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Wahrscheinlichkeitsrechnung für optimalen Impfschutz – T-Zellen folgen stochastischen Regeln Wahrscheinlichkeitsrechnung für optimalen Impfschutz – T-Zellen folgen stochastischen Regeln
Erkenntnisse in der Immunreaktion zeigen, die Entwicklung von T-Zellen folgt stochastischen Regeln. Kommt eine T-Zelle mit einem Antigen in Kontakt, vermehrt sie sich und erzeugt... Wahrscheinlichkeitsrechnung für optimalen Impfschutz – T-Zellen folgen stochastischen Regeln

Erkenntnisse in der Immunreaktion zeigen, die Entwicklung von T-Zellen folgt stochastischen Regeln. Kommt eine T-Zelle mit einem Antigen in Kontakt, vermehrt sie sich und erzeugt Nachkommen. Die bisher bekannte Hypothese, dass diese Immunreaktion durch die individuelle Struktur des T-Zellrezeptors vorbestimmt ist, wurde jetzt durch ein Team der Technischen Universität München (TUM) widerlegt. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass der Einfluss des T-Zellrezeptors nur durch Wahrscheinlichkeiten beschrieben werden kann. Solche mathematischen Modelle könnten die Steuerung von Impfungen zukünftig unterstützen.

Das erworbene Immunsystem schützt unseren Körper vor Virus- und Bakterieninfektionen oder auch Krebs. Eine besondere Rolle spielen hierbei die sogenannten T-Zellen. Jede von ihnen trägt einen individuellen Rezeptor, eine Art sehr spezialisierten Sensor auf ihrer Zellmembran. Er passt zu genau einem Molekül, einem sogenannten Antigen. Dieses befindet sich zum Beispiel auf der Außenhülle eines Virus. Da die Rezeptoren individuell sind, bestehen auch zwischen zwei Rezeptoren, die das gleiche Antigen erkennen, minimale Unterschiede.

Erkennt die T-Zelle mit ihrem Rezeptor das passende Antigen vermehrt sie sich stark und aus der ursprünglichen, die sich selbst gegen die Bedrohung nich wehren kann, bilden sich neue Zelltypen – Effektorzellen und Gedächtniszellen. Effektorzellen schütten Stoffe aus, mit denen der eigentliche Kampf gegen die Bedrohung in Gang gesetzt wird, und verschwinden, wenn die Gefahr gebannt ist. Gedächtniszellen bleiben dagegen im Körper und sorgen dafür, bei einer neuerlichen Infektion mit dem gleichen Erreger für die entsprechende Immunreaktion. Diesen Effekt macht man sich auch bei Impfungen zunutze.

Unterschiedliche Muster bei individuellen Zellen

Wie viele Zellen welchen Typs aus einer einzelnen naiven T-Zelle entstehen, variiert stark. Woran das genau liegt, ist in der Forschung umstritten. Eine Hypothese besagt, dass alles von den T-Zellrezeptoren abhängt. Dadurch, dass diese individuell aufgebaut sind, passen manche besser zu einem Antigen und binden stärker daran als andere. Es wurde angenommen, dass diese unterschiedliche Stärke der Verbindung von Antigen und individuellem T-Zellrezeptor die Entwicklung einer T-Zelle und ihrer Nachkommen weitgehend festlegt.

Wir konnten zeigen, dass diese Erklärung nicht haltbar ist, wenn man untersucht, wie einzelne T-Zellen auf Infektionen reagieren“, erklärt Dr. Veit Buchholz, Gruppenleiter am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der TUM und einer der Hauptautoren der Studie. Die Forscher untersuchten die Entwicklung von einzelnen T-Zellen, die mit identischen T-Zellrezeptoren ausgestattet waren und mit dem gleichen Antigen konfrontiert wurden.

Dr. Veit Buchholz (links) und Prof. Dirk Busch vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene

Dr. Veit Buchholz (links) und Prof. Dirk Busch vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene



Das Ergebnis war eindeutig“, so Buchholz. „Folgt man der Hypothese, dass die Qualität der Verbindungen entscheidend ist, hätten die Ergebnisse alle das gleiche Muster zeigen müssen. Stattdessen erzeugten die einzelnen T-Zellen sehr unterschiedliche Mengen der verschiedenen Zelltypen.“

Gruppen von T-Zellen folgen Regeln

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Entwicklung der T-Zellen vollkommen chaotisch abläuft. Beobachtet man statt einer einzelnen naiven T-Zelle mehrere solcher Zellen gleichzeitig, zeigen sich auch in den aktuellen Experimenten die vermuteten Muster.

Diese scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse bestärken die Hypothese der TUM Wissenschaftler. „Die Ergebnisse für einzelne T-Zellen variierten zwar stark, die verschiedenen Muster traten aber jeweils mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auf“, so Prof. Dirk Busch, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und ebenfalls Hauptautor des Artikels. In Kooperation mit der biomathematischen Forschungsgruppe von Dr. Michael Floßdorf, entwickelte das Forscherteam ein auf diesen Wahrscheinlichkeiten basierendes mathematisches Modell. Dieses zeigt, dass die Ergebnisse aus der Einzelzell-Untersuchung – wenn man sie kombiniert – den Ergebnissen für Zellgruppen entsprechen. Bereits 2013 hatte das Team Ein ähnliches Verfahren auf eine andere Art der naiven T-Zellen angewendet.

Bedeutung für Impfschutz

Wenn diese Gesetzmäßigkeiten für die Entwicklung einer Gruppe von T-Zellen bereits bekannt sind könnte man fragen, warum man einzelne T-Zellen überhaupt untersuchen sollte. „T-Zell-Immunantworten gegen Infektions- und Tumorerkrankungen gehen teilweise von sehr geringen Zellzahlen aus“, erklärt Busch. „Um den Ablauf dieser Immunantworten vorherzusagen, ist es wichtig zu verstehen, wie sich einzelne T-Zellen verhalten.“

In der Praxis könnten die Erkenntnisse des Forscherteams zum Beispiel helfen, Impfungen zu verbessern auf die nur sehr wenige T-Zellen im Körper reagieren können. DazuVeit Buchholz: „Je besser wir die Wahrscheinlichkeiten verstehen, mit der nach einer Impfung schützende Gedächtniszellen gebildet werden, desto genauer können wir möglicherweise diesen Prozess mit verschiedenen Teilimpfungen steuern.“

Quelle und Bild: TUM

Publikationen:

Y.-L. Cho, M. Flossdorf, L. Kretschmer, T. Höfer, D.H. Busch, V.R. Buchholz, TCR Signal Quality Modulates Fate Decisions of Single CD4+ T Cells in a Probabilistic Manner, Cell Reports (2017), DOI: 10.1016/j.celrep.2017.07.005

V.R. Buchholz, M. Flossdorf, I. Hensel, L. Kretschmer, B. Weissbrich, P. Gräf, A. Verschoor, M.Schiemann, T. Höfer, D.H. Busch, Disparate individual fates compose robust CD8+ T cell immunity. Science (2013). DOI: 10.1126/science.1235454

Über die Technische Universität München

Die Technische Universität München (TUM) ist mit mehr als 500 Professorinnen und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 40.000 Studierenden eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.

Prof. Dirk Busch leitet die Fokusgruppe „Clinical Cell Processing and Purification“ am TUM Institute for Advanced Study (TUM-IAS). Ermöglicht wurde die Studie unter anderem durch Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de