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Forscher lösen Rätsel um spiegelverkehrte Organe bei siamesischen Zwillingen Forscher lösen Rätsel um spiegelverkehrte Organe bei siamesischen Zwillingen
Siamesische Zwillinge beschäftigen Forscher schon seit dem 19. Jahrhundert. Dennoch blieb ein Rätsel bisher ungelöst: Warum sind bei jedem zweiten rechtsseitigen Zwilling die inneren... Forscher lösen Rätsel um spiegelverkehrte Organe bei siamesischen Zwillingen

Siamesische Zwillinge beschäftigen Forscher schon seit dem 19. Jahrhundert. Dennoch blieb ein Rätsel bisher ungelöst: Warum sind bei jedem zweiten rechtsseitigen Zwilling die inneren Organe spiegelverkehrt? Biologen der Uni Hohenheim entschlüsselten einen wichtigen Schritt in der Embryonalentwicklung siamesischer Zwillinge.

Siamesische Zwillinge teilen sich einen Körper und sind doch oft sehr unterschiedlich. Zumindest in ihrem Inneren. Entwicklungsbiologe Prof. Dr. Martin Blum fand heraus: Die Ursache ist ein bestimmtes Protein im Embryo des linken Zwillings, das die Organverteilung in beiden Körpern anstößt. Dieses Ergebnis veröffentlichte die internationale Fachzeitschrift „Current Biology“ diese Woche als Titelstory.

Wie Rammstein in ihrem Superhit „Links 2 3 4“ so schön sagen „….Sie wollen mein Herz am rechten Fleck, doch seh ich dann nach unten weg, dann schlägt es links….“ Das Herz schlägt bei den meisten Menschen links, das ist eine Tatsache. Bei siamesischen Zwillingen, ist das häufig anders. Aber nur im Körper des rechten Zwillings von Paaren, die an Brust oder Bauch zusammengewachsen sind. Das ist bei 70 Prozent der siamesischen Zwillinge der Fall. Bei jedem zweiten von ihnen sind die inneren Organe des rechten Zwillings spiegelverkehrt angeordnet, das Herz sitzt also somit auf der rechten Seite.

Bei Wirbeltieren und Menschen werden die Weichen für diese Entwicklung bereits im Alter von wenigen Tagen bis Wochen gestellt. Entsprechende Forschungsergebnisse publizierten Prof. Dr. Blum und seine Mitarbeiter Mathias Tisler und Dr. Thomas Thumberger jetzt in der aktuellen Ausgabe von „Current Biology“. 

Ein siamesisches Kalb aus dem Zoologisch-Tiermedizinischen Museum der Universität Hohenheim. | Bildquelle: Universität Hohenheim.

Ein siamesisches Kalb aus dem Zoologisch-Tiermedizinischen Museum der Universität Hohenheim. | Bildquelle: Universität Hohenheim.

Eine Protein-Bremse sorgt für einen perfekten Start

Drei Asymmetrie-Gene sorgen in diesem Entwicklungsstadium dafür, dass sich das Herz mit der Spitze nach links ausrichtet und auch die inneren Organe asymmetrisch ausbilden. In den ersten Tagen nach der Befruchtung werden diese Gene allerdings noch von einem bestimmten Protein blockiert. Der Embryo entwickelt sich perfekt symmetrisch. Doch bereits nach wenigen Tagen vollzieht sich im Embryo eine ganze Kette von Ereignissen, die diese Gen-Bremse in den Zellen der linken Körperhälfte lösen.

In der Folge wandert das Herz nach links, die Leber nach rechts, die Herzkammern werden unterschiedlich ausgebildet. Wird die Protein-Bremse jedoch nicht gelöst, dann bleiben die Asymmetrie-Gene unterdrückt. Als Ergebnis müssen sich die Organe dann zufällig anordnenBei 50 Prozent der betroffenen Lebewesen sitzen sie am gewohnten Platz. Bei den anderen 50 Prozent auf der entgegengesetzten Körperseite,“ erklärt Prof. Dr. Blum.

Zellhärchen bewirken Asymmetrie

An nur einige Tage alten Froschembryonen konnte Prof. Dr. Blum in vorangegangenen Forschungsprojekten nachvollziehen, wie eine vier bis sechsstündige Ereigniskaskade die Protein-Bremse löst. Verantwortlich dafür sind die sogenannten Cilien. Das sind winzige Härchen auf der Oberfläche bestimmter Zellen im Bereich des Embryos, aus dem sich später der Darm entwickelt. 

Die Cilien bewegen sich wie Propeller im Kreis. Dabei verursachen sie einen Flüssigkeitsstrom, der sich außerhalb dieser Darmzellen von rechts nach links bewegt. Links des Cilienfeldes gibt der anbrandende Flüssigkeitsstrom den Zellen das Signal, die Protein-Bremse zu lösen. Rechts des Cilienfeldes fehlt das Signal, Die Protein-Bremse bleibt somit intakt. Auf diese Weise bewirkt dieser Flüssigkeitsstrom den die asymmetrische Ausprägung der Organe. „Das ist wie ein Domino-Effekt: von da an nicht mehr zu bremsen“, verdeutlicht Prof. Dr. Blum.

Der linke Zwilling blockiert die Entwicklung des rechten Zwillings

Ähnlich funktioniert das Ganze auch bei siamesischen Zwillingen. Hier wird das Brems-Protein jedoch nicht gelöst, sondern strahlt sogar noch auf den rechten Zwilling aus. Die Folge: Beim rechten Zwilling werden die Asymmetrie-Gene nicht aktiviert, die Organe entwickeln sich somit zufällig und bei jedem zweiten rechtsseitigen Zwilling dann spiegelverkehrt.

In der Natur sind siamesische Zwillinge ausgesprochen selten (beim Menschen: 1 von 50.000 Fällen). Für ihre Forschung beeinflusste die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Blum im Labor deshalb Froscheier kurz nach der Befruchtung damit sich die Embryonen als siamesische Zwillinge ausbildeten.

 „Weil sich Froschembryonen im Wasser entwickeln und das Herz von außen zu sehen ist, konnten Matthias Tisler und Thomas Thumberger die Lage der Organe bereits zu diesem Zeitpunkt analysieren“, berichtet Prof. Dr. Blum.

 Auch höheres Leben beginnt zwar mit einer kugelrunden, perfekt-symmetrischen Zelle. Allerdings hat erst der Bruch des Lebens mit der Spiegelachse den Menschen überhaupt erst möglich gemacht. Die Asymmetrie sorgt dafür, dass sich das Herz asymmetrisch entwickelt, mit unterschiedlich großen Kammern und zwei Blutkreisläufen für Lunge und Körper.

Auch im Gehirn übernehmen beide Hälften unterschiedliche Aufgaben. „Ohne Asymmetrie hätten wir in der linken Hirnhälfte kein Sprachzentrum – und wären damit keine Menschen“, so Prof. Dr. Blum. Gleichzeitig handelt es sich bei dem Erfolgskonzept Asymmetrie um eine der ältesten Erfindungen der Evolution, wie Forschungen an der Universität Hohenheim bereits in der Vergangenheit belegen konnten. Zum Glück, denn wenn die innere Ordnung gestört ist, können zum Teil schwere Krankheiten die Folge sein: „Statistisch treten solche Fälle bei ca. einem von 1.000 Neugeborenen auf. Die Folgen reichen von Herzfehlern bis zum Fehlen der Milz. Auch eine häufige Nierenerkrankung des Menschen, das Zystennierensyndrom, lässt sich auf Defekte in der Cilien-Funktion eines Gens zurückführen, das im frühen Embryo die Asymmetrie steuert“, erklärt der Entwicklungsbiologe.

Pioniere der Embryonenforschung sind der Franzose Camille Dareste, der Schweizer Hermann Fol und der gebürtige Stuttgarter Hans Spemann. Die letzten klassischen Arbeiten dazu stammten vom Stuttgarter Nobelpreisträger. „Das war im Jahr 1918. Doch die Frage nach dem Warum blieb weitere 100 Jahre offen. Jetzt können wir sie beantworten.“

Text: Lydia Polwin-Plass, basierend auf einer Pressemitteilung der UNIVERSITÄT HOHENHEIM der Autoren Barsch und Klebs und einer Cover-Story in „Current Biology“. Headerbild: Ein siamesisches Kalb aus dem Zoologisch-Tiermedizinischen Museum der Universität Hohenheim. | Bildquelle: Universität Hohenheim.

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Lydia Dr. Polwin-Plass

Promovierte Journalistin und Texterin, spezialisiert auf die Themen Kultur, Wirtschaft, Marketing, Vertrieb, Bildung, Karriere, Arbeitsmarkt, Naturheilkunde und Alternativmedizin. Mehr über Dr. Lydia Polwin-Plass auf ihrer Website: http://www.text-und-journalismus.de