniger Patienten. Wir haben jetzt seit Ende des Jahres sehr viel mehr Patienten. Wir haben im ersten Monat 2021 so viele, wie wir im gesamten letzten Jahr hatten.

Was mir Sorgen macht, ist, dass wir in Schleswig-Holstein eine hohe Durchseuchung mit der britischen Variante haben. Gerade wird deutlich, dass es mit den Impfstoffen und der Impfbereitschaft durchaus schwierig werden könnte. Die Zunahme der Mutanten erhöht das Ansteckungsrisiko. Auch Leute, die im letzten Jahr infiziert waren, können sich mit der südafrikanischen Mutante neu anstecken und wieder krank werden. Das sind schon sehr beunruhigende Informationen. Herr Hübner war auch vor einigen Wochen bei mir, da im Hintergrund ja die Frage steht, ob man dieses Jahr das Festival wieder machen kann. Ich sehe das sehr skeptisch. Ich glaube, dass das in dieser Größe nicht möglich sein wird. Es sei denn, man macht bei allen Teilnehmern jeden Tag Tests. Ansonsten kann so eine Veranstaltung nicht funktionieren.

Wir selber machen viele Tests. Wir testen jeden Mitarbeiter in den kritischen Bereichen zweimal pro Woche. In den anderen Bereichen einmal die Woche. Alle Patienten werden grundsätzlich alle drei Tage getestet. Das ist schon ein riesiger Aufwand. Wenn man das auf das Wacken Open Air überträgt, wenn zig-tausende Menschen kommen, dann muss man da eine Infrastruktur und Logistik schaffen, damit das funktioniert.

Bis so ein Test ein Ergebnis bringt, dauert es und die Abstrichtechnik muss auch stimmen. Da vergeht eine halbe Stunde. Auch wenn die Logistik stimmt – und dafür ist das Wacken Open Air ja bekannt – kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man das wuppen könnte. Alternativen, wie Spuktest oder Reihenuntersuchungen sind derzeit leider noch nicht so ausgereift. Ich glaube, alles steht und fällt mit der Situation der Mutationen. Meine Erwartung ist eigentlich, dass wir in spätestens zwei Monaten eine Mutante haben werden, gegen die die Impfstoffe nicht wirken. Das ist bei Viren bekannt. Die ändern ihre Oberflächenstruktur und lassen sich von uns nicht einfach umbringen. Die haben auch ihre Strategie. Ich fürchte, dass das so kommt und im Moment ist es wegen den vielen Mutanten auch absehbar. Dann muss zusätzlich geimpft werden.

Wir würden ihnen gerne Stichworte nennen, wozu sie uns bitte spontan sagen, was ihnen dazu einfällt. Ok?

Dr. Kappus: Ok.

Rituale

Dr. Kappus: Bei Wacken fällt mir sofort das Feuerwehrorchester (Wacken Open Air Firefighters) ein (lacht). Am ersten Tag. Das ist ein Ritual für die Menschen der Region und ein Ritual für die Teilnehmer.

Haben sie es selber schon mal gesehen?

Dr. Kappus: Ja.

Ernährung

Dr. Kappus: Hauptsache, in flüssiger Form. Mit ein bisschen mehr Energie als Tee.

Nachhaltigkeit

Dr. Kappus: Da denke ich an eine ganze Generation an Jugendlichen aus der Region, die nach dem Festival noch davon profitieren, weil sie über das Festivalgelände ziehen und es säubern. Und verwertbare von nicht-verwertbaren Dingen trennen und recyceln.

Werte

Dr. Kappus: Ich würde sagen, dass sich das Wacken Open Air zu einem Wert der Region gemausert hat. Es ist etwas, das der Region einen Wert gibt. Einen ganz anderen, als sich die Menschen vielleicht gedacht haben und was auch zu Selbstbewusstsein geführt hat.

Ethik

Dr. Kappus: Der friedliche Umgang miteinander, die Achtung voreinander, das soziale Engagement wie die Blutspendeaktion. Vor allem dieser freundliche Umgang miteinander.

Wacken

Dr. Kappus: Dorf in Mittel-Holstein

Schwarz

Dr. Kappus: Muss nicht bedrohlich sein.

Toleranz

Dr. Kappus: Lernen, dass Musik, die man selber nicht mag, tausende andere Menschen begeistern kann. Zumal, wenn man diese Menschen aus vielen Ländern erlebt, die freundlich und zugewandt miteinander umgehen.

Alter

Dr. Kappus: Ist etwas, was für Metalheads offensichtlich nicht ins Gewicht fällt. Man kann auch mit über 70 am Wacken Open Air teilnehmen.

Finanzen

Dr. Kappus: Gutstrukturiertes Festival. Über die Jahre hat sich eine rege Fankultur entwickelt und ist eine wahre Industrie entstanden. Das wird finanziell schon gutstrukturiert gemacht. Davon profitiert eine ganze Region.

Umweltschutz

Dr. Kappus: Die Verantwortung der Veranstalter nach ein paar Tagen Festival so ein Gelände nicht als Wüstenei zu hinterlassen, sondern dafür zu sorgen, dass der Naturzustand wiederhergestellt wird.

Gemeinschaft / Zusammenhalt

Dr. Kappus: Miteinander feiern, aber auch gemeinsam und miteinander aushalten, wenn es mal nicht so klappt. Das können Sie hier im Krankenhaus erleben. Wenn sich einer der Kumpels das Bein bricht, kommen die anderen mit und gucken mal, ob auch alles gut läuft. Man kann zusammen feiern, aber man unterstützt sich auch, wenn es nicht so gut läuft.

Gesellschaftliche Verantwortung

Dr. Kappus: Die Veranstalter übernehmen für den Ort Wacken aber er auch letztlich für die ganze Region einen erheblichen Teil an gesellschaftlicher Verantwortung. Es entstehen Arbeitsplätze, es wird in Infrastruktur investiert und es werden Institutionen der Region großzügig unterstützt. Da wird gesellschaftliche Verantwortung gelebt. Das ist nicht nur eine Gelddruckmaschine, wie man es sich sonst vorstellen könnte.

Familie

Dr. Kappus: Mittlerweile weiß ich, dass sogar Enkel mit Großvätern auf das Metalfestival gehen. Auf jeden Fall gibt das generationsübergreifende Begeisterung für das Metalfestival.

Wir haben auch noch ein paar persönliche Fragen, die wir ihnen gerne stellen würden. Ist das in Ordnung?

Dr. Kappus: Ja, gerne. Dann los (lacht).

Welches ist Ihr Lieblingstier?

Dr. Kappus: Der Hund.

Ihr Lieblingsfilm?

Dr. Kappus: Jenseits von Afrika.

Ihr Lieblingsbuch?

Dr. Kappus: Ich lese ganz viel. Ich habe eigentlich kein wirkliches Lieblingsbuch. Die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens mit Ebenezer Scrooge fällt mir da gerade ein.

Ihre Lieblings-CD?

Dr. Kappus: Ich habe gerade eine CD neu bekommen und das ist eine Einspielung der Mozartschen Violinkonzerte, die auf der Mozarts Geige gespielt werden.

Ihr Lieblingsessen?

Dr. Kappus: Sushi

Ihr Lieblingsgetränk?

Dr. Kappus: Wein. Ich mag sehr gerne südafrikanische Rotweine.

Ihr Hobby?

Dr. Kappus: Ich habe sehr viele Jahre klassische Musik gemacht. Ich spiele Querflöte. Ich habe früher lange im Orchester gespielt und auch Kammermusik gemacht. Ich war da ziemlich aktiv.

Ihr liebstes Reiseziel?

Dr. Kappus: Südafrika. Da gibt es viele tolle Ecken. Ich bin schon mehrfach dort gewesen. Ich habe eine Patentante gehabt, die dort gelebt hat. Die war Künstlerin. Nach dem Abitur bin ich dort gewesen. Da hat sie mir eine Woche Krüger-Nationalpark geschenkt. Da sind wir mit einem Käfer hingefahren, haben uns in die Landschaft gestellt, sie holte ihren Skizzenblock raus und dann haben wir einfach stundenlang die Natur beobachtet. Das war unglaublich.

Gibt es etwas, das Sie gar nicht beherrschen?

Dr. Kappus: E-Gitarre.

Ihre größte Sorge oder Angst?

Dr. Kappus: Das Wiedererstarken des Rechtsradikalismus.

Was lieben Sie am meisten

Dr. Kappus: Das Zusammensein mit meinen Kindern und Schwiegerkindern.

Was verabscheuen Sie am meisten?

Dr. Kappus: Intoleranz

Ihr größter Traum oder Wunsch für sich selbst?

Dr. Kappus: So zufrieden weiterleben zu können wie bisher.

Ihr größter Wunsch oder Traum für die Welt?

Dr. Kappus: Frieden.

Gibt es etwas, was Sie gerne der Welt mitteilen wollen?

Dr. Kappus: Viele Dinge sind ja in diesem Interview schon angeklungen. Ich denke, dass der wichtigste Punkt ist:  Offensein für die Menschen anderen Glaubens, anderer Generationen und anderer Völker und die Erfahrung zu machen, dass es überall in der Welt großartige Menschen gibt. Und dass es nur darum gehen kann, dass wir uns allen genügend Raum auf diesem blauen Planeten lassen, dass wir hier alle gut leben können. Bedauerlicherweise ist das sehr unrealistisch, aber Wünsche kann man ja haben.

Gibt es etwas, wenn Sie an das Wacken Open Air denken, das für Sie das Schönste oder das Schlimmste war?

Dr. Kappus: Das Schlimmste kann ich gar nicht sagen. Es ist eher das Mitgefühl mit Leuten, die Geld aufgewendet haben und die keine Mühen gescheut haben, hierher zu kommen und daran teilzunehmen und, die dann eine schwere Erkrankung oder schwere Verletzung trifft. Bei denen geht ein großer Traum kaputt. Das tut mir jedes Mal wieder für die Menschen einfach leid.

Und das Schönste ist genau das, was ich als Wunsch geäußert habe, was man da tatsächlich erleben kann: Dass Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen und Nationen einfach friedlich, begeistert und euphorisch miteinander feiern.

Interview: Lydia Polwin-Plass und Michael Gläser

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Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de